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viele weitere Fragen, die gestellt werden
müssen, bekomme man in vielen Gesprä-
chen mit den Mitarbeitern im Unterneh-
men. Insgesamt müsse sich das Gefühl da-
für ergeben, wie das Unternehmen tickt
und welche Werte wirklich gelebt werden.
Anstrengender Prozess
Im nächsten Schritt empfiehlt Pattart-
Drexler, aus dem Ergebnis vorerst einmal
drei konkrete Werte für das Unterneh-
men zu definieren: „Es ist wichtig, sich
wirklich auf den Kern zu konzentrieren –
je weniger Werte, desto besser kann man
später damit arbeiten. Eine Auflistung mit
zehn Punkten merkt sich sowieso keiner.“
Den Wertekatalog gelte es später immer
wieder anzupassen und bei Bedarf könne
er dann auch geringfügig erweitert wer-
den. Wichtig: Es gehe nicht darum, dass
die Marketingabteilung die drei Punkte
perfekt ausformuliert. „Schön formu-
lierte Sätze sind wunderbar, aber wenn
sie nicht mit Leben gefüllt sind, dann
werden sie auch nie Realität werden. Die
Mitarbeiter sollten mit eigenen Formulie-
rungen sagen können, wofür das Unter-
nehmen steht und was es für sie ausmacht.“
Das alles sei ein anstrengender Prozess,
bei dem sich auch Problemfelder im Un-
ternehmen auftun können – aber die Ar-
beit lohnt sich, verspricht Pattart-Drexler:
„Durch den gemeinsamen Diskussions-
prozess erreicht man auch wirklich ein
Kommitment für die schlussendlich de-
finierten Werte.“ Und mit dem Verspre-
chen im Inneren können die Werte auch
gut nach außen an potentielle neue Mit-
arbeiter gesendet und die für das Unter-
nehmen besten Köpfe angelockt werden.
Was unser Versprechen anbelangt: Na gut,
so ganz kommt man dann doch nicht um
den Begriff „Employer Branding“ drum-
herum.
#Frischer Wind
durch HR-Abteilung
Viele Menschen haben regelmäßig
indirekt Kontakt mit der Firma Aspöck
Systems – ohne jemals von dem Fami-
lienunternehmen mit Sitz in Peuerbach
gehört zu haben. Der Beleuchtungs-
hersteller ist laut eigenen Angaben mit
einem Marktanteil von 60 Prozent Euro-
pas führender Hersteller vorgefertigter
Lichtanlagen für gezogene Fahrzeuge
aller Art. Als zweites Geschäftsfeld stieg
man vor einigen Jahren noch in die Au-
tomotivbranche ein und fertigt nun auch
Beleuchtungssysteme für Autohersteller
wie Audi, Fiat, Maserati, Opel oder VW.
Das 1977 gegründete Unternehmen
beschäftigt mittlerweile weltweit 1.400
Mitarbeiter an vier Produktionsstandor-
ten und machte zuletzt über 180 Mil-
lionen Euro Umsatz. Beeindruckende
Zahlen – und trotzdem ist Aspöck Sys-
tems selbst ein paar Kilometer weiter
weg vom Firmenstandort nicht Jedem
bekannt. Dem Unternehmen ist das
bewusst – und lange Zeit war das auch
absolut kein Problem, denn bei den
Kunden ist man ja bekannt und wirt-
schaftet entsprechend erfolgreich. Die
Marketingabteilung war demnach klein
und es gab keine eigene HR-Abteilung,
der Personalbereich war bei einem Ge-
schäftsführer angesiedelt.
„Aber mit dem Schritt in die Auto-
motivbranche und dem raschen Wachs-
tum hat man erkannt, dass man frischen
Wind für Innovationen braucht und
dafür entsprechend Mitarbeiter mit
neuen Qualifikationen anziehen muss“,
sagt Maria Dieplinger. Sie kam Anfang
2016 ins Unternehmen und bekam die
Aufgabe, eine HR-Abteilung aufzubau-
en. Doch wie geht man so etwas an? Sie
führte mit allen Geschäftsführern und
Abteilungsleitern Gespräche und erkun-
digte sich bei den Mitarbeitern, was sie
von einer HR-Abteilung brauchen (und
nicht erwarten). Die Ergebnisse fasste
sie zu Punkten zusammen, priorisierte
diese und begann mit der Abarbeitung.
Als erste Maßnahmen nennt Dieplinger
die Präsenz auf Karrieremessen und in
Schulen, die Erstellung von Karriere-
foldern, die Überarbeitung der Website
sowie die Implementierung eines Int-
ranets – die meisten Employer-Bran-
ding-Maßnahmen wurden gemeinsam
mit der Marketingabteilung umgesetzt.
Pläne für die Zukunft seien etwa Social-
Media-Unternehmensseiten, Imagefilme
HR-Maßnahmen brauchen den
richtigen Zeitpunkt – wenn
Mitarbeiter dazu noch nicht
bereit sind, ist das ein Schuss in
die falsche Richtung, den man
nie wieder gut machen kann.
Maria Dieplinger
HR-Leiterin, Aspöck Systems
für eine eigene HR-Seite oder auch eine
eigene Akademie. Bei der Umsetzung ist
Geduld gefragt: „Man kann nicht von
heute auf morgen mit einem Schnipser
alles abarbeiten. HR-Maßnahmen brau-
chen den richtigen Zeitpunkt – wenn
man mit etwas beginnt, wozu die Mitar-
beiter noch nicht bereit sind, ist das ein
Schuss in die falsche Richtung, den man
nie wieder gut machen kann.“
„Die Erarbeitung einer Kultur
wird in einem Unternehmen
leider oft vernachlässigt, da sie
schwierig abbildbar ist.
“
Helga Pattart-Drexler
Expertin für Führungskräft
e-
entwicklung und Leit
erin des
Bereichs Executiv
e Academy,
WU Executive Ac
ademy