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Erdgeschichte im Zeitraffer

Erdgeschichte im Zeitraffer

Mehr als 1.000 Meter unter der Erde wird Erneuerbare Energie in speicherfähiges Erdgas umgewandelt. Damit soll Sonnen- und Windenergie wetterunabhängig und ganzjährig verfügbar werden.

Noch bohren sich riesige Maschinen tief in den Boden, doch schon bald startet die RAG in der Hausruckviertler Gemeinde Pilsbach einen international einzigartigen Versuch : In 1.100 Meter Tiefe sollen Wasserstoff, der durch Erneuerbare Energie gewonnen wird, und Kohlendioxid in stabiles Erdgas umgewandelt werden – und zwar durch die Arbeit von Mikroorganismen, die 20 Millionen Jahren im Dunklen überlebt haben, wie Geschäftsführer Markus Mitteregger im Rahmen einer Medienfahrt der Wirtschaftskammer OÖ (WKOÖ) erläutert. „Das ist weltweit das erste derartige Projekt, das macht sonst niemand.“

Die RAG, kurz für Rohöl-Aufsuchungs AG, ist auf Energie- und Gasspeicherung spezialisiert und nutzt dafür ehemalige unterirdische Erdgaslagerstätten. Bei Projekt „Underground Sun Storage“ pumpte man versuchsweise Wasserstoff in eine leere Lagerstätte unter Pilsbach – und stellte fest, dass auch Methan, also Erdgas, mit an die Oberfläche kam. Bei Probebohrungen entdeckte man in dem porösen Sandstein Mikroorganismen, die den Wasserstoff (chemisch H2) gemeinsam mit Kohlendioxid (CO2) in Methan (CH4) und Wasser (H2O) umwandeln können – derselbe Prozess, der schon vor 20 Millionen Jahren zur Entstehung der Erdgaslagerstätte geführt hat.

20 Millionen Euro Investition

„Was wir jetzt machen, ist Erdgeschichte im Zeitraffer“, schildert Mitteregger das Ziel des Nachfolgeprojekts „Underground Sun Conversion“, in das man bisher 20 Millionen Euro investiert hat, zum Teil gefördert von der öffentlichen Hand: Ab August wird Wasserstoff und Kohlendioxid in die zwei Meter dicke und 200 Meter lange Lagerstätte unter Pilsbach gepumpt und nach einem Monat – so der Plan – als Methan wieder an die Oberfläche geholt. „Das funktioniert wie ein natürlicher Kreislaufreaktor “, erzählt Mitteregger. „Wir haben uns eine kleine, überschaubare Lagerstätte für das Experiment ausgesucht, weil wir hier die Prozesse gut überblicken können.“

Sollten sich die Erwartungen erfüllen, könnte das Modell die Nutzung Erneuerbarer Energien massiv verbessern: Derzeit ist Strom aus Wind- und Sonnenenergie nur dann verfügbar, wenn das Wetter passt – und nicht dann, wenn die Haushalte oder die Industrie ihn benötigen. Pumpkraftwerke wie Kaprun können nur kurzfristig Energie speichern. Erdgas ist hingegen mit der bereits vorhandenen Infrastruktur leicht speicher-, transportier- und verfügbar, wie Mitteregger betont. „Im Prinzip arbeiten wir wie Bauern: Wir speichern im Sommer die saisonale Energie ein, damit sie im Winter, wenn die Sonne weniger scheint, verfügbar ist.“

Zukunftsfrage Energie

Die Wirtschaft beobachtet das Projekt bereits mit großem Interesse, schildert Günter Rübig, Spartenobmann Industrie der WKOÖ. „Eine stabile und wettbewerbsfähige Versorgung mit Energie stellt einen wesentlichen Faktor zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Oberösterreich dar“, sagt er und verweist auf den steigenden Stromverbrauch durch die Digitalisierung. Umso wichtiger sei es, „mittelfristig auch erneuerbares Gas herzustellen“, verweist er auf die Versuchsanlage in Pilsbach.