Die Rede ist von internen Meetings: „Sitzungen sollten künftig zu ,Stehungen' werden, das würde jede Menge Zeit sparen“, meint Markus Krämer, Lean-Management-Berater. Denn: Lean ist in. Und Verschwendung total out. Sieht man auch am Prinzip der Prozessoptimierung: Es hat sich in Form des Lean-Managements in den letzten Jahren zunehmend intensiviert.
Wodurch sind Sie auf das Thema Lean-Management gestoßen und was fasziniert Sie daran?
Krämer_Ich war beruflich mit Situationen und Abläufen konfrontiert, die ich als „unstrukturiert“ bezeichnen würde. Und Strukturlosigkeit bremst Arbeitsabläufe. Das Unternehmen, in dem ich tätig war, hat kurz davor begonnen ,Lean-Managment-Prinzipien im Produktionsbereich, also im direkten Unternehmensbereich, erfolgreich umzusetzen. Alle waren zufrieden! Die Idee dahinter hat mich total fasziniert. Ich habe dann gemeinsam mit meinem Team begonnen, diese Grundsätze des Lean-Managements auf Vertrieb und Verwaltung umzulegen. Das Ziel war, sämtliche Prozesse und Aktivitäten in meinem Tätigkeitsbereich schlank zu strukturieren.
In welchen Bereichen wird Lean-Management praktiziert? Wo befinden sich häufig ineffiziente Prozessstellen?
Krämer_Lean-Management wird nach wie vor schwerpunktmäßig in produzierenden Unternehmen eingesetzt. Eine Studie der Technischen Universität von Darmstadt besagt, dass zumindest einzelne Lean-Management-Ansätze in über 90 Prozent deutscher Unternehmen umgesetzt werden. Das wird somit in Österreich nicht viel anders sein: Die Idee ist in den Produktionen angekommen! Trotzdem gibt es dort ineffiziente Prozessstellen. Aber auch im indirekten Unternehmensbereich, also in der Administration, dem Vertrieb oder der Geschäftsführung, gibt es viel Verschwendung. Die Abläufe sind dort oft arbeitsteiliger strukturiert als im Produktionsbereich. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor wäre hier, Prozesse vollkommen neu anzudenken. Die Frage, wie wir zum Beispiel Besprechungen effektiver durchführen können, würde zu kurz greifen. Die erste Frage sollte lauten: Welche Besprechungen können wir ersatzlos streichen? Und wer muss unbedingt bei den Meetings dabei sein? Erst dann kann man von Effizienzsteigerung im Besprechungssetting reden. Das zieht sich durch alle Bereiche.
„Prozessoptimierung“ – viele Mitarbeiter neigen zu einer abneigenden Haltung gegenüber großen Veränderungen oder Einsparungen. Wie kann man den Mitarbeitern die Angst nehmen und sie ins Boot holen?
Krämer_Da Veränderungen oft Unsicherheiten mit sich bringen, ist diese Haltung sehr verständlich. Bei der Einführung von Lean-Management Prozessen spielen die Führungskräfte eine zentrale Rolle. Sie müssen die Lösungskompetenz der Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellen, die ja die Spezialisten der einzelnen Prozessschritte sind. Bei der effizienten Gestaltung der Wertschöpfungskette durch das „schlanke Management“ geht es um eine größtmögliche Schnittmenge zwischen Unternehmenserfolg sowie Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit. Neben der Führungsetage muss also unbedingt auch das jeweilige Team beim Verschlankungsprozess aktiv miteinbezogen werden. Nur so kann ein ganzes Unternehmen im Sinne dieses Ansatzes funktionieren. Wenn die Führungskräfte von der Methode des Lean-Managements überzeugt sind und es ihnen gelingt, dieses Feuer auch bei den Mitarbeitern zu entfachen, wird Veränderung möglich werden. Eher skeptische Mitarbeiter sehen meist bald die Vorteile des neuen Ansatzes.
Wodurch schafft Lean-Management zufriedenere Kunden?
Krämer_Märkte verändern sich rasant. Unternehmen müssen finanziell gut gerüstet in die Zukunft gehen. Kunden sind heute topinformiert und können schnell verloren gehen. Kundenloyalität ist damit wichtiger denn je. Die kompromisslose Orientierung an den Bedürfnissen des Kunden und eine hohe Serviceorientierung sind sehr wichtig. Prozesse müssen im Hintergrund gut und stabil gestaltet werden, um Kosten zu senken. Diese Kostenersparnis kann zum Teil auch an die Kunden weitergegeben werden. In der Zusammenarbeit und der Kommunikation mit dem Kunden wird mehr Zeit für Beziehungspflege und gemeinsame Entwicklungen bleiben. Die Bedürfnisse der Kunden zu kennen und sie abzudecken, ist ein Schlüsselfaktor.
Wie wird sich Lean-Management in den nächsten Jahren entwickeln und in den Unternehmen etablieren?
Krämer_Das Prinzip der Prozessoptimierung gibt es schon sehr lange, es hat sich aber in den letzten Jahren zunehmend intensiviert und dieser Trend wird sich fortsetzen. Es werden immer öfter eigene Lean-Manager in Unternehmen eingestellt. Fortschreitende Globalisierung, intensiver Wettbewerb, der hohe Informationsstand fordern neben Innovation auch ein Überdenken vorhandener Prozesse. Die „Generation Y“ ist in den Führungsetagen längst angekommen und das Hinterfragen von Abläufen liegt in deren Genen. Lean-Management kommt der Bequemlichkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entgegen: Klar definierte, überlegte Prozesse geben Sicherheit und reduzieren lästige Reklamationen._
Kritische Stimmen
Lean-Management ist nicht für alle Unternehmensbereiche und -typen geeignet, da es ursprünglich aus der Produktion stammt.
Krämer_Ein „Eins zu eins“-Umlegen von der Produktion auf andere Unternehmensbereiche wird nicht zum gewünschten Erfolg führen. Das große Ziel ist langfristig der zufriedene Kunde. Der Trend der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass das Konzept weder automobilbranchen- noch produktionsspezifisch ist: Viele Unternehmen haben ihren eigenen Optimierungsansatz entwickelt. Und hier ist es egal, ob ich ein Ein-Personen-Unternehmen bin, in der Geschäftsführung sitze oder als Vertriebsleiter tätig bin: Überall, wo es Prozesse gibt, kann ich es anwenden und dadurch den Deckungsbeitrag, die Kunden- und die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen.
Ein zu stark optimierter Ablauf ist besonders störanfällig: Wenn etwa nur eine Kleinigkeit nicht funktioniert, gerät alles durcheinander.
Krämer_Störfaktoren kann es immer wieder einmal geben. Ich habe erlebt, dass sie mit zunehmender Strukturiertheit der Prozesse weniger werden. Und tritt dieser Fall einer Störung auf, kommt deswegen der Prozess nicht gleich durcheinander, sondern er wird vielleicht gestoppt, analysiert, optimiert und damit stabilisiert. Im Lean-Management wird der Fehler daher auch als „Freund“ bezeichnet und das finde ich toll! Also nur keine Angst vor Störungen und Fehlern. Sie gehören dazu und bringen uns weiter!
Eine strenge Planung gibt wenig Freiraum für Innovationen und neue Methoden.
Krämer_Ich glaube, dass das Gegenteil der Fall ist: Klare Richtlinien und eine Struktur geben den Prozessbeteiligten inklusive dem Umfeld Sicherheit und schaffen damit Freiraum für Innovationen. Wenn ich etwa meine Zeit in weniger Reklamationen stecken muss, habe ich viel gewonnen. Wenn ich einen Prozess „lean“ gestalte, bin ich dabei schneller und finde Zeit für Innovationen. Standards sind die Grundlage für Verbesserung.
Es geht darum, sämtliche Prozesse und Aktivitäten im Unternehmen optimal zu strukturieren.
Markus Krämer
Lean-Management-Berater
Geschichte Lean-Management
Die Methoden des Lean-Managements haben ihren Ursprung in der Mitte des 20. Jahrhunderts beim japanischen Automobilhersteller Toyota. Anders als in der westlichen Massenproduktion orientierte man sich bei Toyota auf die Optimierung der Produktionsprozesse beziehungsweise von Material- und Informationsströmen. Heutzutage findet das Lean-Management weltweite Anwendung in fast allen Branchen und viele bekannte Unternehmen nutzen Lean-Projekte und Produktionssysteme, deren Vorbild nach wie vor das Toyota-Production-System darstellt. Lean-Management ist eng mit den Ansätzen Total-Quality-Management und Kaizen verflochten, welche die bestmögliche Wertschöpfung vor allem durch Kombination der verschiedenen Tools erreichen.