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„Mitarbeiter:innen von uns verstecken sich in kleinen Dörfern“

„Mitarbeiter:innen von uns verstecken sich in kleinen Dörfern“

Florian Gumpinger, Chef des Softwareunternehmens Verpura aus Altenberg, beschäftigt Angestellte bei einer Tochterfirma in der Ukraine. Im Interview berichtet er über die dramatischen Zustände vor Ort und wie er mit einer von ihm ins Leben gerufenen Spendenaktion helfen will.

Obwohl rund 980 Kilometer entfernt, ist der Ukraine-Krieg auch für Florian Gumpinger, Chef des Software-Unternehmens Verpura mit Sitz in Altenberg bei Linz, näher als ihm lieb ist. Der Mühlviertler hört sogar immer wieder die Sirenen heulen. Dann nämlich, wenn er sich mit Geschäftspartner Dmytro Rushchak und anderen Kolleg:innen beim Tochterunternehmen in Lemberg im virtuellen Meeting bespricht. „Immer wieder ertönt dort der Luftalarm. Unsere Mitarbeiter:innen müssen dann oft während der Besprechung in den Keller flüchten“, macht Gumpinger die dramatische Situation vor Ort deutlich.

Rushchak, der auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, hat inzwischen das Land mit seiner Familie verlassen. Wie Gumpinger erzählt, hat der gebürtige Ukrainer für seine Frau und seine drei Kinder (zwischen drei und vierzehn Jahre alt) in Österreich Schutz gefunden. Er selbst ist nach Lemberg zurückgekehrt. Weitere Familien, denen er bei der Ausreise geholfen hat, kommen aktuell in Tschechien und Polen unter. In Städten wie Lemberg sei die Situation derzeit etwas surreal. Denn rund 80 Kilometer von der Grenze zu Polen entfernt seien zwar auch schon Raketen niedergegangen, trotzdem würden die Menschen immer noch in Lokalen Essen gehen.

Bewohner seit Tagen im Keller

18 Entwickler:innen werden in der Ukraine beschäftigt sowie weitere in Partnerfirmen. Diese erbringen von dort aus Entwicklungsdienstleistungen für den österreichischen sowie deutschen Markt und sind auf das ganze Land verteilt. Viel dramatischer ist die Situation neben Kiew in Mykolajiw. „Dort halten sich die Bewohner schon seit Tagen im Keller auf. Es wäre viel zu gefährlich das Haus oder die Wohnung zu verlassen“, so Gumpinger.

Der Chef von Verpura hat sein Unternehmen schon Wochen vor den ersten Raketen-Angriffen auf den Ernstfall vorbereitet. So ist eine unterbrechungsfreie Stromversorgung sowie eine dreifach redundante Internetverbindung gewährleistet. „Damit können wir den Betrieb aufrecht halten. Mit einer derartigen Eskalation habe ich anfangs aber ehrlich gesagt nicht gerechnet“, gesteht Gumpinger.

Zwei Tage lang musste unsere Mitarbeiterin zittern, bis sie ihre Tochter wieder bei sich hatte

Florian Gumpinger (Geschäftsführer Verpura)

Körperlich seien laut dem Oberösterreicher alle seine Mitarbeiter:innen unversehrt. Viel mehr Sorgen bereiten dem Unternehmer die psychischen Belastungen seiner Angestellten. So wusste eine Ukrainerin bis vor kurzem nichts vom Verbleib ihrer Tochter. Diese studiere in Kiew und sei auf dem Rückweg zu ihrer Familie nicht erreichbar gewesen. Gumpinger: „Es gab zunächst kein Lebenszeichen von ihr. Zwei Tage lang musste unsere Mitarbeiterin zittern, bis sie ihre Tochter wieder bei sich hatte. Das ist auch für mich eine sehr schwere Situation. Ich habe versucht, so gut es eben geht, die Kollegin zu unterstützen.“

Ein anderer Verpura-Angestellter ist hingegen schon seit Kriegsbeginn von seiner Frau getrennt. Sie arbeitet als Ärztin beim Militär und wurde eingezogen. Trotz der dramatischen Situation und der schrecklichen Ereignisse im eigenen Land sind laut Gumpinger seine Mitarbeiter:innen froh, noch der Arbeit nachgehen zu können. „Wir versuchen so weit es geht, den gewohnten Ablauf beizubehalten“, sagt der Verpura-Chef.

Gehälter werden noch ausbezahlt

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief die Bewohner schon zu Beginn des Krieges zur Selbstverteidigung auf. „Wir werden jedem eine Waffe in die Hand drücken, der die Ukraine verteidigen will“, wird der Staatschef in internationalen Medien zitiert. Und auch der Mühlviertler Unternehmer meint im Interview mit uns, dass die Ukrainer:innen sehr patriotisch sind und hinter ihrem Land stehen. So hat auch ein Systemadministrator aus Gumpingers Team zu Kriegsbeginn seinen Arbeitsplatz plötzlich verlassen. Der 40-Jährige hatte sich schon zum Kämpfen aufgemacht, ist zwei Tage danach aber wieder als Reservist zurückgestellt worden. Das Heer hat sich für jüngere, besser trainierte Soldaten entschieden. Das kann sich aber jederzeit wieder ändern. „Das war schon ein Schock, als er weg war. Wir haben uns alle große Sorgen gemacht.“

Doch nicht alle würden so weit für ihr Land gehen. Gumpinger erzählt, dass fünf seiner Angestellten ihre Heimat mit ihren Familien verlassen wollten. Jedoch schafften es nur zwei rechtzeitig über die Grenze. Nach der Generalmobilmachung mussten die anderen drei Familien an den Grenzübergängen wieder umkehren. Herzzereißende Abschiedszenen, wie mehrfach in den sozialen Medien gesehen, gab es in diesem Fall aber nicht. „Die Frauen und Kinder sind bei ihnen geblieben. Sie alle verstecken sich nun in kleineren Dörfern fernab der Großstädte“, weiß Gumpinger.

Auf die Frage, wie er die Zukunft sieht und wie es mit den Verpura-Aussenstellen weiter geht, zuckt der Unternehmer im Interview mit den Schultern. Er sagt: „Wir wissen es einfach nicht. Es kann sein, dass es zum erhofften Frieden kommt. Im schlimmsten Fall kann es aber auch eine russische Regierung für alles geben. Derzeit zahlen wir die Gehälter noch aus. Es gibt aber auch schon eine große IT-Firma im Land, in der die Mitarbeiter:innen noch auf das Geld vom vergangenen Monat warten.“

Um das fürchterliche Leid der Menschen in der Ukraine zumindest etwas lindern zu können, war für Gumpinger klar: Er muss helfen. Deshalb rief er zusammen mit den Mitgliedern des Rotary Club Gallneukirchen eine Spendenaktion ins Leben. „Zusammen mit dem Rotary Club Lemberg International stellen wir vor Ort die Kontakte her. Am sinnvollsten sind derzeit Geldspenden. Wir haben aber auch schon zahlreiche Paletten mit Gütern in großen Sattelschleppern in die Ukraine geschickt“, so Gumpinger. In einem Übergabelager an der Grenze von Polen zur Ukraine werden die Hilfsgüter vorsortiert. Der Plan: Einmal pro Woche soll ein Laster voll mit benötigten Materalien von Österreich in die Ukraine fahren. Derzeit am dringendsten benötigt: Schmerzmittel sowie spezielle Verbände, um Brandwunden und große Blutungen zu behandeln. Gumpinger hofft, mit der Spendenaktion auch noch weitere heimische Unternehmen mit ins Boot zu holen.

So können Sie spenden:

Zu helfen, ist ganz einfach. Spenden können ab sofort auf das folgende Konto überwiesen werden: Begünstigter: Rotary Projektverein, Kennwort: „Ukrainehilfe“, IBAN: AT16 3200 0052 1165 7699.