65
vorbereiten. Frauen machen sich weniger Ge-
danken darüber“, erzählt Gesswein-Spiessber-
ger und empfiehlt, sich schon in rosigen Zeiten
gemeinsam immer wieder zu überlegen: Wie
könnten wir uns ein Leben nach einer Schei-
dung vorstellen? „Zu wissen, dass man auch ohne
seinen Partner sein Leben gut meistern könnte,
ist ein gutes Gefühl. Es führt zu einem schö-
nen, gemeinsamen Lebensgrundsatz: Wir müs-
sen nicht miteinander, sondern wir wollen das.“
Richtig strittige Scheidungen seien in der Kanz-
lei die Ausnahme. Gesswein-Spiessberger: „Wir
hatten in unserer Kanzlei erst zwei Scheidungen,
die wir mit allen Rechtsmitteln durchprozessie-
ren mussten. In einer davon vertraten wir einen
70-jährigen Mann, der eine 40-jährige Frau ge-
heiratet hatte, die gewalttätig wurde und im
Scheidungsprozess hohe Ansprüche stellte.“ Am
besten sei es, rechtzeitig vorzusorgen und Rege-
lungen zu treffen. Oder man schlage den Weg
der strittigen Scheidung ein, vergleiche sich aber
dann, denn „bei einer richtig strittigen Scheidung
habe ich noch nie einen Gewinner gesehen.“_
#Szenario 1
Romeo und Julia gründen
gemeinsam ein Unternehmen
„Bei einer gemeinsamen Gründung sollten die
Beteiligungsverhältnisse so gewählt werden, wie sie der
Realität entsprechen“, rät Gesswein-Spiessberger. „Wenn
etwa vom Know-how, den eingebrachten finanziellen Mitteln
und den Haftungen her auf Augenhöhe gearbeitet wird,
dann sollen die Beteiligungsverhältnisse bei der Gründung
gerecht aufgeteilt werden. Für den Scheidungsfall können
Unternehmensverbleib, Ausgleichszahlungen und die
Abtretung der Firmenanteile durch gesellschaftsrechtliche
Regelungen genau geregelt werden.“ Ein großer Fehler in den
Augen der Anwältin sei, das Private zu lösen, aber beruflich
im Unternehmen gemeinsam weiterzuarbeiten. „Das machen
viele, aber es funktioniert nur in den wenigsten Fällen und
scheitert meist ganz, wenn ein neuer Partner ins Spiel kommt.“
Gesehen habe man in der Gmundner Kanzlei schon einiges,
wie etwa „Paare, die keine Regelung hatten und sich dann
im Scheidungsverfahren gegenseitig als Geschäftsführer
abberiefen und die Firma dann führerlos herumgondeln
ließen.“
#Szenario 2
Tristan kümmert sich um die
Kinder, Isolde ist Unternehmerin
„In diesem Fall sollten sich beide Partner schon vor
oder bei Eheschließung überlegen, wie die Versorgung
des Partners, der sich um Haushalt und Kinder
kümmert, sichergestellt werden kann. Die Ehe ist ein
Versorgungsvertrag“, sagt Gesswein-Spiessberger.
Die Schwierigkeit für die Hausfrau oder den -mann
sei, dass ein Unternehmer im Scheidungsfall einen
gewissen Spielraum hätte: „Alles, was im Unternehmen
ist, ist nicht aufteilungsrelevant. Ein Unternehmer
kann im Streitfall seine Einnahmen oder sein Gehalt
drosseln oder seine Zugewinne als notwendigen
Investitionsbedarf anführen. Als Anwalt muss man
hier gute Kenntnisse vom Wirtschaftsrecht haben, um
eine faire Lösung für beide Seiten zu finden und eine
dauerhafte Versorgung des sozial schlechter gestellten
Partners zu gewährleisten. Eine Möglichkeit ist die
Versorgungsrente, die aus einer Privatstiftung, aus
Veranlagung oder auch aus einem Betrieb gezahlt
wird – unabhängig von der Einkommenssituation des
Unterhaltspflichtigen “, erklärt Gesswein-Spiessberger
und ergänzt: „Umgekehrt kann man den Unternehmer
und sein Unternehmen vor einer möglichen
Zerstückelung der Firma und im Ernstfall sogar vor
einem finanziellen Ruin durch den anderen Partner
schützen.“ Viele Unternehmerpaare seien aber von
Beginn für eine faire Lösung zugänglich.
Es gibt keine Gewinner
bei einer richtig strittigen
Scheidung.
Christina Gesswein-Spiessberger
Rechtsanwältin, Maximilianhof