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Mit einem Tüftler, der in der Garage sei-
ne Erfindung bastelt, will Walter Kreisel
nichts zu tun haben – allein schon des-
halb, weil seine Idee dafür maßlos über-
dimensioniert wäre: Fünfzehn Tonnen
schwer, zwölf Meter lang und fast drei
Meter hoch ist der Wassergenerator Phan-
tor – „so groß wie ein 40-Foot-High-
Cube“, der größte Containertyp, damit er
„im Katastrophenfall schnell und einfach
vor Ort gebracht werden kann“, erklärt
der 40-jährige Freistädter. Benannt ist die
Maschine nach dem Elefanten, „weil er
Wasser über zehn Kilometer Entfernung
riechen, mit seinem Rüssel danach boh-
ren und es transportieren kann“, erklärt
Kreisel. „Unser mobiler Wassergigant
kann was Ähnliches“, nämlich pro Tag
bis zu 10.000 Liter Wasser aus der Luft
extrahieren. Anfang 2020 ist der erste
serientaugliche Phantor bereit für den
Einsatz.
Der Science-Fiction-Autor Arthur
C. Clarke hat einmal gesagt: „Jede
hinreichend fortschrittliche Technologie
ist von Magie nicht zu unterscheiden.“
Sie zaubern Wasser aus der Luft. Wie
viel Magie steckt hinter Ihrer Technik?
Kreisel
_Wenn man so will, sind die Al-
gorithmen die Magie von Phantor: Dank
der richtigen Kombination aus effizienter
Elektrifizierung und intuitiver Digitali-
sierung reduziert er die Kosten pro Liter
Wasser auf wenige Cent. Dabei greifen wir
auf unsere bisherigen Erfahrungen und
Entwicklungen im Bereich Energiesyste-
me und Software zurück.
Wie ist die Idee entstanden?
Kreisel
_Wenn man bei 35 Grad draußen
sitzt, perlt Wasser außen an der kühlen
Trinkflasche ab. Je wärmer die Luft ist,
desto mehr Wasser kann sie speichern.
Um es zu extrahieren, muss ich die Luft
verändern – und zwar mit Energie.
Wie funktioniert das genau?
Kreisel
_Phantor saugt durch Ventilato-
ren große Mengen Luft an, die mit er-
neuerbarer Energie abgekühlt wird, damit
das Wasser extrahiert werden kann. Dann
wird es im Gerät gespeichert, je nach Be-
darf und Einsatz gereinigt und minerali-
siert, bis es Trinkwasserqualität erreicht.
Man kann den Wassergenerator rund um
den Globus stationär betreiben und nach
vollbrachter Arbeit zu einem anderen Ein-
satzort bringen. Das Ziel ist es, Wasser in
Krisengebieten billig und schnell zur Ver-
fügung zu stellen, vor allem dann, wenn
kein Brunnen vorhanden ist. Ganz allge-
mein ist sauberes und verfügbares Wasser
weltweit auch ein Hygienethema.
Abgesehen von humanitären
Einsätzen: Welche anderen
Verwendungsmöglichkeiten
gibt es?
Kreisel
_Neben der Baubranche ist er
auch für die industrielle Landwirtschaft
in Gewächshäusern interessant, egal ob
mitten in der Wüste oder in der Stadt, im
oder auch am Gebäude. Da wird Obst
und Gemüse in geschlossener Umgebung
mit minimalstem Wasserverbrauch an-
gebaut. Aber Wasser ist hier oft nicht so
einfach verfügbar. Steht ein Phantor zum
Beispiel auf dem Dach eines Hochhau-
ses, kann er Wasser aus der Luft zusätz-
lich redundant zu dem aus der Leitung
ernten. Ein weiteres Einsatzgebiet ist auf
Solarkraftwerken in Wüsten, wo die Pa-
neele nach Sandstürmen gereinigt werden
müssen.
Von der Idee bis zum fertigen Produkt
ist es ein langer Weg – Sie haben ihn
in knapp zweieinhalb Jahren geschafft.
Wie war das in dieser relativ kurzen
Zeit möglich?
Kreisel
_Es ist richtig viel Hackn und wir
wissen, dass wir erst am Fuße eines gro-
ßen Berges stehen. Echte Innovation ist
es dann, wenn sie am Markt angenom-
men wird. Alles andere sind nur Ideen.
Ich bin auf keinen Fall der Obergeschei-
te, sondern habe das Glück, das mit tol-
len Leuten umzusetzen, die mit mir die
Welt ein Stück besser machen wollen. Es
ist ein Fehlgedanke von vielen Start-ups,
dass sie alles allein machen wollen, dabei
verschwenden sie viel Zeit und Geld. So
etwas geht nur mit Partnern, die sich die
nötige Erfahrung und eine gewisse Glaub-
würdigkeit auf dem Markt bereits erar-
beitet haben, um Innovation erfolgreich
umzusetzen. Wir dürfen heute schon mit
vielen tollen Unternehmen zusammen-
arbeiten, die an uns und unsere Projekte
glauben, und es werden noch mehr dazu-
kommen.
Sie haben Ihren Unternehmenssitz in
Freistadt im Mühlviertel. Wie können
Sie die richtigen Mitarbeiter anlocken,
beziehungsweise halten?
Kreisel
_Unseren Mitarbeitern ist es egal,
wo wir sitzen, weil wir mittelfristig global
tätig sein werden. Einen Trenzer, der da-
heim pickt, brauchen wir nicht, sondern
wir suchen weltoffene Menschen, die et-
was bewegen wollen. Wir haben keinen
Fachkräftemangel, sondern viele Bewer-
bungen. Das hat sicher damit zu tun, dass
der Name Kreisel im Mühlviertel ein Be-
griff ist, seit mein Vater und sein Bruder
1976 mit dem Thema Elektro den Grund-
stein gelegt haben.
Ihre Cousins Johann, Markus und
Philipp Kreisel haben sich im Bereich
Akkutechnik in der E-Mobilität einen
Namen gemacht, Sie entwickeln mit
Ihrem Unternehmen Produkte rund um
die Themen erneuerbare Energie und
Wasser. Ist es Zufall, dass es so viele
Tüftler in Ihrer Verwandtschaft gibt?
Kreisel
_Wir sind keine Tüftler oder Bast-
ler, sondern sehen Potentiale: Gibt es für
eine Idee einen Markt und Partner, die uns
bei der Umsetzung unterstützen? Können
wir ein Problem lösen? Und wenn das
passt, dann suchen wir die besten Leute
und gehen es an. Mein Vater und mein
Onkel haben mich da in meinem unter-
nehmerischen Denken sehr geprägt.
Inwiefern?
Kreisel
_Mein Papa hat immer gesagt, ich
darf alles machen, solange es einen nach-
haltigen Zweck hat. Und es gibt keinen
schöneren Zweck, als für Nachhaltigkeit
zu sorgen. Wenn dahinter auch noch ein
Geschäftsmodell steckt, das ökonomisch
und ökologisch Sinn ergibt, dann ist man
dort angekommen, wo jeder sein möchte.
Spielen ethische Überlegungen
bei Ihren Entscheidungen
immer eine Rolle?
Kreisel
_Meine Frau Melitta engagiert
sich seit Jahren beim Verein Karibuworld,
der 600 Kinder in Afrika und Indien un-
terstützt. Einmal im Jahr fahre ich mit,
um mit den Menschen vor Ort zu reden
und mitzuhelfen. Wasserknappheit ist
dort ein großes Problem, da wird unge-
filtertes Wasser aus Erdlöchern getrunken.
Meine Motivation ist es, jedem Menschen
sauberes Wasser und saubere Energie zur
Verfügung zu stellen, weil ihm das ermög-
licht, produktiv zu sein, was schlussend-
lich für weniger Krieg, Terrorismus und
Flüchtlingsströme sorgt.
Ganz ehrlich: Kann Ihr Produkt
wirklich das Leben der Menschen
in Afrika verbessern?
Kreisel
_Ja, weil wir in Krisenherden
kurzfristig Wasser zur Verfügung stellen
können. Wir helfen aber auch ganz kon-
kret. Zum Beispiel unterstützen wir mit
Karibuworld jetzt einen jungen Mann
aus Kenia: Anthony Kali Kimanzi hat