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zu entwickeln. „Unternehmer müssen
davon wegkommen, nur getriebene Ak-
tivitäten zu setzen, weil die Konkurrenz
hinter einem her ist und sich statt-
dessen von einer Vision leiten lassen“,
sagt Roth. Er rät dafür auch externe
Spezialisten ins Boot zu holen, um Be-
triebsblindheit zu vermeiden. Man kön-
ne heutzutage nicht mehr alles lernen:
„Wenn man versucht überall ein Experte
zu sein, ist man nirgends außergewöhn-
lich gut.“ Gerade digitale Geschäfts-
modelle verlangen oft das Anwenden
von neuen Denkmustern auf beste-
hende Prozesse. Firmen mit externen
Beratern seien auch durchschnittlich
erfolgreicher. Als zweiter Schritt müss-
ten dann entsprechende Maßnahmen
von der digitalen Strategie abgeleitet
und langsam abgearbeitet werden. Die
Unternehmensvorgänge müssen als
Vorbereitung in einzelne Prozesse und
Aufgaben gegossen werden, um diese
dann Schritt für Schritt digitalisieren
zu können. Wer Chaos digitalisiere, be-
Ein Unternehmen kann keine
radikale Transformation
machen, einzelne Maßnahmen
der digitalen Strategie müssen
in Babyschritten umgesetzt
werden.
MARKUS ROTH
Obmann der Unternehmensberater,
Buchhalter und IT in der WKOÖ
SCHWERPUNKT
DIGITALISIERUNG
DIGITALISIERUNG ALS JOBKILLER?
Das Bild von riesengroßen, menschenleeren Fabrikshallen in Zusammen-
hang mit der Digitalisierung und Industrie 4.0 hält sich hartnäckig. Eine
Studie über mögliche Arbeitsplatzverluste auf Grund von Robotern jagt
die nächste. Laut dem Beratungsunternehmen A.T. Kearney sind in den
nächsten 25 Jahren 42 Prozent der Industriearbeitsplätze in Österreich
gefährdet, wenn die Herausforderungen der Digitalisierung nicht bewältigt
werden. Von 1,8 Millionen Arbeitsplätzen in der Industrie könnten somit
über 750.000 aufgrund von Digitalisierung und Automatisierung verloren
gehen. Abgesehen von der Industrie seien auch Jobs in industrieunabhän-
gigen Dienstleistungssektoren durch Automatisierung gefährdet und somit
44 Prozent aller österreichischen Arbeitsplätze bedroht. A. T. Kearney hat
für die Studie in Zusammenarbeit mit dem Industriemagazin 100 österrei-
chische Industrieunternehmen im Herbst 2016 befragt. Joachim Haindl-
Grutsch, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Oberösterreichs,
sprach kürzlich von unnötiger Panikmache: „Die Verbreitung von Angst-
parolen über das Ende der Arbeit und den Wegfall von Millionen Arbeits-
plätzen ist aus Sicht der OÖ. Industrie völlig praxisfern.“ Die erste Digita-
lisierungswelle im ersten Jahrzehnt unseres Jahrtausends habe doppelt
so viele Arbeitsplätze gebracht wie gekostet. Die EU gehe davon aus, dass
durch die internetbasierte Wirtschaft alleine bis zum Jahr 2020 bis zu 1,5
Millionen zusätzliche Arbeitsplätze in Europa entstehen könnten.
Die Digitalisierung wird oft als Jobkiller bezeichnet. Doch was ist dran am
Schreckensszenarium? Im November 2015 hat Clemens Zierler, Ge-
schäftsführer vom Institut für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik (IAA)
an der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz, sämtliche Studien mit
Prozentangaben für Jobverluste für verschiedene Länder noch als „einen
Blick in die Glaskugel und Kaffeesudlesen“ bezeichnet. Hat sich seine Ein-
schätzung mittlerweile geändert? „Derzeit ist von einem Jobverlust nichts
zu merken“, sagt Zierler. Empirische Befunde würden eine Stützung der
Aussagen von Haindl-Grutsch zulassen. Auch wenn manche Jobs mit ei-
ner hohen Wahrscheinlichkeit durch die Digitalisierung verändert werden,
hätten diese Menschen dann noch eine Aufgabe. „Job-Profile sind keine
fixen Dinge, die einmal in Stein gemeißelt ewig bestehen bleiben.“ Alle die
das nicht glauben, sollten die Ausschreibung der eigenen Stelle noch-
mals zur Hand nehmen und kontrollieren, wie viele der dort genannten
Aufgaben sie wirklich in der tagtäglichen Arbeit verrichten würden. Es
ändern sich viele Dinge in der eigenen Organisation über die Jahre hinweg,
wie etwa neue IT-Systeme, andere Abteilungen, mit denen man plötzlich
zusammenarbeiten darf oder neue und andere Kunden. „Nichts ist so
beständig wie der Wandel, auch im Bereich der Technologie“, sagt Zierler.