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„Ein Manager muss jeden Tag folgende Ant-
wort finden: Wie viel Prozent Flexibility und
wie viel Prozent Security machen wir heu-
te? Das hängt von Hunderten Parametern
ab, etwa wie viel Geld am Kapitalmarkt
ist, was die Konkurrenz gerade macht
und was gestern passiert ist. Der Macher
macht nichts anderes als einerseits die ge-
netischen individuellen Leistungsvoraus-
setzungen in seinem Team zu empowern
und andererseits die Frage der Flexicurity
zu diskutieren“, erklärt Hengstschläger.
Setzt ein Unternehmen ausschließlich auf
Innovation, sei die Gefahr, zu viele Fehlent-
scheidungen hintereinander zu machen,
sehr groß. Wer aber nur Sicherheit wählt,
würde den Nokia-Effekt zu spüren bekom-
men: „Dann haben Sie zwar immer brav
Geld verdient, aber irgendwann überholt
Sie einer mit einer neuen Idee und Sie sind
verschwunden.“ Es gebe viele Firmen, die
bei einer gar nicht schlechten Auftrags-
lage einfach nur sicher unterwegs wa-
ren und dann anderen dabei zugeschaut
haben, wie diese den Markt überrollten.
„Und jeder wundert sich, dass eine so gut
gehende, traditionelle Firma, die jahrzehn-
telang Geld verdient hat, plötzlich weg
sein kann.“ Auf der anderen Seite gebe es
Start-ups, die ohne Plan risikoreich losle-
gen und nach drei Jahren verschwunden
sind. Markus Hengstschläger hält von bei-
den nichts, man brauche eine Cash-Cow,
etwas Sicheres also, womit man Geld ver-
dient und gleichzeitig Innovationen. „Die
richtige Abwägung trennt den guten vom
schlechten Manager.“
Ebenso rät Hengstschläger jedem Men-
schen, für sich selbst täglich zu überprü-
fen, wie viel Flexibility und wie viel Security
er im Moment braucht. Genau das ma-
che er selbst auch jeden Abend, wenn er
zu Hause ist. „Wenn Sie bei 100 Prozent
Sicherheit landen, dann stehen Sie wahr-
scheinlich kurz vorm Burn-out, weil Sie
nur Dinge tun, die Sie tun müssen. Wenn
Sie aber bei 100 Prozent Selbstverwirkli-
GEDANKEN
Ein Talent, das ich nicht besitze, aber gerne besitzen würde_
ein musikalisches Talent.
Die besten Ideen kommen mir_beim Joggen oder
im Gespräch mit meiner Frau.
Was ich lieber nicht geerbt hätte_meine Eitelkeit.
Meine Lebensphilosophie_Leben und leben lassen.
Mein Charakter in drei Worten_fleißig, konstant, konsequent.
Social Media_ist an der Universität ein präsentes Thema, die Studenten inter-
agieren darüber. Als Individuum bin ich aber nicht bei Facebook oder Twitter,
ich habe nicht einmal WhatsApp.
Eine Biographie über mich hätte den Titel_Ohne Fleiß kein Preis.
Wenn ich einmal ins Gefängnis komme, dann weil_ich einem mir
sehr nahestehenden Menschen mit einer Therapie geholfen habe,
die in Österreich verboten ist.
Am meisten bewundere ich Menschen, die_einen neuen Weg gehen
und dabei den alten verlassen.
Worüber ich die Meinung in den letzten zehn Jahren geändert habe_Über die
Frage, ob man die Gene des Menschen verändern können wird oder nicht. (Wie
Markus Hengstschläger jetzt darüber denkt, lesen Sie auf www.diemacher.at.)
chung sind, führt das auch zu nichts, dann
leben Sie vermutlich auf der Straße“, er-
klärt er. Die Prozentsätze können sich
aber immer wieder ändern – wer neue
Dinge ausprobieren möchte, bei dem
überwiegt natürlich in dem Moment das
Risiko, das aber immer noch getragen ist
vom anderen Anteil der Sicherheit.
Da braut sich was
zusammen
Wie schnell die Zeit vergangen ist! Der
Kellner balanciert mittlerweile mehr
Biergläser als Kaffeetassen durch das
Kaffeehaus, es muss schon gegen Mittag
sein. Markus Hengstschläger bestellt sich
einen frisch gepressten Orangensaft, ob-
wohl er Bier toll findet. „Denken’S nur mal
daran, wie viele Biersorten es gibt, als Ge-
netiker liebe ich natürlich diese Diversi-
tät“, erklärt er. Mit Bier kennt er sich wohl
auch deshalb aus, weil er Bierbotschafter
ist und sich gemeinsam mit der Brau Uni-
on zum Ziel gesetzt hat „Österreich zum
Land mit der besten Bierkultur Europas“
zu machen. „Es gibt zwei grob unter-
schiedliche Arten, aber unzählige unter-
schiedliche Sorten und natürlich immer
neue Kreuzungen, bei denen verschie-
dene Merkmale ganz bewusst aber völlig
natürlich verstärkt werden.“ Am Ende sei
es ein Gewinn für den Biergenießer: im-
mer neue Hopfensorten, die Geschmack,
Charakter und Spannung ins Bier bringen.
Also in etwa so wie es für ein Land ein
Gewinn ist, viele verschiedene Talente zu
haben. Wummmm! Ein lauter Knall. Dem
Kellner ist das Tablett aus der Hand gefal-
len. Kann schon mal passieren. Die Frage,
die aber jetzt unaufhaltbar aufkommt, ist
nur: Liegt sein Talent vielleicht ganz wo-
anders und wurde es nur noch nicht ent-
deckt, nicht gefördert? Hätte er vielleicht
das Zeug zum Nobelpreis? Wäre er gerne
aus der Mitte getanzt, doch niemand er-
mutigte ihn dazu?_
Die Gefahr ist groß, dass
Eltern jene Talente fördern
wollen, die sie selbst gut
finden.
MARKUS HENGSTSCHLÄGER
Genetiker und Bestseller-Autor