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In den 64 Jahren Ihres Lebens haben 
nicht nur Sie sich verändert, sondern 
auch die Zeit an sich. Was ist heute bes-
ser, schöner als früher? Worauf könnten 
Sie gut und gerne verzichten?

Pühringer:

 Schauen Sie, die guten alten 

Zeiten, die hat’s nicht gegeben. Die fin-

den heute statt. Denn früher ist es den 
Menschen weit schlechter gegangen. 
Man muss einmal ehrlicherweise sa-
gen, dass es die Politikergenerationen 

vor uns – auch die nach 1945 – weit 
schwerer gehabt haben. Denn damals 
ging’s ums Überleben. Heute geht’s 
ums Besserleben. Da ist einmal mehr 
möglich, einmal weniger. Entschei-
dend ist, dass wir die Gesellschaft 
in allen Bereichen weiter nach vor-
ne entwickeln, den Bildungsstandort, 
den Wirtschaftsstandort und auch das 
soziale Netz stärken. Eine kontinu-
ierliche Vorwärtsentwicklung ist das 
Entscheidende. Worauf man meines 

Erachtens in der Politik verzichten 
kann, ist sinnloses Blockieren und 
sinnlose kleinkarierte Parteipolitik, wo 
einer den anderen behindert. Das ist 
stärker geworden. Weil die Auseinan-
dersetzung durch die vielen Parteien 
auch schärfer geworden ist. Wir müs-
sen schauen, dass wir keine italieni-
schen Verhältnisse kriegen, sondern 
dass rasch entschieden wird in diesem 
Land. Dass Visionen gemeinsam erar-
beitet und auch realisiert werden. Bes-
tes Beispiel: Wenn Stadt und Land und 
alle Parteien nicht so geschlossen auf-
getreten wären wie in Oberösterreich, 
dann hätten wir nie eine medizinische 
Fakultät erreichen können. Nur Ge-
meinsamkeit macht stark. Und bringt 
auch herzeigbare Ergebnisse. 

Ein Zeichen der heutigen Zeit ist auch 
eine gewisse Politikverdrossenheit – 
die sich mit sinkender Wahlbeteiligung 
ausdrückt. Sie haben vorhin angespro-
chen, dass der Wohlstand noch nie so 
groß war wie heute. Gibt es da einen 
Zusammenhang?

Pühringer:

 Wir haben ein Phänomen, 

das in ganz Europa ähnlich ist: die 
sinkende Wahlbeteiligung. Diese sinkt 
zwar in Österreich deutlich geringer, 
das ist aber kein Trost. Wir sollten uns 
immer bemühen, die Bürger auf die 
Reise mitzunehmen. Und das ist in der 
letzten Zeit manchmal nicht gesche-
hen. Da sind zum Teil der Streit und 
der Widerspruch zu sehr im Vorder-
grund gestanden. Und dann wenden 
sich Menschen von der Politik ab. Jetzt 
geht’s darum, dass wir ein Modell fin-
den – im Bereich der direkten Demo-
kratie – wo wir die Bürger wieder mehr 
und ernsthafter einbinden in die politi-
sche Ideenentwicklung. 

Ist es heute schwieriger, gute Leute für 
die Politik zu finden? 

Pühringer:

 Nein, das glaube ich nicht. 

Wir müssen nur das Politiker-Bashing 
einstellen. Dort, wo’s gerechtfertigt ist, 
wo’s Unkorrektheiten gibt, dort muss 
man die Konsequenzen ziehen. Aber 
eine Generalverurteilung der Politik 
und auch eine Generalinverdachtnah-
me der Politik darf es nicht geben. 

Verbindung von Alt- und Neubau

 

mit Blick auf die Zeit.