30
die öffentliche Verwaltung gefragt“, sagt
Humer, „Plastik ist ein wertvoller Stoff,
aber es wurde in der Vergangenheit ver-
absäumt, mit ihm wirklich nachhaltig
umzugehen.“ Auch die Konsumenten
müssten dazu gebracht werden, die Re-
cyclingidee zu leben. Zur Wiederauf-
bereitung braucht es sortenreine Müll-
trennung. „Recycling muss einfach sein,
je mehr sich die gesamte Industrie auf
dieselben Materiallösungen konzent-
riert, desto besser für die Umwelt“, sagt
er.
Von einem generellen Kunststoffbashing
hält Humer nichts. „Da gibt es zahlreiche
Vorurteile, jedem Konsumenten fällt na-
türlich der Haushaltsmüll auf, mit dem er
zu tun hat. Es wird jedoch oft nicht mit-
bedacht, dass Plastik Produkte schützt
und so zur Nahrungsmittelabfallvermei-
dung essentiell ist“, erklärt Humer. Ein
Kilo flexible Verpackung aus Kunststoff
schützt bis zu 56 Kilogramm Produkt –
bei Feststoffen wie Glas sinkt diese Quo-
te auf bis zu 1:2. Dadurch erhöht sich das
Transportgewicht, was die CO
2
-Bilanz
verschlechtert. Plastik habe also das bes-
te „Waste-to-Protection“-Ratio von allen
Verpackungen.
Die Zentrale von Schur Flexibles liegt
im Einzugsgebiet der stark wachsenden
Großstadt Wien. „Mehr und mehr Men-
schen leben in den Städten, durch die
zunehmende Urbanisierung wird Plas-
tik noch wichtiger“, sagt Humer. Ohne
Kunststoffverpackungen sei das Versor-
gen von Konsumenten mit Nahrung ein
Ding der Unmöglichkeit. „Dann müsste
man jeden Tag aufs Neue gewaltige Men-
gen an frischen Lebensmitteln in die
Stadt bringen, weil die Produkte weniger
lang halten – das ist administrativ nicht
zu stemmen.“ Schutz der Nahrungsmit-
tel ist für Humer das beste Argument
für Kunststoff. Tatsächlich wird jährlich
rund ein Drittel – oder 1,3 Milliarden
Tonnen – der weltweit produzierten Le-
bensmittel schlecht oder weggeworfen,
das ist einer der großen Treiber für die
globale Erwärmung und Treibhauseffek-
te. „Plastikverpackungen bestehen aus
verschiedenen Lagen mit verschiedenen
Funktionen, die durch eine Sauerstoff-
barriere und Feuchtigkeitsbarriere Schutz
bieten – so verhindern wir, dass die Le-
bensmittel unterwegs schlecht werden“,
erklärt er. Ohne Plastikverpackungen
wäre der weltweite Foodwaste doppelt so
hoch.
„Erhöhung der
Recyclingrate
reicht nicht“
Bei der Umweltschutzorganisation Glo-
bal 2000 will man dieses Argument nur
teilweise gelten lassen. „Der Hauptgrund
für Lebensmittelabfälle ist ein Überange-
bot und geringe Wertschätzung der Kon-
sumenten“, sagt Ressourcen-Campaig-
nerin Lena Steger, „durch Verpackungen
werden auch überhaupt erst längere
Transportwege ermöglicht, die gesamt-
ökologisch nicht sinnvoll sind.“ Als Lö-
sung für den Verpackungsmüll sieht sie
eine Rückkehr zu Mehrwegverpackun-
gen in Supermärkten – auch wenn das
noch keine Lösung für die Zulieferwege
darstellt. Walter Friesenbichler von der
Montanuniversität stimmt zwar zu, dass
Kreisläufe neu gedacht werden müssen
und der Weg von Einweg- zu Mehrweg-
lösungen grundsätzlich richtig sei. Frie-
senbichler: „Wir können aber nicht alle
Verpackungen mehrmals im Kreis führen,
denn einerseits sind viele mehrschichtig
und somit nicht sortenrein und ande-
rerseits werden die Eigenschaften beim
oftmaligen stofflichen Wiederverwerten
schlechter. Hochwertiges stoffliches Re-
cycling ist nur über sortenreine Samm-
lung möglich.“ Ein Ausweg ist nach
mehrmaligem Recycling die energetische
Nutzung oder die Pyrolyse, bei der man
wieder die chemischen Ausgangsstoffe ge-
winnt. Für Steger würde eine Erhöhung
der Recyclingrate nicht reichen, um das
globale Problem durch Plastikverschmut-
zung zu lösen – wichtiger sei es, generell
weniger zu produzieren. „Dazu bräuchte
es aber ein Umdenken der Konsumenten.
Wir reden ständig von Plastikvermeidung
und Reduktion, die tatsächlichen Zahlen
gehen aber in eine ganz andere Rich-
tung“, sagt Steger. Wurden 2015 noch
381 Millionen Tonnen Plastik produziert,
sollen es laut Prognosen 2050 mehr als
1.500 Millionen Tonnen sein.
Greiner-CEO Axel Kühner kann den
schlechten Ruf von Plastik in der Nach-
haltigkeitsdebatte zwar verstehen, für ihn
ist er aber nicht begründet. „Kunststoff
ist das Material unserer Zeit, das können
wir drehen und wenden, wie wir wollen.
Eine Zukunft ohne Kunststoff wäre eine
schlechtere Zukunft“, sagt er, „das heißt
nicht, dass wir die Umweltauswirkun-
gen nicht unter Kontrolle halten müssen,
auch das ist unsere Verantwortung.“ Die
Greiner AG zählt zu den weltweit füh-
renden Anbietern für Kunststoff- und
Schaumstofflösungen, der Unterneh-
menssitz befindet sich in Kremsmünster.
„Die Versorgung einer Stadt
wie Wien mit frischen
Lebensmitteln wäre administrativ
ohne Plastikverpackungen
nicht zu stemmen.“
Friedrich Humer
CSO Schur Fl
exibles
von links: Schur Flexibles-CEO Michael Schernthaner und CSO Friedrich Humer
Mit „SuperThin“ produziert Schur
Flexibles die zurzeit weltweit
dünnste Verbundfolie, die
Innovation „FlexiClose“ erhielt den
Deutschen Verpackungspreis in
der Kategorie Nachhaltigkeit.
Headquarter_Wiener Neudorf
Mitarbeiter_1.750
Standorte_22 in elf Ländern
Schur Flexibles