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eine alternde Bevölkerung sind. Natürlich hat das 

Bildungssystem keinen Einfluss auf die demogra-

phische Entwicklung und es wird auch das Pro-

blem des Fachkräftemangels nicht alleine lösen 

können. Aber das Bildungssystem verfügt noch 

über einiges an Potential, um Teil der Lösung zu 

sein. „Bis auf wenige Ausnahmen kann man in 

Österreich immer noch alles studieren, was man 

möchte. In Summe gibt es für zu wenige Studi-

enrichtungen Aufnahmeprüfungen oder andere 

Lenkungsmaßnahmen. Stattdessen gibt es immer 

noch Knock-out-Prüfungen. Deshalb haben wir 

auch so hohe Drop-out-Quoten und lange Stu-

dienzeiten“, sieht Haindl-Grutsch erheblichen 

Verbesserungsbedarf. Einerseits bleiben diese 

Menschen dem Arbeitsmarkt über Jahre hinweg 

fern und andererseits wird dadurch in manchen 

Bereichen ein Überangebot an Arbeitskräften 

produziert. Daher fordert Haindl-Grutsch: „Hier 

müssen mehr Regeln gesetzt werden, um das 

Bildungssystem effizienter zu machen!“ Als Zu-

kunftsforscher auf dem Fachgebiet „Zukunft der 

Arbeit“ hat auch Franz Kühmayer diese Entwick-

lungen im Blick: „Im Bereich der Bildung sind 

die skandinavischen Länder die internationale 

Benchmark. Besonders das finnische Bildungssys-

tem wird immer wieder als Vorbild herangezogen. 

Während in Österreich immer noch der Spruch 

‚Herkunft ist Zukunft‘ gilt, ist die soziale Durch-

lässigkeit in Finnland wesentlich höher. Soll hei-

ßen: Das Bildungssystem reproduziert dort die 

soziale Herkunft nicht so stark.“ Bei Vergleichen 

mit anderen Regionen sei allerdings Vorsicht ge-

boten, denn die Kopie eines guten Konzepts ist 

kein Erfolgsgarant. „Der Zusammenhang mit der 

lokalen Kultur ist ein entscheidender Faktor, der 

in die Gleichung miteinbezogen werden muss. 

Man muss sich immer fragen: Welche Denkhal-

tung liegt einem guten System zugrunde? Und 

wie würden wir diese Denkhaltung durch unsere 

Brille interpretieren? Nur so kann man analysie-

ren, welche Aspekte sich davon überhaupt sinn-

voll auf unseren Lebensraum übertragen lassen.“ 

Jemand, der hautnah von den Besonderheiten des 

finnischen Bildungssystems berichten kann, ist 

Michael Schernthaner. Nachdem er von seinem 

Studium in Österreich nicht sonderlich begeistert 

war, hat er zusätzlich ein Studium in Finnland 

absolviert: „Für mich war das eine unglaubliche 

Erweiterung des Horizonts. In Österreich wird 

noch immer sehr mechanisch gelernt und scha-

blonenhaft ausgebildet. Die Finnen haben eine 

ganz andere Herangehensweise. Der Fokus liegt 

viel mehr darauf, unterschiedliche Lösungswege 

für Aufgabenstellungen zu finden und Aufgaben-

stellungen nicht nach Schema F zu lösen. Insge-

samt fördert das finnische Bildungssystem soziale 

Kompetenzen und individuelle Fähigkeiten viel 

stärker.“ Doch was kann sich Österreich davon 

konkret abschauen? „Wir sollten von diesem ge-

neralisierten Gesamtunterricht weggehen und 

einen Schritt in Richtung eines individualisierten 

Unterrichts machen. Man sollte schon viel früher 

die Möglichkeit von freien Wahlfächern bieten, 

die Kinder darauf vorbereiten, agil zu arbeiten 

und verstärkt Social Skills vermitteln. Fachliche 

Defizite kann man nämlich als Unternehmen in 

drei bis fünf Jahren ausgleichen – für persönli-

che Defizite reicht nicht einmal ein ganzes Leben 

aus“, so Schernthaner.

WERTEWANDEL ERFORDERT 
RADIKALES UMDENKEN

Bestätigt wird Schernthaner in seinen Aussagen 

auch von der Zukunftsforschung. Denn, wie 

Kühmayer verrät, beobachtet sie einen Werte-

wandel in der Gesellschaft. Die Digitalisierung 

Bildungsentschei-
dungen
 müssen im  
österreichischen 
Schul- und Hoch- 
schulbereich besser 
gelenkt werden. 

Joachim Haindl-Grutsch  

Geschäftsführer, 

OÖ Industriellenvereinigung