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WIE DIE
GLEICHUNG
AUFGEHT
Geht es um Chancengleichheit und Gleichbehandlung, gibt es hierzulande noch einiges an
Aufholbedarf. Im EU-weiten Gender Equality Index liegt Österreich unter dem Durchschnitt.
Doch was machen Länder wie Schweden, Dänemark und Frankreich besser? Und wie ist die
(arbeits)rechtliche Lage in Österreich zu bewerten?
Um diese Fragen zu beantworten, haben wir uns „In Österreich gibt es ein einkommensabhän-
mit Francine Brogyányi und Lisa Kulmer zum Ge- giges Kinderbetreuungsgeld“, erklärt Kulmer.
spräch verabredet. Die beiden Rechtsexpertinnen „Geht nur ein Elternteil in Karenz, kann das
von Dorda kennen nicht nur die gesetzlichen Re- Kinderbetreuungsgeld für ein Jahr in Anspruch
gelungen in Österreich genau, sie haben auch das genommen werden. Gehen beide Elternteile in
EU-Ausland im Blick und wissen, welche Maß- Karenz, wird das Kinderbetreuungsgeld um 61
nahmen in anderen Ländern erfolgreich zur Be- Tage verlängert.“ Hier sieht die Anwältin An-
seitigung von Ungleichbehandlungen beitragen. passungsbedarf: „Würde man den nanziellen
„Die arbeitsrechtlichen Vorschriften in Österreich Anteil erhöhen, der nur zusteht, wenn beide
setzen nicht an einem spezi schen Geschlecht an. Elternteile in Karenz gehen, würden auch mehr
Das zeigt sich auch bei den Karenzregelungen Männer in Karenz gehen. Und damit wäre auch
und der Elternteilzeit. Frauen und Männern ste- die Sorge in Unternehmen unbegründet, dass be-
hen im österreichischen Arbeitsrecht die gleichen sonders Frauen aufgrund von Kinderwünschen
Möglichkeiten o en“, sagt Lisa Kulmer. „Also rein länger ausfallen könnten – denn dann würde das
arbeitsrechtlich betrachtet gibt es die Gleichstel- auf Männer gleichermaßen zutre en.“ Francine
lung. Sie beschränkt sich auch nicht nur auf die Brogyányi bestätigt: „Das wäre wichtig, um die
Geschlechter. Diskriminierung ist auch aufgrund breite Akzeptanz zu erhöhen. Einer der am meis-
jeglicher anderer Merkmale wie Herkunft oder se- ten angegebenen Gründe, wieso Männer nach
xueller Orientierung verboten. Und natürlich gibt wie vor verhältnismäßig selten in Karenz gehen,
es auch entsprechende rechtliche Mittel, sich da- ist, weil es gesellschaftlich noch immer nicht an-
gegen zu wehren.“ Soweit also die Grundlage. Die erkannt ist. Männer fürchten oft, dass die Ka-
Realität zeichnet allerdings ein anderes Bild: Sei- renz karriereschädigend sein könnte.“ Brogyányi
en es Besetzungen von Führungspositionen oder ist überzeugt, dass eine Neuregelung der Karenz
Gehaltsunterschiede für gleiche Tätigkeiten – von ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung wäre:
Gleichstellung kann kaum die Rede sein. Da stellt „Man sieht das auch in Dänemark. Nicht um-
sich die Frage: Was machen jene Länder besser, sonst sind die Dänen so weit vorne im Ranking.
die Österreich in puncto Gleichstellung nur das Dort ist es eine absolute Selbstverständlichkeit,
EU-Mittelmaß überlassen? dass Männer in Karenz gehen. Und das verändert
auch die Gesellschaft.“ Auch in Dänemark sei
STELLSCHRAUBEN KARENZ das nicht schon immer so gewesen: „Dort wur-
UND KINDERBETREUUNG den einfach schon sehr früh die entsprechenden
gesetzlichen Rahmenbedingungen gescha en.
„Wenn Männern und Frauen die gleichen recht- Und deshalb sind sie uns zwei Schritte voraus.“
lichen Möglichkeiten zur Verfügung stehen,
Text Daniel Schöppl diese aber nicht gleichermaßen genutzt werden, Auch bei den Kinderbetreuungsmöglichkeiten
Foto Brogyanyi: Natascha muss man sich fragen: Wieso?“, sagt Kulmer. Es sieht Brogyányi Nachholbedarf: „Dass die Schule
Unkart; Kulmer:
Isabelle Koehler; brauche verstärkte Anreize, damit auch Männer in Österreich bereits mittags aufhört, ist einmalig
Illu Gettyimages vermehrt von ihren Rechten Gebrauch machen: in Europa. Das ist weder in den nordischen Län-
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