Geht uns die Energie aus? Was die Preisexplosion für den Standort Österreich bedeutet
Wer im neuen Jahr Post von seinem Energieanbieter bekommt, rechnet besser mit einer Nachzahlung, einer anstehenden Preiserhöhung oder beidem. Ein Grund dafür: die enorm gestiegenen Großhandelspreise im Energiesektor. Höhere Kosten, die auch die Industrie zunehmend belasten. Welche Folgen zieht das für den Standort Österreich nach sich und wie sichert man die Attraktivität für die heimische Industrie?
Unterbrochene Lieferketten, Rohstoffmängel, steigende Inflation… die Liste der Herausforderungen für die heimische Industrie ist seit geraumer Zeit lang. Noch dazu wenig aussichtslos: Dass die stark gestiegenen Energiepreise zeitnah wieder sinken. „Die Preise für Strom und Gas liegen ein Vielfaches über dem Vor-Krisenniveau, alleine die Gaspreise liegen beim Siebenfachen einer konjunkturellen Normallage“, bringt Axel Greiner, Präsident der oberösterreichischen Industriellenvereinigung, das Ausmaß auf den Punkt. Die meisten Österreicher:innen werden bereits zu spüren bekommen haben, dass die Strompreise im Dezember um zwölf Prozent höher lagen, als im Vergleich zum Vorjahr.
Was tun also? „Wir brauchen jetzt eine Strompreiskompensation und rasch eine wirkungsvolle Energiestrategie, wie wir den massiven Abfluss von Arbeitsplätzen in der Industrie in den nächsten Jahren verhindern können“, fordert Greiner und warnt sogar vor existenzbedrohenden Ausmaßen. Aus gutem Grund, denn Teil des Problems ist unter anderem das Nachsehen gegenüber anderen Standorten. Im Nachbarland Deutschland sind die Strompreise fast durchgängig niedriger, über das Jahr hinweg sogar regelmäßig um bis zu 15 Prozent. Noch höher ist das Gefälle etwa gegenüber den skandinavischen Staaten oder den USA.
Haushalte und Unternehmen entlasten
Die Ausnahmesituation im Energiesektor zwingt die Regierung bereits, erste Schritte in die Wege zu leiten. Haushalte profitieren insbesondere durch den viel diskutierten Klimabonus, der laut aktuellen Studien bis 2023 für mehr Entlastung sorgen wird, als die neuen CO2-Bepreisungen verursachen werden. Ergänzt wird das Programm durch einen einmaligen Energiebonus in Höhe von 150 Euro sowie die ausgesetzen Ökostrompauschalen- und förderbeiträge. Abgesehen von sehr hohen Einkommen (ab monatlich 5.760 Euro brutto) profitieren davon alle Österreicher:innen.
Doch die Maßnahmen richten sich in erster Linie an private Haushalte. „Es ist daher legitim und wichtig, dass Maßnahmen gesetzt werden, um neben den Haushalten auch die betroffenen Unternehmen zu entlasten und sie darüber hinaus bei der Transformation unseres Energiesystems zur CO2-Neutralität zu unterstützen“, so Greiner. Viele Unternehmen stünden mit dem Rücken zur Wand: „Was sie nun brauchen, ist eine spürbare Entlastung.“
Der positive Effekt einer Strompreiskompensation liegt für Greiner dabei auf der Hand. Zum einen würden sie die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Betriebe kurzfristig steigern und wären zum anderen ein wirkungsvoller Schutz vor indirektem Carbon Leakage – also die Verlagerung von CO2-Emissionen ins Ausland, um die Bedingungen des Europäischen Emissionshandelsystem zu umgehen.
Dynamisch in die Zukunft
Ein Drittel der im produzierenden Bereich benötigten Energie fällt in Österreich auf die Industrie. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass sie keineswegs „nur“ energieintensiv ist. Als bedeutender Wirtschaftszweig ist die Industrie maßgeblich an der Stärke der heimischen Ökonomie beteiligt, treibt Innovationen voran und bietet vielen Österreicher:innen sichere und gut bezahlte Jobs. Allein in Oberösterreich waren 2019 knapp 37.000 Arbeitnehmer:innen beschäftigt, die rund 14,5 Milliarden Euro Umsatz erwirtschafteten. Schwächt man diese wirtschaftliche Stärke weiterhin, läuft man Gefahr, den Anschluss an globale Weltmächte zu verlieren.
Denn der Preis für CO2-Emissionen, der sich in den letzten Monaten auf mittlerweile über 80 Euro vervielfacht hat und damit auch die Stromkosten in die Höhe treibt, treffe laut Greiner ausschließlich europäische Unternehmen. Ein böses Omen für den heimischen Wirtschaftsstandort? Nicht unbedingt. „Die Industrie kann diese Transformation bewältigen – dazu braucht es aber wettbewerbsfähige Energiepreise und eine ausgebaute Energieinfrastruktur“, so Greiner. Mit den richtigen Maßnahmen können so zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: die Stärkung des heimischen Standorts und die Umsetzung der Energiewende für eine klimaneutrale Zukunft.