23
Welche Veränderungen haben Sie im
Laufe Ihrer Karrieren mit
Mitarbeiterführung erlebt?
Hödlmayr-Gammer_Die ganz große Ent-
wicklung für mich war die vom Vorgesetzten
zur Führungskraft. Als ich ins Berufsleben
eingestiegen bin, wollte man vom Chef ganz
genau wissen, was zu tun ist. Heute brauchen
junge Menschen nur die Rahmenbedingungen,
quasi den Handlauf links und rechts, und was
dazwischen passiert, soll eine gute Führungs-
kraft den Ressourcen und der Kreativität des
Ausführenden überlassen. Wir sollten froh über
diese Entwicklung sein und den jungen Men-
schen keinen Vorwurf machen, denn unsere
Generation hat schwer dafür gearbeitet.
Schrüfer_Ja, da stimme ich voll zu. Hinzu
kommt: Die Entscheidungen fallen schneller,
durch die neuen Kommunikationsmittel ist
man permanent erreichbar. Die heutige eman-
zipierte Jugend hat ein anderes Werteverständ-
nis. Ich gehöre noch zur Generation, wo man
Leistung bringen wollte und vielleicht auch
mehr erreichen wollte als die Eltern. Viele Junge
haben da heute ganz andere Vorstellungen, wol-
len bewusst nur Teilzeit arbeiten, weil sie sich in
anderen Bereichen verwirklichen möchten. Als
Führungskraft und Arbeitgeber muss man dar-
auf Rücksicht nehmen, das Thema Flexibilisie-
rung ist essentiell. Es gibt Mitarbeiter, die gerne
mal länger als zehn Stunden arbeiten wollen,
aber das geht wegen des strengen Arbeitszeitge-
setzes nicht. Neu ist auch die Väterkarenz. Wir
sind in einem Arbeitnehmermarkt, wir reißen
uns um die guten, motivierten und talentierten
Mitarbeiter und insofern muss jedes Unterneh-
men schauen, wie es sich als attractive Employer
positioniert und das alles vernünftig in den be-
trieblichen Arbeitsalltag integrieren kann.
Hochreiter_Ja, der Umgang in Punkto Auto-
rität hat sich völlig verändert. Wir haben daher
für unsere Mitarbeiter auch die Bezeichnung
„eMagneten“ gewählt. Das klingt banal, aber:
Unsere Mitarbeiter sollen mitdenken, sich als
Mitunternehmer fühlen und dürfen etwa auch
bei den Bewerbungsprozessen mitentscheiden.
Das Chef-Befehlsempfänger-Denken ist vorbei.
Das haben wir letztens auch bei einem Bewer-
bungsgespräch gemerkt, wo der Bewerber am
Ende gesagt hat: „Danke, Sie werden von mir
hören“ – das wäre mein Satz gewesen (lacht).
Fachkräftemangel hin oder her, diese jungen
Generationen wissen, dass sie extrem begehrt
sind. Ich vergleiche das immer mit Produktent-
wicklung – dabei muss ich auch darauf schauen,
was die Leute wollen. Ich muss als Führungs-
kraft die richtigen Rahmenbedingungen für
einen guten Job gestalten, so dass jeder gern
in die Arbeit geht. Der Spruch „Ich lebe nicht
um zu arbeiten, sondern arbeite um zu leben“
trifft perfekt zu. Die Jungen haben den Luxus,
dass sie meistens etwas erben und es sich nicht
mehr so erarbeiten müssen wie früher. Unsere
30-Stunden-Woche geht zwar in eine andere
Richtung als der 12-Stunden-Tag, aber das eine
schließt das andere nicht aus. Es geht unterm
Strich um Flexibilisierung und Anpassung an
die Bedürfnisse der vor allem jungen Generati-
onen. Ich hatte selbst zum Start meiner Selbst-
ständigkeit Monate mit 100-Stunden-Wochen –
das geht auf Dauer nicht gut.
Schrüfer_Bezüglich des Spruches bin ich an-
derer Meinung. Das erzeugt einen künstlichen
Gegensatz zwischen Arbeit und Leben, das er-
lebe ich ganz anders: Mitarbeiter suchen einen
Sinn in dem, was sie tun. Das ist für mich auch
ein Unterschied zu früher, wo sie mit ihrer Pri-
vatkleidung ihre Persönlichkeit an den Nagel
gehängt haben und erst nach der Arbeit wie-
der gelebt haben. Die neue Generation will das
Gefühl haben, dass ihr Tun Sinn macht. Trodat
und Trotec sind in ihren jeweiligen Bereichen
Weltmarktführer. Das ist schon etwas Beein-
druckendes, damit kann man neue Mitarbeiter
begeistern.
Hödlmayr-Gammer_Die wichtige Frage für
Mitarbeiter ist: Wofür machst DU das? Und
nicht: Wofür machst du es – für mich? Es gilt,
den Fokus auf die Ressourcen jedes Einzelnen
zu legen und nicht auf eventuelle Schwächen.
Das passierte aber in der Vergangenheit oft und
dann fangen Mitarbeiter an zu überlegen, was
macht das für einen Sinn, dass sie da sind, und
da kommen dann Ausdrücke wie innere Kün-
digung. Ein wichtiger Faktor dabei ist– und
das ist Aufgabe einer guten Führungskraft – in
welchen Lebensebenen sich meine Mitarbeiter
bewegen. Wenn ich welche habe, die von der
Existenzebene weg agieren (etwa Hilfsarbeiter),
dann muss ich für die diese Rahmenbedingun-
gen schaffen, damit sie sich vielleicht in die
Sicherheitsebene bewegen. Wichtig ist ein situ-
ativer Führungsstil, man muss alles parat haben,
von autoritär bis kollegial, und kontextbezogen
handeln. 30 Stunden funktionieren nicht in
jedem System.
Hochreiter_Klar, aber man sollte das The-
ma nicht von vornherein abschmettern, weil
man sich einfach überlegen muss, wie es gehen
könnte. Anhand der Rückmeldungen und Be-
werbungen, deren Qualität extrem gestiegen ist,
sehen wir, dass die Leute bei uns arbeiten wol-
len. Entscheidend ist natürlich nicht nur die
Zeit, sondern das Unternehmen rundherum.
Wir müssen aber vom Präsentismus wegkom-
men, denn es geht rein um das Ergebnis und
nicht nur um die Zeit, die ich bis zu diesem
Ergebnis benötige.
Aistleitner_Neben dem Ergebnis ist es aber
auch wichtig, dass sich die Arbeit nicht wie
klassische Arbeit anfühlt – denn dann ist es egal
ob man acht oder zwölf Stunden arbeitet, weil
es einfach Spaß macht. Da sind wir wieder bei
der Sinnhaftigkeit.
Hödlmayr-Gammer_Freude an der Arbeit
ist wichtig, dass man Spaß haben und lachen
darf. Früher war der Arbeitsplatz todernst.
Wenn ich heute in ein Büro reingehe und da
höre ich die Leute lachen, dann weiß ich, dort
ist es lässig. Work-Life-Balance – wie kann man
Work und Life trennen? Man muss die Balance
herstellen und sich täglich sagen können: „Läs-
sig hast du das heute gemacht“.
Hochreiter_Das große Thema ist einfach
die Flexibilität, die alle in punkto Arbeitszeit
haben wollen. Kritisch sehe ich in diesem Zu-
sammenhang die ständige Erreichbarkeit. Wir
haben es unseren Mitarbeitern sogar dezidiert
abgedreht, dass sie in der Freizeit erreichbar
sind und leben das als Geschäftsführer auch
so vor, weil man sonst nie aus der Arbeit raus-
kommt. Gerade in Zeiten von Smartphones
ist das komplette Abschalten für die Erholung
immens wichtig.
Schrüfer_Da finde ich das Werkzeug der E-
Mails sehr geschickt, weil man ja nicht gleich
antworten muss. Ich arbeite meine E-Mails
auch gerne einmal am Sonntagnachmittag in
der Hängematte ab. Da will ich nicht gleich
eine Antwort, mir geht es nur darum, dass
mein Eingangsfach leer wird und die Mitar-
beiter am Montag in der Arbeit die Info ha-
ben.
Hochreiter_Oft fühlen sich Mitarbeiter da-
durch aber unter Druck gesetzt, gleich antwor-
ten zu müssen.
Schrüfer_Das ist ein guter Punkt, ich habe
schon darüber nachgedacht, den Absendezeit-
punkt erst auf Montag um 6 Uhr zu stellen.
Aber nochmal zum Thema Sinnstiftung zurück:
Die Zauberworte für mich sind Identification,
Involvement und Ownership. Der Mitarbeiter
muss und will sich mit dem Unternehmen und
dem Produkt identifizieren, er muss sich ein-
bringen und Entscheidungen treffen können.
Und das höchste der Gefühle ist es, wenn sich
der Mitarbeiter dann wie ein kleiner Unterneh-
mer im eigenen Laden verhält.
Wie zeichnet einen Führungsstil aus?
Schrüfer_Das Zauberwort in der Führung
heißt Authentizität.
Hochreiter_Ich muss selbst wissen, wozu
ich stehe und was meine Werte sind, und ich
muss zu dem stehen, was ich sage, damit sich
Mitarbeiter auf mich verlassen können. Das
Zentrale ist die Kommunikation auf Augen-
höhe, verlässlich zu sein und nicht Wasser zu