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Talente ihrer Kinder zu entdecken und zu
fördern, hab ich immer noch meine Sor-
gen. Weil gerade diese Eltern dann genau
jene Talente fördern, die sie für gut be-
finden.“ Und das sei schließlich ein wei-
teres großes Problem – die Bewertung
von Talenten. Denn wenn der Bub ein
Fußballtalent hat, dann ist das zumeist
ziemlich cool für seinen Vater. Doch was
denkt er über ein ausgeprägtes Talent
im Umgang mit bedürftigen Menschen?
Werden das seine Eltern auch so unbe-
dingt fördern wollen? „In der Ganztags-
schule sollten die Kinder daher am Vor-
mittag Unterricht haben, danach noch
Zeit für Hausübungen und dann sind die
Profis im Einsatz – ich meine nicht die
Lehrer, sondern sogenannte Scouts, de-
ren Aufgabe es ist, herauszufinden, ob
da ein Schlagzeugspieler oder ein Tech-
nikgenie oder was auch immer dabei ist.“
Die Aufgabe des Lehrers sei es, die Basis
für alles zu schaffen, der Scout habe hin-
gegen die Aufgabe, das Kind auf dessen
Talente aufmerksam zu machen. Dann
könne das Kind diese ausprobieren und
natürlich selbst entscheiden, ob es diese
auch umsetzen möchte oder nicht.
Wo (und wie) geht’s
hier zur Weltspitze?
Und das sei nicht nur für jedes einzelne
Kind wichtig, sondern auch für den Wirt-
schaftsstandort. „Österreich ist weder ein
Rohstoff- noch ein Billiglohnland und da-
her haben wir keine andere Wahl als die
individuellen genetischen Leistungsvor-
aussetzungen zu entdecken und optimal
einzusetzen“, sagt Hengstschläger, der
neben Hannes Androsch Vorsitzender im
Rat für Forschung und Technologieent-
wicklung ist und dabei die Bundesregie-
rung berät. Es reiche schon lange nicht
mehr in Österreich das zu tun, was alle
anderen machen. „Wenn wir Erfolg haben
möchten, müssen wir Extrameilen gehen.“
Die Zeit der tief hängenden Weintrau-
ben sei vorbei, es gehe uns immer noch
wunderbar, sämtliche Rankings würden
aber zeigen, dass Österreich mittlerweile
ein Innovations-Follower-Land sei. Um
wieder zum Innovationsführer zu werden,
rät Hengstschläger, auf die Individuen zu
schauen. „Wir müssen jedem Individuum
sagen: Beschäftige dich nicht zu sehr mit
deinen Schwächen, sondern kümmere
dich um deine Stärken, wir wollen nämlich
Spitzenleistungen!“
„Die Talente der Menschen seien der Er-
folgsschlüssel für die Zukunft. Die heimi-
sche Wirtschaft brauche daher Innovati-
onen, Ideen, herausragende Leistungen,
Resultate. Und das gelinge nur, wenn
sich Individuen auf die Suche nach ihren
Stärken machen, sich nicht zu sehr mit
ihren Schwächen beschäftigen, um dann
Spitzenleistungen zu erreichen. „Wenn
heute jemand fragt, wozu wir so viele
Innovationen bräuchten, dann ist mei-
ne Antwort: Wir kennen die Fragen von
morgen nicht, daher ist es gut, wenn wir
heute viele Innovationen und Ideen haben,
um dann eine zu ziehen, wenn die Frage
kommt“, erklärt der Genetiker. Er nennt
die Schweiz als positives Beispiel für ein
erfolgreiches Innovations-Leader-Land.
Grund dafür sei auch das dort vor etwa 30
Jahren eingeführte politische Förderkon-
zept, das folgender Maßen funktioniert:
„Stellen Sie sich vor, es gibt zehn Forscher
mit guten Ideen, von denen man natürlich
nicht weiß, welche dieser Ideen aufgehen
wird. In der Schweiz werden alle zehn
Ideen gefördert. In Österreich hingegen
fördert man sicherheitshalber keine. Und
dann geben die Politiker natürlich gleich
eine Pressekonferenz, um zu zeigen, wie
viel Geld eingespart wurde.“
Warum es sich lohnt,
aus der Reihe zu tanzen
In der Zwischenzeit haben die beiden Bald-
Mütter das Café verlassen (Vermutlich, um
ein One-way-Ticket nach Zürich zu bu-
chen.), an ihrer Stelle sitzt nun ein junger
Mann, wahrscheinlich noch ein Teenager.
Der kritische oder vielmehr verächtliche
Blick der feinen Dame mit der Perlenhals-
kette am Tisch gegenüber, ist ihm egal.
Möglicherweise findet sie sein legeres Auf-
treten nicht ganz angemessen für ein so
traditionelles Kaffeehaus. Vielleicht wun-
dert sie sich aber auch darüber, warum er
um diese Zeit nicht in der Schule ist. Fragt
man Markus Hengstschläger, worüber er
sich mehr Sorgen mache – über ein Kind,
das extrem angepasst ist oder eines, das
stark rebelliert, bekommt man zur Antwort
ein vielsagendes Grinsen. An dieser Stel-
le sei zu erwähnen, dass Hengstschläger
mit sechzehn Jahren als Punk unterwegs
war. Und dann? Dann studierte er Gene-
tik, forschte an der YALE University, mit 24
promovierte er, mit 29 wurde er außeror-
dentlicher Professor, sechs Jahre später
Professor für Medizinische Genetik an
der Medizinuni Wien, heute leitet er das
Institut. Er war immer einer, der aus der
Reihe tanzt. Einer, der sich schon sehr
früh in den Kopf gesetzt hatte, Genetiker
zu werden. Und das, obwohl „1986, als
ich maturiert habe, niemand davon aus-
ging, dass man mit Genetik Geld verdienen
kann, geschweige denn Ruhm und Ehre
bekommt“, sagt er und fügt schmunzelnd
hinzu: „Und irgendwann einmal auf dem
Cover eines Magazins landet.“ Er habe
Glück gehabt, weil seine Eltern (der Vater
war Uni-Professor sowie Rektor der Uni in
Linz, die Mutter Direktorin einer Schule),
ihn nicht daran gehindert, sondern viel-
mehr dazu ermutigt haben, aus der Reihe
zu tanzen. „Dem Kind Mut zu machen, das