Familie: Das Hausmittel gegen Krisen?
Die Sanktionen zwischen den USA, der EU und Russland treffen Europa härter als Russland, besagt eine Studie der Hypo Capital Management. Ein wachsendes Bürokratie-Monster innerhalb der EU und hohe Lohnnebenkosten verschärfen die Situation für Unternehmen. Und doch sind Firmen den Entwicklungen keineswegs machtlos ausgeliefert – oberösterreichische Familienunternehmen zeigen, wie man Krisen erfolgreich überstehen kann.
Wegen der Krim-Krise stoppte die EU unter anderem die Ausfuhr von Hightech-Produkten zur Öl- und Gasförderung nach Russland. Im Gegenzug verbot Russland gewisse Lebensmittel aus der EU einzuführen – mit Folgen: Die Wirtschaft beider Seiten wurde stark geschwächt. Erst Anfang November sprach sich Österreich – anders als Deutschland – gegen weitere Russland-Sanktionen aus. Es besteht eine starke wirtschaftliche Verbindung der beiden Staaten – viele österreichische Firmen sind von Russland abhängig. „Wir haben vergangenes Jahr circa eine Million Euro Umsatz in Russland gemacht, heuer gerade 30.000 Euro“, so Franz Roither von Roither Maschinenbau. Er beklagt auch, dass neben den Umsatzeinbußen feindliche Stimmung gegen europäische Waren gemacht werde, das würde alle Exporteure sehr hart treffen. Doch nicht nur die Sanktionen stellen österreichische Unternehmen vor eine Herausforderung – auch die wachsende Bürokratie innerhalb der EU macht den Firmen das Leben schwer. Dazu kommen hohe Lohnnebenkosten und standortspezifische Risiken wie Hochwasser – und dann auch noch die Wirtschaftskrise 2009. Sieben Familienunternehmen aus dem Inn- und Hausruckviertel haben bei einer Medienfahrt der WKO Oberösterreich einen Einblick gewährt, mit welchen Erfolgsfaktoren sie all diese Krisen überleben.
Innovationskraft
starlim//sterner ist heute Weltmarktführer in der Verarbeitung von Flüssigsilikonen. Das Unternehmen produziert Lenkradschalter für Audi, Schubladendämpfer, Dichtungen für Dialysefilter und sogar eine Hundeleine des Spielzeug-Herstellers Playmobil. „Silikon ist hitze- und kältebeständig und im Falle der Hundeleine auch verträglich. Es kann also verschluckt werden, ohne dass etwas passiert“, erklärt Geschäftsführer Thomas Bründl die Vielseitigkeit von Silikon. Bisher sei Silikon aber eine Nische gewesen.
Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Marchtrenk. Hier sind rund 620 Mitarbeiter beschäftigt – weltweit über 1000. In Kanada, Deutschland, Italien und China befinden sich weitere Standorte. Trotz der Expansion soll der Firmenhauptsitz in Marchtrenk bleiben. „China ist für uns produktionstechnisch nicht ausgeschlossen – auch dort sehen wir großes Marktpotenzial. Sollte es dazu kommen, dass wir in China einen Produktionsstandort aufbauen, ist das als Ergänzung und keinesfalls als Verlagerung von Österreich nach China zu sehen“, so Bründl. Die Wirtschaftskrise 2009 hat starlim//sterner gut überstanden. „Wir haben die Zeit genutzt, um Altlasten abzubauen und uns für den Aufschwung zu stärken. Es war klar, dass es wieder bergauf gehen würde“, erklärt Bründl. Heute lebt die Firma von seiner Innovationskraft: „Würden wir noch so arbeiten wie vor fünf, zehn oder gar 20 Jahren, gäbe es uns wahrscheinlich nicht mehr.“
Beste Ausbildungsqualität
Der Malereibetrieb Reiter aus Raab im Innviertel setzt auf seine Lehrlinge. Das muss er auch. „Maler und Beschichtungstechniker rennen uns nicht die Tür ein, aber es gibt einige wenige, die es werden wollen und auch sehr gut sind“, antwortet David Reiter auf die Frage, ob sich viele für eine Lehrstelle bewerben. Er führt mit seiner Frau Agnes den Familienbetrieb. Die Krise spüren auch sie – sowohl die öffentlichen als auch die gewerblichen und privaten Aufträge werden weniger. Umso wichtiger ist die Qualität der Facharbeiter. Diese könne laut Reiter nur durch die Lehrlingsausbildung gesichert werden. Die Firma Reiter präsentiert sich auf Lehrlingsmessen, lädt Schulen zu sich ein, kooperiert mit anderen, auch ausländischen Unternehmen und nimmt an Wettbewerben teil – 2011 stammte eine Finalistin des „Lehrlingshelden“ aus der Firma Reiter. Der Einsatz für die Lehrlinge macht sich auch für das Unternehmen bezahlt. Ein Rang unter den zehn besten Lehrlingsbetrieben Österreichs spricht für die Philosophie von Reiter.
Chefs zum Angreifen
„Wenn Mitarbeiter mit Problemen zum Chef kommen und mit ihm reden können, vergessen sie dir das nie“, erzählt Norbert Thumfart über die Beziehung zwischen Geschäftsführern und Mitarbeitern in der Firma Weyland. August Weyland gründete das Unternehmen vor über 180 Jahren – es befindet sich bis heute im Familienbesitz. Mit 76 Jahren ist Otto Weyland noch immer im Unternehmen tätig. Geschäftsführer Norbert Thumfart agiert als „Generationenüberbrücker“ bis Otto Weyland junior die Leitung des Unternehmens übernimmt.
Was die Zukunft der Firma betrifft, steht eines fest: „Ein jährliches Grundwachstum geht nur durch Verdrängung. Viele der Mitbewerber gehen in Konkurs – wir müssen schneller und besser sein“, so Thumfart. Das Erfolgsgeheimnis, warum es Weyland noch gibt und so viele seiner Mitbewerber nicht mehr, sieht er in der Ostöffnung. Weyland habe rechtzeitig die Notwendigkeit erkannt über Tschechien in den osteuropäischen Raum einzusteigen.
Durchhaltevermögen
2009 investierte das Hotel Gugerbauer in Schärding 2,5 Millionen Euro in einen Umbau. Nur drei Jahre später machte das Hochwasser viel davon zunichte – der Schaden betrug etwa eine Million Euro. Hinzu kommt die Tatsache, dass keine Versicherung für einen derartigen Schaden aufkommt. „Wir haben alle zusammengeholfen und schon nach zehn Wochen wieder aufgesperrt“, erzählt Karl Gugerbauer. Er hat das Hotel am Inn von seinem Vater übernommen. Mittlerweile wird ein mobiler Hochwasserschutz errichtet, wenn der Inn droht überzulaufen. Eine gewisse Unsicherheit bleibt, vor allem bei den Gästen. Ans Aufgeben denkt der junge Hotelier dennoch nie.
Nachhaltigkeit
Auch HARTJES ist eine Kämpfernatur – und einer der letzten Überlebenden. Fast alle österreichischen Schuhhersteller haben die Produktion ins Ausland verlegt. Doch einfach ist es auch für HARTJES nicht: „Die Eigentümer stehen zum Standort aber wir bewegen uns auf sehr dünnem Eis“, erzählt Geschäftsführer Martin Leodolter. Der Schuhproduzent im kleinen Ort Pramet im Innviertel ist mit knapp 130 Mitarbeitern einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region. Das Unternehmen nehme diese Verantwortung sehr ernst und sei nicht auf Gewinnmaximierung sondern Standortsicherung ausgerichtet, erklärt Geschäftsführer Johann Sternbauer. Damit es auch weiterhin Bestand hat, setzt es auf Innovation und Nachhaltigkeit. Es werden ausschließlich natürliche Materialien verwendet. Derzeit produziert HARTJES am Standort in Pramet 265.000 Paar Schuhe pro Jahr – mehr geht nicht. „Wir wollen eine attraktive Nische besetzen und nicht in Massen produzieren“. Falls sich das Unternehmen in Zukunft vergrößert, werde es dies nicht in Pramet tun – aber der Standort soll jedenfalls gesichert werden.
Flexibilität
Roither Maschinenbau setzt ebenfalls auf seinen Sitz in Oberösterreich. Seit über 60 Jahren entwickelt das Unternehmen unter der Marke „Austropressen“ in Seewalchen am Attersee Spezialpressen, etwa für Coca Cola, Red Bull, McDonalds oder REWE. „Wir haben die richtige Unternehmensgröße gefunden, um flexibel kundenspezifische Maschinen herstellen zu können“, erklärt Marlene Roither. Bei Roither werden fast alle Teile für die Maschinen noch im eigenen Unternehmen produziert, was heute eher unüblich ist. Eine Zeitlang habe man Zylinder zugekauft, aber schlechte Erfahrungen gemacht, weil die Qualität nicht gepasst habe. „Unsere Stammkunden sind froh, dass sie wissen, wo die Maschine produziert wird“, so Familie Roither.
Den Konflikt mit Russland bekommt Roither stark zu spüren. Im Vergleich zu einer Million Euro Umsatz im letzten Jahr machte Roither in Russland heuer gerade einmal 30.000 Euro. Doch die Familie setzt sich für ihr Unternehmen ein – und für seine Mitarbeiter. Einige Arbeitskräfte sind über 30 Jahre im Unternehmen, alle Fachkräfte, die die Firma benötigt, bildet sie selbst aus.
Fokussierung
Walter Moser gründete 1937 in Seewalchen eine Maßschneiderei – eine Maßschneiderei, die sich mittlerweile zu einem hochpreisigen Anbieter für Damenmode entwickelt hat. Für das Label Airfield arbeiten 130 Mitarbeiter, davon 95 Prozent Frauen. Das gesamte Design bis hin zur Herstellung der Musterkollektion passiert immer noch in Seewalchen, produziert werden die Kleidungsstücke in Bulgarien, Ungarn und Tschechien. Airfield hat schon vieles gemacht: Männerkleidung, Kommunions- und Trachtenanzüge für Jungen, Kinderkollektionen und Outdoor-Jacken-Kollektionen für Erwachsene. Vor 20 Jahren landete Airfield bei „for ladies only“. Man habe gemerkt, dass hier die größte Nachfrage besteht und sich dann ausschließlich auf das Segment Damenoberbekleidung konzentriert.
Familienunternehmen wie die eben genannten beweisen, dass Unternehmen Krisenzeiten überleben können. Sie sind langlebiger und älter als andere Unternehmen und damit das Fundament der Wirtschaft. Rudolf Trauner, Präsident der Wirtschaftskammer Oberösterreich, ist überzeugt, dass Familienbetriebe unterstützt werden müssen: „Familienunternehmen macht aus, dass sie langfristig denken und das Geld im Unternehmen bleibt. Es geht nicht um kurzfristige Gewinnmaximierung. Das macht sie stabil und krisensicher“. Immerhin sind neun von zehn österreichischen Unternehmen Familienbetriebe.