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Es muss uns Österreichern bewusst sein,
dass Leistung aus Innovationen und öster-
reichische Qualität auch etwas wert sind.
Ihr Appell also an die Politik?
Klinger:
Dringend sind die Themen Lohn-
steuersenkung,
Verwaltungsvereinfa-
chung und Richtungsklarheit.
walter:
Ich sehe aber weder bei der Politik
noch in der Bevölkerung das Bewusstsein,
dass der Steuersatz gesenkt werden muss.
Denn wenn ich mir die Diskussionen über
Reichen- und Vermögenssteuern anhöre,
dann ist man in Österreich offenbar sehr
stark darauf fokussiert, neue Einkom-
mensquellen zu erschließen, um nicht das
zu machen, was wirklich notwendig ist und
was Frau Klinger eben angesprochen hat:
nämlich einsparen und Strukturen ändern.
Der erste Punkt wäre, den Mut zu haben,
sich hinzustellen und zu sagen: Wir müs-
sen an beiden Stellen etwas tun.
Klinger:
Wir gehören zu den Ländern welt-
weit mit den höchsten Steuern. Darunter
sind aber auch Länder, wo die Bevölkerung
hochzufrieden ist wie etwa Dänemark. Die
sagen, wir zahlen viele Steuern, aber wir
fühlen uns gut, unser System ist toll.
schneider:
Schon in den 80er Jahren war es
zum Beispiel in Dänemark eine Selbstver-
ständlichkeit, dass es Ganztageskinder-
gärten und –schulplätze gibt. Die Dänen
können von einem kompletten Netz an
Leistungen profitieren, sodass sie immer
wieder sagen: Meine Steuerbelastung ist
wesentlich höher, aber ich bekomme da-
für viel mehr vom Staat zurück. Das ha-
ben wir bis heute nicht geschafft. Wir tun
in vielen Bereichen sehr viel, aber in vielen
anderen wie Bildungspolitik sind wir in der
Leistungserbringung lausig schlecht. Und
teuer. Es muss uns klar sein, dass wir ein
Problem haben.
Ein Problem, zu dem auch die Banken-
krise ihren Teil beigetragen hat?
schneider:
Das Thema Steuergerechtigkeit
spielt schon auch eine große Rolle. Der
kleine Mann sagt: Warum soll ich jetzt für
die Banken zahlen? Das Fatale war ja, dass
der Staat damit Fehlverhalten belohnt hat.
Klinger:
Wenn ich im Unternehmen etwas
in den Sand setze, dann muss ich dafür
die Verantwortung tragen. Belohnen geht
nicht!
schneider:
Genau, und deshalb habe ich als
Experte der EZB gleich davor gewarnt, Fehl-
verhalten in großem Ausmaß zu belohnen.
walter:
Doch wer ist letzten Endes dafür
verantwortlich, dass wir jetzt in diesem
System sind? Das ist der Gesetzgeber, die
Öffentlichkeit. Dass man jetzt die Banken
auffangen muss, weil eine Insolvenz von
Banken in Europa im System nicht vorge-
sehen war, das ist nicht die Schuld der ein-
zelnen Banken, auch nicht die Schuld des
einzelnen Bürgers. Es ist grundsätzlich ein
systemisches Problem.
schneider:
Was mir fehlt in Österreich ist
eine Diskussion zur Frage der Haftung,
wenn ich mich fehlverhalte. Denn im nor-
malen Unternehmen ist es so: Wenn Sie die
falschen Fenster bauen und nichts mehr
verkaufen, dann ist es aus. Und wenn Sie
das wissentlich oder halbwissentlich ma-
chen, dann wird man Sie zur Rechenschaft
ziehen und dann haben wir die übliche In-
solvenz mit allen Konsequenzen. Da haben
Sie völlig Recht, man kann nicht sagen, bei
den Banken gilt das nicht. Das ist mein Kri-
tikpunkt – dass leider keine Reaktion dar-
auf folgte, dass es weniger wahrscheinlich
gemacht wird, dass es in Zukunft wieder
passiert. Die Steuern und die Belastungen
wurden angehoben, damit bin ich auch
nicht einverstanden.
walter:
Noch kurz zu Ihrer Aussage, über
Haftungen müsse nachgedacht werden –
da bin ich Ihrer Meinung. Wirtschaftliche
Entscheidungen sind immer unsicher. Ich
möchte nicht kriminelle Taten rechtferti-
gen, aber eine Entscheidung, die heute un-
ter bestimmten Voraussetzungen zu treffen
ist, ist bei einem wirtschaftlichen Prozess,
der über mehrere Jahre stattzufinden hat,
schwer zu rekonstruieren. Wir müssen
entscheiden, welche Sachverhalte vor Ge-
richt gehören und welche nicht. Wenn wir
unsere wirtschaftlichen Entscheidungen in
einem so breiten Ausmaß vor den Gerich-
ten über viele Jahre austragen, dann frage
ich mich, wer in Österreich dann noch bei
so einem Haftungsgefüge Verantwortung
übernehmen und Entscheidungen treffen
will. Und die schlechteste Entscheidung ist
immer jene, die nicht getroffen wird.
Geht das Steuersystem also nicht mit
der sich immer schneller verändernden
Zeit konform?
Friedrich
Schneider
professor an der jku (institut für vwl)
der eingangssteuersatz
sollte bei höchstens 20 bis 25
Prozent liegen.
Anette
Klinger
geschäftsführerin der ifn beteiligungs gmbh
dringend sind die themen
lohnsteuersenkung,
Verwaltungsvereinfachung und
richtungsklarheit.
Thomas
Walter
steuerexperte und partner bei kpmg
die Komplexität
des steuersystems
ist viel zu hoch.