„...wenn die Tür einmal geöffnet ist...“
Wir haben in unserer Frühlingsausgabe 2016 als Export-Hotspots außerhalb Europas die Länder Australien, Jordanien, Kenia und Indien unter die Lupe genommen. Bei der WKOÖ-Außenwirtschaftstagung Übersee im Juli 2017 haben wir bei den in Sydney, Nairobi und New Delhi tätigen Wirtschaftsdelegierten nachgefragt, was sich in den vergangenen eineinhalb Jahren getan hat.
Australien – Eine Ausnahmeerscheinung unter den OECD-Ländern
Das positive Wirtschaftswachstum in Australien hält weiter an: Im Jahr 2016 gab es ein Plus von 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und damit nun seit 26 Jahren ununterbrochenes Wirtschaftswachstum. „Das ist eine absolute Ausnahmeerscheinung unter den OECD-Ländern und es ist kein echtes Ende der Entwicklung in Sicht“, sagt Karl Hartleb, Wirtschaftsdelegierter in Sydney.
Für die österreichischen Firmen hat sich Australien mittlerweile zur viertwichtigsten Überseedestination nach den USA, China und Japan entwickelt. Nach dem Pro-Kopf-Wert sind die Australier in Übersee bereits die wichtigsten Konsumenten österreichischer Firmen. Sie hätten in der jüngeren Vergangenheit große Aufträge vom Militär und im Bereich Logistik erhalten. Weiters habe sich der Maschinenbereich und die Lebensmittelausfuhr nach Australien sehr positiv entwickelt. Die Australier haben seit einigen Jahren durch ein Freihandelsabkommen Zugang zum chinesischen Markt und in einigen Teilbereichen fehle es ihnen bereits an Vormaterialien für die Lebensmittelexporte. Österreichische Firmen haben diese Lebensmittel, etwa Milchpulver, in großem Umfang zuliefern können. „Da reden wir teilweise von Beträgen im zweistelligen Millionenbereich“, so Hartleb. Die Dienstleistungsexporte sehe man zwar nicht in der Statistik, würden die Dynamik im Warenbereich aber perfekt ergänzen.
Energiekrise als Chance
Eine „gewisse Abkühlung“ gebe es laut Hartleb im Bauwesen, aber andere Bereiche würden diese auffangen. Die anziehenden Rohstoffpreise helfen dem Bergbau: „Für österreichische Unternehmen werden Neuinvestitionen wieder sehr interessant.“ Daneben sieht Hartleb besonders im Bereich der erneuerbaren Energien Chancen für die heimischen Unternehmen. „In Australien gibt es eine Energiekrise, die man jetzt technisch lösen muss.“ Es gebe plötzlich wieder eine Nachfrage nach europäischer und österreichischer Wassertechnologie – vor allem im Bereich Pumpspeicherkraftwerke. „Ich bin sehr optimistisch, dass da in den nächsten zwei, drei Jahren relativ rasch Projekte umgesetzt werden“, sagt Hartleb.
Hartleb hat in den vergangenen eineinhalb Jahren als Wirtschaftsdelegierter in Sydney aber gelernt, dass die Kontaktherstellung nicht leicht ist. Im gesellschaftlichen Umgang seien die Australier „die lockeren Engländer“, viele Dinge die in England und in den USA funktionieren, seien in Australien ähnlich. In der Geschäftspolitik seien die Australier aber verschlossener: „Es ist nicht einfach für Firmen in Australien Türen aufzumachen.“
Verschärfungen bei der Einwanderung als Risiko
Und das Türenöffnen könnte zukünftig noch schwieriger werden, da die Politik aktuell versucht die Einwanderung – und dabei auch die qualifizierte – einzuschränken. Es gab bereits Ende April 2017 Verschärfungen und im April 2018 sollen weitere folgen. „Es wird deutlich schwieriger werden ins Land reinzukommen. Das betrifft auch österreichische Niederlassungen, weil sie Fachpersonal schwerer ins Land bekommen werden.“ Details seien noch nicht klar, Firmen sollten sich davon auch gar nicht beirren lassen, denn „wenn die erste Schwelle einmal überwunden ist, dann sind die Türen sehr weit offen“.
"Es ist nicht einfach für Firmen in Australien Türen aufzumachen, aber wenn die erste Schwelle einmal überwunden ist, dann sind die Türen sehr weit offen."
Karl HartlebWirtschaftsdelegierter in Sydney
+ 2,5 % Wirtschaftswachstum 2016 in Australien
23. Rang bei Warenexportmärkten und vierter Überseemarkt für Österreich
+ 36 % Plus für österreichische Exporte
Kenia - Pole, pole!
Unterschiedliches Zeitempfinden, fehlende Infrastruktur und Korruption nannte Kurt Müllauer, Wirtschaftsdelegierter in Nairobi, im Frühjahr 2016 als die größten Herausforderungen für heimische Unternehmen in Kenia und daran habe sich kaum etwas geändert. „In Afrika geht es anders zu und die Europäer sind darauf nicht immer vorbereitet“, so Müller.
Betrügereien mit gefälschten Ausweisen
Er nennt als Beispiel Betrüger, die sich als Kontaktpersonen von seriösen Firmen in Afrika ausgeben und europäische Unternehmen dazu bringen, ihnen ihre Ware zu schicken. Die Betrüger verwenden E-Mail-Adressen von Gmail oder Yahoo und holen die Ware beim Transportunternehmen mit gefälschten Ausweisen ab. „Die Ausweise kann man sich auf der Straße machen lassen.“ Die europäischen Firmen holen sich Bonitätsauskünfte über die Firmen an die sie offiziell liefern, die aber mit dem Geschäft nichts zu tun haben. Kürzlich hätten sich Betrüger einen Container mit Chemikalien im Wert von 25.000 Dollar erschlichen. Viele Firmen könne das AußenwirtschaftsCenter daran hindern, Waren zu schicken, aber immer wieder würden welche auf die Betrügereien reinfallen.
Müllauer ist jetzt seit fast zwei Jahren in Nairobi und habe in dieser Zeit schon einige Netzwerke in den vier wichtigsten Ländern Kenia, Äthiopien, Tansania und Uganda von seinen insgesamt elf zu betreuenden aufbauen können. Nachdem es zuvor 20 Jahre kein Büro der WKÖ gegeben habe, habe er fast von Null beginnen müssen. Und beim Beginn musste er genauso wie die Firmen Geduld beweisen: „Pole, pole!“ sei ein oft gehörter Ausspruch in Afrika und bedeutet „langsam, langsam“. Die Leute hätten eine ganz andere Mentalität und darauf müsse man sich einstellen: „Meine Kollegen sagen mir, dass ich seit meiner Zeit in Afrika ruhiger geworden wäre. Das dient meinem persönlichen Schutz, sonst würde ich mich aufreiben.“ Man könne nicht von den „Afrikanern“ sprechen – es gebe völlig unterschiedliche Kulturen. „In Afrika werden 1.600 Sprachen von weltweit insgesamt 4.500 gesprochen“, erklärt Müllauer die Vielfalt. 40 Prozent der Bevölkerung in Kenia leben unterhalb der Armutsgrenze. Das sei aber weniger dramatisch als es klingt. „Die Leute sind arm, aber bescheiden und glücklich. Sie kennen es auch nicht anders, essen einfaches Essen. Es gibt keine Hungerstoten.“
Geld, Zeit und Hartnäckigkeit
Heimischen Firmen rät Müllauer „Geld, Zeit und Hartnäckigkeit“ für die Marktbearbeitung von Kenia und dessen Nachbarländer einzupacken und hinzufliegen: „Ohne persönliche Kontakte geht es nicht.“ Müllauer habe bisher die Erfahrung gemacht, dass viele Firmen zwar interessiert sind, aber die Märkte noch nicht mit der notwendigen Intensität bearbeitet werden, da sie vorher noch andere Länder auf ihrer To-Do-Liste haben. Er habe auch schon öfters erlebt, dass Firmen um einen offiziellen Termin bei einer Behörde ansuchen und diesen dann ein, zwei Tage vor dem Termin kurzfristig aus Zeitgründen wieder absagen. Als positives Beispiel nennt Müllauer eine Firma, die einen Mitarbeiter für ein neues Projekt in Kenia eingestellt. Der Mann ist fünf Mal für Treffen mit Behörden in die Region gereist und nun habe das Finanzministerium die finanziellen Mittel für das Projekt zugesagt.
Die Chancen für die Firmen seien in den verschiedenen Ländern ganz unterschiedlich. In Nairobi, der Hauptstadt von Kenia, gebe es mit den Hauptsitzen von zwei UNO-Teilorganisationen eine hohe Kaufkraft – aber dementsprechend viel Konkurrenz. In Tansania sei der Start zwar sicher schwieriger, aber man habe eine viel schwächere Konkurrenz und somit größere Chancen: „Wenn man mutig ist und unter den ersten sein will, dann sollte man jetzt nach Tansania. Das ist ein potentiell reiches Land mit einem neuen dynamischen Präsidenten, der bestehende Strukturen verbessern will.“
"Pole, pole! Langsam, langsam! Diesen Ausspruch hört man in Afrika oft – darauf müssen sich europäische Firmen einstellen."
Kurt MüllauerWirtschaftsdelegierter in Nairobi
+5,8 % Wirtschaftswachstum 2016 in Kenia
106. Rang bei Warenexportmärkten für Österreich
+ 26,1 % Plus für österreichische Exporte
Indien – die „Werkstatt der Welt“
2016 galt Indien als einer der Top-Zukunftsmärkte für heimische exportierende Firmen, mit Exportquoten von bis zu 11 Prozent. „Auch das Jahr 2017 ist gut angelaufen, wir hatten in den ersten drei Monaten von 2017 eine ähnlich starke Entwicklung wie 2016“, so Oskar Andesner, Wirtschaftsdelegierter in Neu Delhi. Die generellen Rahmenbedingungen hätten sich durch die politische Lage weiter verbessert. Die BJP-Partei des indischen Premierministers Modi gilt als eine sehr wirtschaftsorientierte Partei, die bereits einige Veränderungen eingeleitet habe. Diese Änderungen spüre man teilweise, würden jedoch langsamer voranschreiten als dies zum Beispiel in China der Fall ist. Dazu Andesner: „Indien ist im Gegensatz zur chinesischen Ein-Partei-Diktatur eine Demokratie, da gehen die Veränderungen nicht so schnell.“
Verarbeitende Industrie
Eine der größten Reformen seit der Unabhängigkeit Indiens wurde mit 1. Juli eingeführt. Die Goods&Services-Tax hat Indien zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum nach dem Muster der EU gemacht. Bisher war beispielsweise ein LKW mit einem Container vom Hafen von Mumbai nach Neu Delhi eine Woche unterwegs, weil er vier Grenzen überschreiten und jeweils Zölle und Steuern zwischen den Bundesstaaten abführen musste. „Jetzt sollte es möglich sein, dass der LKW durchfährt und die Waren von einem Bundesstaat in den anderen frei transportieren kann. Das wird sich positiv auswirken“, so Andesner. Die besten Chancen für heimische Unternehmen in Indien sieht er nach wie vor in der verarbeitenden Industrie. Die verarbeitende Industrie trug bisher fünfzehn Prozent zum BIP bei, bis zum Jahr 2025 sollen es 25 Prozent sein. Die vor drei Jahren gestartete „Make-in-India“-Kampagne soll dabei helfen. Mit dieser will man ausländisches Investment anziehen und zur „Werkstatt der Welt“ werden. Dafür bräuchten sie jedoch gute Maschinen, um konkurrenzfähig zu sein. Hier kommen die österreichischen Firmen ins Spiel. „Österreich ist eine sehr maschinenorientierte Wirtschaft. Wir sind bekannt für Maschinen mit besten Know-how und ausgezeichneter Technologie. Deswegen sind wir in Indien sehr gut aufgestellt“, weiß Andesner. Österreich ist derzeit mit etwa 150 heimischen Firmen in Indien vertreten, rund 900 bis 1000 österreichische Firmen machen regelmäßig mit Indien Geschäfte. „Wir haben super Nischenfirmen, viele unserer Unternehmen können sich vor Aufträgen kaum retten. Unsere Top-Firmen wie Plasser und Theurer oder Rosenbauer sind alle bestens platziert“, so Andesner.
Richtige Partnerwahl
Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs dürfe man die Risiken, die Indien mit sich bringt, nicht unterschätzen. Das größte Problem liege in der Wahl des richtigen Partners, wie Andesner ausführt: „Man braucht indische Partner, mit denen man zusammenarbeiten kann. Man darf sich von der Sprachfähigkeit und der offenen, kontaktfreudigen Art nicht beeindrucken lassen.“ Zusätzlich sei die nach wie vor teilweise fehlende Infrastruktur eine große Schwierigkeit, genauso der Fachkräftemangel am Arbeitsmarkt, die Landbeschaffung für industrielle Zwecke und der Mangel an Energie. „Wir haben mindestens fünf Mal am Tag Stromausfälle, ohne eigenen Generator geht nichts.“ Auch die Inflation dürfe man nicht unterschätzen. „Letztes Jahr gab es eine Geldscheinentwertung, 86 Prozent des Geldwertes wurde von einem auf den anderen Tag vernichtet, weil die zwei größten Scheine aus dem Verkehr gezogen wurden. Da gab es natürlich Probleme“, so Andesner. Mit ein Grund, warum das Wirtschaftswachstum mit 7,1 Prozent zwar immer noch sehr stark, aber dennoch leicht fallend zum Jahr davor war (7,7 Prozent). Für die kommenden Jahre erwarte man allerdings ein nach wie vor stabiles Wachstum von durchschnittlich sieben bis acht Prozent.
"Wir haben mindestens fünf Mal am Tag Stromausfälle."
Oskar AndesnerWirtschaftsdelegierter in New Delhi
7,1 % Wirtschaftswachstum 2016 in Indien
26. Rang bei Warenexportmärkten für Österreich
+ 11,2 % Plus für österreichische Exporte