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DAS GESCHÄFT MIT BLOGS
Eigentlich wollte sie in der Karenz nach
der Geburt ihrer Zwillinge nur Erinne-
rungen festhalten. „Aus dem Grund
habe ich völlig unbedarft einen Blog
gestartet“, erinnert sich Christina Trop-
per. Schnell wächst ihre Leserschaft,
irgendwann sind es 60.000. Heute ist
die Karenz-Zeit längst vorbei und Trop-
per bloggt hauptberuflich über die un-
geschminkte Wahrheit des Lebens mit
Zwillingen und die kleinen und großen
Herausforderungen des Alltags. „Ich
schreibe über Dinge, die in jedem Fa-
milienhaushalt passieren, Krisen wür-
de ich jetzt aber keine thematisieren“,
sagt Tropper, „mein Blog ist persönlich,
aber nicht privat.“. Also etwa: Wie stillt
man am besten? Welche Hausmittel
helfen am besten gegen Schnupfen?
Mittlerweile besuchen 200.000 Leser
regelmäßig „einerschreitimmer.com“.
Tropper spricht eine spezielle Ziel-
gruppe an und kennt ihre Leser ge-
nau – damit ist sie ein gutes Beispiel
dafür, warum Blogger und Social-Me-
dia-Influencer mittlerweile höchst in-
teressant für Unternehmen geworden
sind. „Wenn Blogger ihrem Publikum
Produkte präsentieren, geht das über
normale Werbung hinaus und hat einen
sehr starken, fast persönlichen Emp-
fehlungscharakter“, weiß Kai Bösel.
Zwischen 800 und 5.000 Euro lassen
sich Unternehmen einzelne Geschich-
ten oder Produktvorstellungen in so
einem Umfeld kosten. Bösel ist Grün-
der von Boomblogs, einer Hamburger
Agentur, die sich als Schnittstelle zwi-
schen Blogs und Unternehmen positi-
oniert hat. „Ab einer bestimmten Größe
werden Blogger von Firmen angespro-
chen, darauf sind nicht alle vorberei-
tet“, sagt Bösel, „dabei kommen wir ins
Spiel.“ Wie groß ein Blog tatsächlich
REDAKTION_VALENTIN LISCHKA
FOTOGRAFIE_THINKSTOCK
ILLUSTRATION_ALEXANDRA AUBÖCK, THINKSTOCK
Sie erreichen eine spezielle Zielgruppe und sind authentisch:
Blogger und Social-Media-Influencer
sind längst zu unverzichtbaren Instrumenten für die meisten Marketing-Abteilungen geworden. Zwischen
800 und 5.000 Euro lassen sich Unternehmen im Schnitt einzelne Geschichten und Beiträge kosten – dafür
profitieren sie von einem fast schon persönlichen Empfehlungscharakter.
sein muss um relevant zu werden, lässt
sich pauschal nicht sagen. „Wir neh-
men zwar erst Blogs ab 20.000 Lesern
im Monat auf, da es darunter zu klein-
teilig wird“, sagt Bösel, „es kann aber
auch Influencer geben, die weniger
Follower haben und trotzdem genau zu
einer bestimmten Marke passen, weil
sie eine Nische bedienen.“ Mehr als 70
Blogger betreut seine Agentur, einige
davon auch aus Österreich. „Mittlerwei-
le haben wir ein gutes Auge dafür, ob
etwas vermarktbar ist, oder nicht“, sagt
Bösel. Denn nicht jeder große Blog ist
auch dafür geeignet, Firmen eine Platt-
form zu bieten. Besonders wichtig sei
oft der erste Eindruck – die Kombinati-
on aus Name, Logo und Gestaltung der
Startseite. „Ein weiteres entscheiden-
des Kriterium ist die Bildsprache – ein
bisschen Design und Hochglanz ist den
meisten Kunden schon wichtig“, er-
klärt der Geschäftsführer. Und: Ein zu
genauer Blick in das Privatleben des
Bloggers kann von Nachteil sein – so
gehe ein Stück Distanz verloren, das für
Marken förderlich ist.
Auch die Reichweite ist wichtig – hier ist
es aber für Außenstehende besonders
schwierig, die Relevanz der Influen-
cer und Blogger richtig einzuschätzen.
„Leider hat sich im vergangenen Jahr
die Anzahl der Instagram-Follower als
die neue Währung herauskristallisiert,
um einen Influencer zu bewerten“,
sagt Bösel. Dabei kann mit geringem
Budget künstlich nachgeholfen wer-
den – tausende Abonnenten können
um wenige Euros gekauft werden. Mit
Analyse-Programmen lässt sich das
allerdings herausfinden. Ein generelles
Erfolgsrezept ist schwer zu definieren –
es gibt viele Wege zum Erfolg. „Ich finde
es vor allem wichtig, dass die Absicht
von Anfang an nicht sein sollte, Geld zu
„Wenn Blogger ihr
em
Publikum Produkte
präsentieren, geht
das über normal
e
Werbung hinaus und
hat einen sehr s
tarken,
fast persönlichen
Empfehlungschar
akter.“
Kai Bösel
Geschäftsführ
er,
Boomblogs