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THOMAS STELZER WILL REINEN
WEIN EINSCHENKEN
Alles hat einmal ein Ende. Auch die mittlerweile mehr als 20 Jahre dauernde Amtszeit von Landeshaupt-
mann Josef Pühringer. Wenngleich zum Zeitpunkt unseres Redaktionsschlusses noch nicht ganz klar ist,
wann es nun wirklich soweit ist. Umso klarer ist hingegen, wer ihm folgen soll. Und genau dieser Mann
folgt uns ins Ars Electronica Center in Linz - wenn man schon
in die Zukunft blicken will, dann doch
bitte am entsprechenden Ort, im Museum der Zukunft.
Wobei Thomas Stelzer, seit Oktober 2015
Landeshauptmann-Stellvertreter, etwas
auf sich warten lässt. Kein Problem, man
findet sich schon eine Beschäftigung im
AEC, zum Beispiel auf der großen Schau-
kel, die im Foyer hängt. Es handelt sich
hierbei natürlich nicht um eine gewöhn-
liche Schaukel – sie versetzt mit ihrer
Bewegung ein technisch manipuliertes
Klavier über Elektromagneten in Schwin-
gung. Weitere elf Schaukeln, die wie Mo-
bilees über den Köpfen der Besucher hän-
gen, sind für eine spätere Überführung an
verschiedene Orte der Welt vorgesehen.
„Auch dort werden sie mit Schwüngen
Schwingungen erzeugen“, erklärt uns ein
junger, enthusiastischer Museumsführer.
„Die tonale Begegnung der schaukelnden
Besucher findet in Zukunft zufällig statt
und erzeugt je nach Anzahl immer einen
anderen Mehrklang.“ Die in Klavierform
installierte Soundbox gebe also nicht nur
die vor Ort erzeugten Töne wieder, son-
dern auch die der an anderer Stelle „ge-
schaukelten“ Klänge. So entsteht je nach
Betriebsamkeit eine andere Komposition.
Passt eigentlich ganz gut zur Landespoli-
tik – denn auch hier gilt es, nicht nur die
eigenen Töne zu erzeugen, sondern auch
jene, die von Bundesebene, Europa und
auch weltweit bis hierher klingen, einzu-
binden. Dazu später im Interview. Und da
ist er auch schon, begleitet von seinem
stetigen Gefährten (dem freundlichen
Lächeln), kommt Thomas Stelzer zur Tür
herein und schüttelt, wie es sich für ei-
nen Politiker eben gehört, allen die Hand.
Auch dem sympathischen Museumsfüh-
rer. Dieser begleitet uns auch gleich in den
Kinosaal, wo wir einen ruhigen Platz zum
Reden finden.
Stellen Sie sich vor, dieser junge Mann
würde durch ein Museum der poli-
tischen Geschichte Oberösterreichs
führen. Und stellen Sie sich vor, er
würde das in 100 Jahren tun. Was
wünschen Sie sich, dass der Museums-
führer erzählt, wenn er vor Ihrem Bild
Halt macht?
STELZER_Am wichtigsten ist mir, dass
gesagt wird: „Der war in einem Team da-
bei, welches für das Land Oberösterreich
an einem ganz wichtigen Wendepunkt,
an einer Art Zeitwende, wo sich sehr
viele Veränderungen abgespielt haben,
Verantwortung getragen hat. Einer, der
mitgeholfen hat, dass Oberösterreich ein
ganz starker Standort mitten in Europa
geblieben ist. Ein Standort, den die Leute
spannend zum Leben finden, weil es hier
zahlreiche Perspektiven gibt. Ein Stand-
ort, an dem viele einen Betrieb gegründet
haben, weil es ein besseres Klima als an-
derswo gab und wo herausragende For-
schungen, die weltweit Aufmerksamkeit
erregten, stattgefunden haben. Und wo
auch das soziale Netz so dicht gewoben
wurde, dass insgesamt der Wohlstand
hoch war.
Sie sprechen vom starken Standort, der
so bleiben soll. Möchten Sie den Stand-
ort nicht noch viel stärker machen, da-
mit er wieder Innovationsführer wird?
Statistiken zeigen, dass es einiges
aufzuholen gibt.
STELZER_Das ist genau die Challen-
ge, die wir haben. Uns geht’s zwar ver-
gleichsweise gut, aber das darf uns nicht
genug sein. Wir müssen uns an weltwei-
ten Regionen messen und es stimmt, was
Sie sagen, da müssen wir schon noch
einige Schritte machen, damit wir wirk-
lich vorne dabei sind. Das steht im engen
Zusammenhang mit Innovationen, mit
Forschung, mit moderner Infrastruktur,
Stichwort Breitbandversorgung. Und das
hat auch damit zu tun, dass wir für Leute
von außen attraktiv sein müssen, damit
sie einerseits bei uns eine Ausbildung
machen möchten und andererseits in
Kooperation mit unseren Firmen treten
wollen.
REDAKTION_SUSANNA WURM
KREATIV DIREKTION_ALEXANDRA AUBÖCK
FOTOGRAFIE_MARIO RIENER
In der Wirtschaft ist klar: Wenn man
sich den massiven Veränderungen
durch die Digitalisierung und deren
Rahmenbedingungen nicht anpasst, hat
man verloren. Inwiefern muss sich die
Politik anpassen?
STELZER_Anpassen wäre mir schon
wieder zu statisch. Es muss uns gelin-
gen, dass wir mit den Maßnahmen und
Förderungen voraus sind. Das hat ganz
viel damit zu tun, unsere Kompetenzen
in der digitalen Welt zu stärken, damit
wir die Führungsrolle dort nicht anderen
überlassen. Außerdem müssen wir unse-
re Exportquoten stärken sowie unser Bil-
dungs- und Ausbildungssystem so weiter-
entwickeln, dass wir die Leute haben, die
wir dazu brauchen.
Genetiker Markus Hengstschläger zeigt
aber auf, dass das österreichische
Bildungssystem genau das Gegenteil
herausbringt, nämlich Durchschnitt.
Und der Durchschnitt habe noch nie
Innovationen geschaffen.
STELZER_Für mich ist klar, dass Schule
immer ein gewisses Ausmaß an Grund-
fertigkeiten und Grundwissen verlässlich
vermitteln muss. Aber man muss noch
viel konkreter auf die jeweiligen Begabun-
gen des Kindes eingehen. Die wirtschaft-
liche Entwicklung und der technologische
Fortschritt zeigen uns, dass es stark auf
die individuellen Fähigkeiten ankommt,
weil wir eine Breite an Einsatzmöglichkei-
ten haben. Diese Persönlichkeitsstärkung
müssen wir in Zukunft noch viel mehr be-
feuern. Deshalb sind auch die momenta-
nen Reformbestrebungen in die Richtung
sehr wichtig für uns.
Die guten Ideen sind da. Aber wenn es
um deren Umsetzung geht, wird häufig
die Kritik laut, dass diese nicht schnell
genug passiert. Stichwort Reformstau.
STELZER_Ich würde es nicht Reformstau
nennen, aber es stimmt, dass wir sehr gut