Page 76 - DIE MACHER_Fruehling 2024
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Frau am Bau,



       Henne im Korb?








          Montagnachmittag, 13:55 Uhr – ich betrete den virtuellen Meetingraum, in dem ich zu
          einem Interview verabredet bin. Fünf Minuten für einen letzten Technikcheck bleiben
          noch. Um 13:57 Uhr erscheint aber auch schon ein zweites Bild auf dem Desktop – meine
          Gesprächspartnerin ist überpünktlich … und räumt damit mit dem ersten Klischee – 
          „In der Baubranche sind alle unpünktlich“ – auf. Viele weitere folgen in unserem Interview.



                           Nadine  Traxler, Bauleiterin bei Peneder, lächelt   an Durchsetzungskraft – ganz essenziell in ihrem
                           mir zur Begrüßung freundlich entgegen. Ich schät-  Beruf, wie sich herausstellt.
                           ze sie in etwa auf mein Alter, Mitte zwanzig. Laut
                           dem „Bau & Immobilien Report 2023“ beträgt in   Expectation vs. Reality – verrufene Baubranche?
                           der österreichischen Baubranche der Frauenanteil
                           lediglich 11,8 Prozent in technischen Berufen und   Sexismus, veraltetes Rollenbild, ein rauer Um-
                          13,2 Prozent in Führungsrollen.  Spannend, wie   gangston – die Baubranche ist ziemlich verrufen.
                           eine junge Frau diesen eher untypischen Karriere-  Doch wie viel davon entspricht der Realität? Bei
                           weg eingeschlagen hat.                     manchen sei das Bild verankert, eine Frau müsse
                                                                      wie ein „halber Mann“ aussehen, um auf der Bau-
                           Fürs Handwerk gemacht                      stelle was leisten zu können. Ab und zu falle da
                                                                      auch ein blöder Spruch.  Nadine selbst sieht das
                           Bereits im Kindesalter verbrachte Nadine ihre Zeit   Ganze jedoch gelassen. Man müsse kontern kön-
                           gern draußen mit ihrem Vater, habe lieber gewer-  nen, „dann sind sie gleich leise, weil sie sehen: ‚Ok,
                           kelt, anstatt bei Mama und Bruder in der Küche   die ist nicht auf’n Mund gefallen.‘“ Ihr schlag-
                           zu stehen. Ihre Entscheidung, die HTL1 Bau und   fertiger Charakter ist da von Vorteil, mit Schüch-
                           Design in Linz zu besuchen, war somit quasi auf-  ternheit komme man auf der Baustelle nicht weit.
                           gelegt. Dank einiger Praktika erkannte Nadine   Was viele abwertend als „rauen Umgangston“ be-
                           schnell ihre  Leidenschaft. „Ich wusste: Ich will   zeichnen würden, emp ndet die Bauleiterin als an-
                           nicht nur im Büro sitzen, sondern ich will raus auf   genehmes Arbeitsklima. „Man ist halt einfach auf
        Text  Zofia Wegrzecka  die Baustelle“, erzählt sie. Aktuell macht Nadine   der Baustelle generell ein bisschen ‚goschata‘ und
                           ihren Master im Bauingenieurwesen. An Ambi-  das  nde ich einfach super – ich kann so sein, wie
       Foto  Kneidinger Photography
        Illu  Gettyimages  tion fehlt es der jungen Frau nicht. Genauso wenig   ich bin.“

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