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zuzuschreiben und natürlich nicht durch Zu-
fall entstanden. ABER! Wir sind diesen Zustand
mittlerweile gewöhnt und haben ihn in unsere
DNA übernommen. „Wir erleben jeden Tag diese
Sicherheit, genießen jeden Tag diesen Wohlstand
und dabei haben wir verlernt, auch nach außen zu
gehen und die Komfortzone zu verlassen. Echtes
Learning und echte Entwicklung findet aber nur
außerhalb der Komfortzone statt“, so Scherntha-
ner. Seiner Ansicht nach ist Österreich dadurch
über Dekaden hinweg gutes Unternehmertum
verloren gegangen. Es fehlen weitläufig Prinzipien
wie eine fachmännische Trial-and-Error-Methode
und zukunftsorientiertes Denken: „Aus diesem
Wohlstand und dieser Sicherheit heraus sind wir
extrem vorsichtig geworden. Anstatt Dinge auch
einfach einmal zu versuchen, hat sich bei uns eine
Mentalität des ‚Hoffentlich passiert nichts!‘ und
‚Was sagen denn die anderen dazu?‘ entwickelt.“
Dabei darf man die Schuld für diese Mentalität
nicht einmal bei den Unternehmen suchen, so
Schernthaner: „Diese Vorsicht hat sich bis in die
gesetzlichen Regularien vorgearbeitet. Wenn man
in Österreich als Unternehmer einmal fällt, be-
kommt man ein Stigma. Wer in Konkurs geht,
wird in diverse Register eingetragen und hat es
in der Folge schwer, noch einmal den Schritt
in die Selbstständigkeit zu machen. Dabei hat
eigentlich bloß eine Idee nicht funktioniert! So
fördert man insgesamt ein sehr innovationshem-
mendes Umfeld. Österreich ist definitiv über-
reglementiert.“
BÜROKRATIE AHOI!
In den Regularien sieht auch Industrievertreter
Haindl-Grutsch eine Beschränkung der österrei-
chischen Innovationskraft und damit verlorene
Chancen auf Wertschöpfung für den Standort:
„In Österreich wurde über die Jahre ein umfassen-
des Transfersystem aufgebaut. Der Staat nimmt
Bürgern und Unternehmen durch hohe Steuern
und hohe Lohnnebenkosten zuerst sehr viel Geld
weg, um es dann generös wieder auszuschütten –
insbesondere vor Wahlen. Dieses Geld wird in
diversesten Transferleistungen ohne Mehrwert
für den Standort verkonsumiert. Es wäre jedoch
viel besser, den Menschen und den Unternehmen
erst gar nicht etwas in diesen Dimensionen weg-
zunehmen und dafür keine so breite Förderland-
schaft zu haben.“ Man bedenke: Ein Standort,
der nicht so stark reglementiert ist und den Un-
ternehmen nicht die Last übermäßiger Bürokratie
auferlegt, kann sich wirtschaftlich wesentlich bes-
ser entwickeln und stärker wachsen. Im europäi-
schen Vergleich sind insbesondere Schweden, die
Niederlande und die Schweiz Vorbilder für Öster-
reich. „Diese Länder haben uns voraus, dass sie
einen gesunden Haushalt sowie gesunde Finanzen
haben und aus dieser finanziellen Stärke heraus
investieren können. Unternehmertum wird groß-
geschrieben, es ist auch einfacher, Unternehmen
zu gründen“, so der oberösterreichische IV-Chef.
„Von der Brutto-Netto-Schere ganz zu schweigen.
Welches Interesse hat denn jemand, in Österreich
beruflich richtig aufzusteigen, wenn von dem zu-
sätzlichen Gehalt hauptsächlich der Finanzminis-
ter profitiert?“
REGLEMENTIERUNG AN
DEN FALSCHEN STELLEN
Wo an manchen Stellen überreglementiert wird,
gibt es an anderen Stellen zu wenig Beschränkun-
gen. Die Rede ist vom Bildungssystem. Der Fach-
kräftemangel ist längst am Arbeitsmarkt ange-
kommen – und er ist gekommen, um zu bleiben.
Die demographische Entwicklung zeigt, dass wir
Echte Entwicklung
findet nur
außerhalb der
Komfortzone statt.
Michael Schernthaner
Geschäftsführer,
Schur Flexibles