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So denken nicht alle Absolventen der heimischen Medizin Fakultäten. Zwar ist der Andrang zum
Medizinstudium in Österreich groß, doch dann zieht es viele ins Ausland. Vor allem Deutschland und
die Schweiz locken mit besseren Arbeitsbedingungen und kürzeren Ausbildungszeiten. Joachim Pömer,
Wahlarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, ist ein Mut machendes Beispiel dafür, dass es sich
dennoch lohnt, als
Mediziner in Österreich Fuß zu fassen.
GEKOMMEN, UM ZU BLEIBEN.
Gerade noch aus der Gynäkologie- und
Geburtshilfeabteilung des Johannes Kep-
ler Universitätsklinikums herbeigeeilt,
öffnet uns Joachim Pömer die Tür und ge-
währt uns einen Einblick in die erst kürz-
lich eröffneten Räumlichkeiten seiner Lin-
zer Privatordination. Spätestens seit dem
erfüllenden Augenblick, als er während
seines Medizinstudiums in einer afrika-
nischen Klinik seine ersten Entbindungen
durchführt, ist ihm klar, dass die Ge-
burtenhilfe seine Berufung ist. Aus dem
Wunsch, das persönliche Gespräch mit
seinen Patientinnen in den Mittelpunkt
zu stellen, gründet er nach Beendigung
seiner Ausbildung im Oktober vergange-
nen Jahres seine eigene Praxis. Gemein-
sam mit einem weiteren Gynäkologen
und einem plastischen Chirurgen führt er
seither eine Apparategemeinschaft und
arbeitet dort neben seiner Tätigkeit als
Oberarzt an der Kepler Universitätsklinik
an zwei Tagen pro Woche. Ursprünglich
bestand die Idee einer Gruppenpraxis,
„dazu braucht es aber eine Bedarfserhe-
bung durch den Landeshauptmann, ob
diese im Linzer Raum auch wirklich be-
nötigt wird“, erzählt Pömer, weswegen
man sich für den „bürokratisch einfache-
ren Weg“ entschieden hat. Neben den drei
Ärzten arbeiten noch eine Ernährungs-
beraterin, Physiotherapeutin, Psychothe-
rapeutin sowie eine Hebamme im Team
- eine Konstellation, die es in der Form
in Oberösterreich noch nicht gibt. Pömer
sieht in diesem Netzwerk den großen Vor-
teil, den Patientinnen eine ganzheitliche
Betreuung bieten zu können und somit
auch bei fachübergreifenden Fragestel-
lungen passende Antworten zu finden.
„Der Illusion, zu glauben, dass man ein
Spezialist für alles ist, darf man sich nicht
hingeben. Wenn ich das Beste für meine
Patientin will, muss ich das auch offen an-
sprechen.“
Das Besondere an seiner Tätigkeit in der
Ordination bestehe für den Arzt vor allem
in den Momenten, in denen seitens der
Patientinnen Vertrauen gefasst wird und
auch Tabuthemen zur Sprache kommen.
Dies sei auch der wesentliche Unter-
schied zur Tätigkeit im Krankenhaus, bei
der die Kontakte mit den Menschen oft nur
sehr kurz sind. Keinen Kreis- oder Ope-
rationssaal mehr zu betreten, könne er
sich trotzdem nicht vorstellen, darin liege
seine große Leidenschaft. Im Notfall nicht
mit Entscheidungen zu hadern war da-
bei eine der schwierigsten Aufgaben, die
er während seiner beruflichen Laufbahn
lernen musste. „Manchmal kann man
nicht stupide nach Leitlinien entscheiden,
sondern muss sich vom Gesamteindruck,
den die Patientin macht, lenken lassen.
Das eigene Bauchgefühl gibt einem dann
meistens recht.“ Richtig zu liegen scheint
er auch mit seiner Entscheidung zur Pra-
xisgründung, jedenfalls sprüht er vor En-
thusiasmus während er darüber erzählt...
REDAKTION_MICHAELA ALBRECHT, SUSANNA WURM
ILLUSTRATION_ALEXANDRA AUBÖCK
FOTOGRAFIE_PÖMER