„Parteipolitisch falsche Rücksichtnahme“
Der oberösterreichische Integrationslandesrat Rudi Anschober kämpft seit über einem Jahr mit seiner Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“ darum, dass Asylwerber, die in Österreich eine Lehre begonnen haben, nicht abgeschoben werden. Er hat mittlerweile auch zahlreiche Unterstützer – die IV OÖ gehört nicht dazu. „Man sollte zuerst einmal versuchen, Asylberechtigte in eine Lehre zu bringen“, fordert Geschäftsführer Haindl-Grutsch im einem Interview in unserer Winterausgabe. Anschober kontert: „In diesem Bereich haben wir kein Potential mehr.“ Man drohe jetzt zu verschulden, dass Asylberechtigte später weniger fit für den Arbeitsmarkt seien.
Die Jobintegration von Aslywerbern und Asylberechtigten ist in Oberösterreich laut Integrationslandesrat Rudi Anschober eine „echte Erfolgsgeschichte“: „Arbeit ist der beste Schritt zur Integration, die Menschen werden selbstständig, bekommen Lebensperspektiven. Sie wachsen in eine Gesellschaft rein, lernen Freunde kennen und werden motiviert, die Sprache noch besser zu lernen. Und in Hochkonjunkturzeiten, wo wir einen massiven Mangel in manchen Berufsbereichen haben, bietet es auch eine extreme Chance für die Wirtschaft.“ Anschober spricht von einer „Win-Win-Situation" – die Wirtschaft hat Bedarf an jungen Menschen, Asylwerber wollen arbeiten und seien auch dementsprechend beliebt, weil sie „einen unglaublichen Zug zum Tor“ haben: „Ich habe Lehrlinge erlebt, die täglich, bei jeder Witterung, 30 Kilometer mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren.“ Das von der Regierung Anfang September beschlossene Ende der Lehre für Asylwerber sei ein „totales Entmündigungsprogramm für Unternehmer“: „Man kann jedem selber entscheiden lassen, ob er einen Asylwerber mit dem Risiko, dass es zu einer Abschiebung kommen kann, einstellen will.“ Den Unternehmern sei das Risiko einer Abschiebung während der Lehrzeit bewusst. Sie würden dieses Risiko einerseits aus purer Verzweiflung, weil sie sonst auch niemanden finden, und andererseits, weil sie „wirklich Herz haben“, eingehen.
Mit der Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“ kämpft Anschober unermüdlich für den Verbleib von Asylwerbern in Österreich, die eine Lehre in einem Mangelberuf absolvieren. Von der IV OÖ gibt es dafür keine Unterstützung. Präsident Axel Greiner begründete dies im Interview in unserer Winterausgabe mit „gesetzlichen Gründen“, auch wenn die Forderung „menschlich gesehen die richtige“ wäre: „Wenn wir Lehrlinge mit nicht anerkanntem Asylstatus einige Jahre hierbehalten, dann haben sie ein Bleiberecht und das führt zu einer Aushöhlung des Asylrechts.“ Anschober lässt dieses Argument nicht gelten, es wäre dafür nur eine einfache Gesetzeskorrektur notwendig: „Wir leben in einer Demokratie und da können Gesetze weiterentwickelt werden. Es wurde in letzter Zeit sehr vieles kurzfristig geändert.“ Bei der IV OÖ ortet Anschober „parteipolitisch falsche Rücksichtnahme“. Als Weihnachtswunsch nennt Anschober die Unterstützung der IV OÖ für seine Initiative: „Je mehr sich engagieren, desto größer sind die Erfolgschancen.“
Lange Asylverfahren
In Oberösterreich haben seit 2015 vierzehn Asylwerber eine Lehre abgeschlossen, 411 Asylwerber absolvieren aktuell eine Lehre. Rund 60 bis 70 Prozent davon werden mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen positiven Asylbescheid bekommen. Im Durchschnitt würden Asylverfahren von Menschen, die bis zum 1. Juni 2018 Asyl beantragt haben, inklusive der zweiten Instanz zweieinhalb bis drei Jahre dauern. Für die paar wenigen, die danach Asyl beantragt haben, gibt es eine garantierte maximale Verfahrensdauer von sechs Monaten. Das große Problem sei die zweite Instanz, der Bundesverwaltungsgericht, sagt Anschober: „Es wurde kein einziger zusätzlicher Richter aufgenommen, der Rückstau umfasst mittlerweile ein Jahr – pro Monat kommen derzeit 1.000 zusätzliche Fälle mehr dazu, als bearbeitet werden können.“ Wenn Leute aber für solch eine lange Zeit zum Nichtstun verurteilt seien, würden sie ihre Fitness für den Arbeitsmarkt sowie ihre mitgebrachten Qualifikationen verlieren.
Kritisch sieht Anschober die Forderung von IV OÖ-Geschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch im Interview, Asylberechtigte statt Asylwerber in eine Lehre zu bringen: Hier gebe es schlichtweg kein Potential mehr. Schätzungen zufolge gebe es in Oberösterreich bereits bis zu 600 Asylberechtigte in einer Lehre, dagegen würden aktuell nur 77 nach einer Lehre suchen. Ende November gab es in OÖ aber über 5.000 sofort verfügbare Lehrstellen. Zum immer wieder gehörten Argument, dass junge Menschen mit positiven Asylbescheid gar nicht arbeiten möchten und lieber in die Mindestsicherung flüchten, sagt Anschober: „Es sollte eine bundesweit einheitliche Höhe der Mindestsicherung geben. Kosten, die überall anders sind, wie etwas das Wohnen, kann man dann noch mit einem Bonus abgelten – alles andere pusht Wanderbewegungen, die nicht helfen. Das von Oberösterreich relativ viele nach einem positiven Bescheid nach Wien gegangen sind, hat aber weniger mit der Mindestsicherung, sondern mit der dortigen Community zu tun. Viele von den Menschen sind aber mittlerweile wieder auf dem Weg zurück, weil sie in Wien im Unterschied zu OÖ keinen Job finden.“
Erfolgreiche Jobintegrationsrate
In Oberösterreich gebe es eine sehr erfolgreiche Jobintegrationsrate von Asylberechtigten, im Schnitt wechselten rund 20 Prozent jener Menschen, die 2018 einen positiven Asylbescheid bekommen haben, aus einer Schulung bzw. einer gemeldeten Arbeitslosigkeit in einen Job. Dazu würden Menschen kommen, die direkt nach einem Bescheid einen Job bekommen haben und vorher nicht arbeitslos gemeldet waren – dafür gibt es nur grobe Schätzungen von rund 30 Prozent. Im August waren 4.701 Asylberechtigte sowie susidiär Schutzberechtigte in der Mindestsicherung. „Internationale Arbeitsmarkt- und Integrationsforscher sagen, dass man gut unterwegs ist, wenn 50 Prozent der Menschen zehn Jahre ihrem positiven Bescheid einen Job haben.“
Asylwerber in Lehre
Der frühere SP-Sozialminister Rudolf Hundstorfer öffnete im Jahr 2012 die Lehre für Asylwerber in Mangelberufen . „Man wollte den Asylwerbern eine vernünftige Ausbildungsmöglichkeit und Integrationschance ermöglichen“, sagt der oberösterreichische Integrationslandesrat Rudi Anschober, „nur hat man den zweiten Schritt vergessen und nicht dafür gesorgt, dass die Leute während ihrer Lehrzeit im Verfahren abgesichert sind.“
Die ersten während der Lehre abgeschobenen Asylwerber und dementsprechend unzufriedene Unternehmer waren Ende des Jahres 2017 der Auslöser der von Anschober organisierten Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“ . Diese sei mittlerweile zur politischen, überparteilichen Allianz mit der größten Breite der vergangenen Jahre geworden - über 64.000 Privatpersonen und 1.050 Unternehmen unterzeichneten die Initiative. „Das ist ein echter Aufstand der Wirtschaft. Es hat ewige Zeiten keine Initiative gegeben, wo so große Teile der Wirtschaft etwas mit ihrem Firmennamen eingefordert haben“, sagt Anschober und nennt als bekannte Firmen Spar, Rewe oder Porr.
Die aktuell schwarz-blaue Bundesregierung hat auf die immer lauter werdende Forderung, Asylwerbern, die eine Lehre absolvieren, ein Bleiberecht zu geben, aber am 12. September mit einem völligen Ende der Lehre für Asylwerber reagiert und es gibt keine Signale, an dieser Entscheidung etwas ändern zu wollen. Anschober lässt sich davon nicht entmutigen: „Wir werden so lange keine Ruhe geben, bis wir unsere Forderungen durchgesetzt haben.“ Asylwerbern soll der Zugang zum Arbeitsmarkt wieder ermöglicht werden und durch eine rechtliche Maßnahme, wie etwa der deutschen 2plus3-Regelung, eine Abschiebung während der Ausbildung verhindert werden. Anschober hofft nun darauf, dass Gerichte in der zweiten Instanz Asylwerbern in Lehre das Bleiberecht aus „volkswirtschaftlichem Interesse“ zuerkennen. Es gebe bereits vier oder fünf Urteile, die ausführen, dass es ein volkswirtschaftliches Interesse gibt, dass der Asylwerber als Lehrling bleiben darf. Weiters besage die EU-Aufnahmerichtlinie, dass Menschen, deren Verfahren in erster Instanz mehr als neun Monate dauert, das Recht auf einen „effektiven Arbeitsmarktzugang“ haben. Österreich breche daher derzeit die EU-Richtlinie, so Anschober: „Die EU-Kommission untersucht aktuell die Umsetzung der Richtlinie und ich gehe davon aus, dass in den nächsten Monaten ein sehr klares Ergebnis davon dazu führen wird, dass der Erlass vom 12. September zurückgenommen werden muss.“ Es gebe auch bereits einige Unternehmen, die Rechtsschritte gegen den Erlass geplant haben.