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den dort seit dem Gründungsjahr 1919
gefördert und nicht nur als Schreibkräfte
gesehen, man hat ihr Potential im Führen
erkannt. So eine Kultur schafft man aber
nicht, indem man sie verordnet. Man
muss sich vielschichtig überlegen, was es
braucht, damit sich Frauen wohl fühlen.
Da geht es um Rahmenbedingungen, die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu-
lassen, da geht es um Mentoringprogram-
me, die Frauen fördern. Und vor allem
geht es darum, schon bei der Personalauf-
nahme darauf zu achten, genügend weib-
liche Kandidaten zu haben.
Wie machen Sie das hier an der WU?
Oppitz
_Auch wir fragen uns hier an der
Uni, wie wir Professorinnen anziehen
können. Es braucht ein Commitment
im Management, Frauen fördern zu wol-
len. Was ich überhaupt nicht verstehen
kann: Wenn man dieses Thema an Be-
raterfirmen delegiert. Nichts gegen Be-
rater, ein Berater kann mir helfen, initial
solche Programme aufzusetzen, aber ich
kann doch nicht als Vorstand das Thema
Frauenförderung delegieren. Das muss
auf meiner Agenda sein. Ein Mentoring-
programm zu zahlen, ist nett. Aber mit
einem Mentoringprogramm alleine wird
nichts passieren. Auch mit einer Quote
wird nichts passieren. Man muss den
Kulturwandel vollziehen und als Arbeit-
geber attraktiv sein für Frauen.
Und wie vollzieht man
diesen Kulturwandel?
Oppitz
_Man muss die Organisation än-
dern und agiles Arbeiten zulassen. Wenn
ich mir physische Präsenz von neun bis
fünf erwarte, wird es schwierig. In Ös-
terreich ist die Denke sehr stark Präsenz.
Das ist schade, denn die Digitalisierung
bringt so viele Möglichkeiten für agiles
Arbeiten mit sich. Wenn ich mein Team
gut kenne, muss ich nicht bei jeder Be-
sprechung physisch anwesend sein – ich
kann mich von zuhause per Videokonfe-
renz einwählen. Klar erfordert Homeof-
fice viel Selbstdisziplin. Es ist kein Selbst-
läufer, man braucht auch die Fähigkeit,
zwischen Arbeit und Privatem zu trennen.
Sie kennen auch die Situation in
vielen anderen Ländern. Wie steht
Österreich im Vergleich da?
Oppitz
_Da sind wir kein Aushänge-
schild. Gerade in den nordischen Län-
dern ist die Repräsentanz von Frauen in
Führungspositionen wesentlich höher.
Das liegt natürlich auch am gesellschaft-
lichen System. Dort ist es nicht verpönt,
dass eine Frau sechs Monate nach der Ge-
burt wieder arbeitet. Das wird in der Ge-
sellschaft akzeptiert. Bei uns nennt man
sie Rabenmutter. Diese Einstellung muss
aufgebrochen werden. Wir leben in einer
modernen Welt, wir können nicht auf
50 Prozent des Potantials verzichten. Es
gibt mehr weibliche als männliche Hoch-
schulabsolventen – was passiert mit de-
nen? Natürlich wollen viele eine Familie
gründen, das ist auch gut so. Aber warum
sollten sie nur Familie gründen? Sie ha-
ben doch auch studiert, um das Gelernte
eines Tages in ihrem Beruf umsetzen zu
können.
Ist jetzt eine gute Zeit für Frauen,
Karriere zu machen? Stichwort
War for Talents
.
Oppitz
_Ja! Es gibt keine Innovation ohne
Vielfalt, das ist mittlerweile den meisten
Unternehmen klar. Und daher bemühen
sich auch viele um Frauen. Deshalb rate
ich den Frauen: Positioniert euch und
kommt konkret mit Forderungen.
Die Arbeitswelt wandelt sich.
Zum Guten für Frauen?
Oppitz
_Das generelle Thema des Wan-
dels ist: Was bedeutet er für mich als
Mensch, wo geht die Reise hin? Wohin
muss und möchte ich mich entwickeln?
Früher haben wir studiert und dann ha-
ben wir gesagt: „So, jetzt hab ich einen
Abschluss. Und geh arbeiten.“ Jetzt soll-
ten wir jeden Tag etwas Neues lernen.
Man ist nicht für sein Leben ausgebildet,
wenn man studiert hat. Wie investiere
ich in mich selbst? Die Frage hört nicht
mit 35 auf, sondern mit 60. Oder noch
später. Also ich möchte nicht mit 60 ste-
hen bleiben. Und der Wandel durch die
rasant zunehmende Digitalisierung der
Arbeitswelt ist für mich das spannends-
te Thema. Wir müssen Organisationen
und Kulturen verändern, um die opti-
malen Arbeitsbedingungen der Zukunft
zu schaffen. Wie gehe ich mit Komple-
xitäten um? Ich glaube, es braucht gerade
in der digitalen Welt zunehmend Emo-
tionale Intelligenz. Weil Menschen mit
Menschen zusammenarbeiten wollen.
Wir können vieles automatisieren, aber
wir werden nie das menschliche Gehirn
ersetzen können und deshalb werden wir
nie den Menschen ersetzen können. Was
ja gut ist. Diese Balance zwischen der
digitalen und der analogen Welt bedarf
Emotionaler Intelligenz. Man kann vie-
les digital machen. Aber so wie wir jetzt
dasitzen, uns unterhalten, genießen und
voneinander auch lernen können, das
bedarf Achtsamkeit. Das kann nicht di-
gitalisiert werden. Dazu braucht es Men-
schen. Frauen genauso wie Männer.
von Tatjana Oppitz
Künstliche Intelligenz_wird uns in vielen Bereichen die Arbeit erleichtern.
In 30 Jahren werden Frauen_genauso viel verdienen wie Männer und sie
werden nicht unterrepräsentiert sein – weder in Führungspositionen noch in
sonstigen Bereichen.
Was Männer über Frauen wissen sollten_(lacht) Dass sie genauso
ehrgeizig und intelligent wie Männer sind.
Die beste Entscheidung meines Lebens_war, meinen Mann zu heiraten.
Weil er sehr viel Verständnis für mich und meine Arbeit hat und mich
wirklich unterstützt. Hinter jeder erfolgreichen Frau steht auch ein Mann
oder ein Partner.
Was ich nicht mehr hören kann_
„
Das haben wir immer
schon so gemacht."
Was ich der weiblichen Generation nach mir gerne sagen würde_Just
go for it. Ärmeln hochkrempeln, wir schaffen das. Und bitte nicht vergessen,
euch umzudrehen und zu schauen, wer die nächste Frau sein könnte, die
ihr mit auf die Reise nehmt.
Der beste Rat, den ich je bekommen habe_Es gibt keine Probleme,
nur Arbeit. Sobald man beginnt, darüber zu reden, zu analysieren,
kann man an die Lösung denken.