Page 104 - DIE MACHER_Winterausgabe2022
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Mein Leben ist
reicher geworden.
Madeleine Stranzinger
Klimarätin
fühle sie jetzt eine bessere Lebensqualität als zu- traue zu sagen: „Gut, ich mache mich jetzt für die
vor. Ihr neues Wissen mache es ihr leichter, sich nächsten zwei Jahre unbeliebt und setze Reformen
zu entscheiden. Beim Einkaufen müsse sie nicht um, versorge die Menschen mit Informationen
mehr lange überlegen, welches der zwanzig ver- und mache es ihnen einfacher, sich nachhaltiger zu
schiedenen Joghurts sie kaufen soll. Oder wie sie verhalten.“ Denn so gut sich manch kleine Verhal-
am besten von A nach B kommt. Ihre liebsten tensänderungen auch anfühlen – hier das Plastik-
Fortbewegungsmittel sind das Rad und der Zug sackerl weglassen, dort besser Müll trennen – müs-
geworden. „Und das Schöne ist, es geht hier nicht se man doch an den großen Stellschrauben drehen.
um Verzicht! Mir taugt es, mit dem Rad zu fahren, Was brachte eigentlich die Psychologin Katharina
und im Zug habe ich Zeit zum Plaudern.“ Und es van Bronswijk dazu, sich für den Klimaschutz zu
fühlt sich gut an, gemeinsame Ideen für ein bes- engagieren? „Ich fühlte mich schon auf einem gu-
seres Klima auszuarbeiten. Fliegen? Nur mehr im ten Weg, habe kein Fleisch mehr gegessen und auf
Ausnahmefall. Ökostrom umgestellt. Der endgültige Auslöser war
dann der Film ‚The Age of Stupid‘. Ich ging aus
Apropos gute Gefühle – gibt es auch etwas, das dem Kino raus, noch voll in Gedanken, und kam
Madeleine Stranzinger ärgert? „Wenn ich auf der an einem Infostand von Greenpeace vorbei. Da
Straße auf Menschen treffe, die nicht an die Kli- hörte ich einen Aktivisten sagen: ‚Es reicht nicht,
makrise glauben. Oder denen das Thema egal ist. das eigene Leben umzustellen, man muss auch an-
Da ‚geht mir das Messer im Hosensack auf‘, salopp dere davon überzeugen.‘ Ich bin zum Stand hin
gesagt. Ich glaube, das ist bei den Anfänger:innen und habe gefragt, was ich tun könne.“
in Sachen Klimaengagement normal“, antwortet
sie und lacht. Das bunte Chaos des Neubeginns
Zeit für neue Mut-Geschichten Bleibt die Frage nach dem ganz großen Wurf: Wie
lässt sich die ganze Gesellschaft auf einen klima-
Was braucht es also für ein besseres Klima? Wie fitteren Weg bringen? Katharina van Bronswijk:
kann man Menschen dazu bringen, sich nicht vor „Man kann die Transformation einer Gesellschaft
dem Begriff „Klimakatastrophe“ zu verschließen? nicht organisieren. Man fängt an und der Rest ist
Indem man einen neuen, konstruktiven Blickwin- einfach buntes Chaos. Und ein neuer Zustand ent-
kel dazu einnimmt. Es sei an der Zeit, neue „Kli- steht.“ Niemand habe zu hundert Prozent recht,
mageschichten“ zu erzählen. Darin sind sich beide Gefühle können als Motivation dienen und außer-
Frauen einig. Weg von der Katastrophe, weg vom dem solle man nicht vergessen, dass jeder neue
Angst-Schüren, hin zu den Best-Practice-Beispielen Weg mit einem Schritt beginnt.
und Alternativen. Denn es gebe sie schon längst,
die neuen Erfolgsgeschichten, die Macher:innen – Apropos. Zuallererst beginnt man bei sich selbst.
sei es in der Zivilgesellschaft oder in der Wirt- Dazu muss man weder der mutigste, großzügigste
schaft. Geschichten des Mutes haben das Zeug noch intelligenteste Mensch sein. Es jedoch fertig-
dazu, das kollektive Bewusstsein zu verändern. zubringen, der Angst vor dem Ungewohnten ins
Auge zu blicken, hilft nicht nur auf den nächsten
Daneben brauche es aber auch eine mutigere Po- Berg hinauf. Sondern bringt auch das erhoffte bes-
litik, fordert die Psychologin und Sprecherin der sere Klima – ganz ohne von der Alpha-Gal-Zecke
„Psychologists for Future“. Eine Politik, die sich gebissen zu werden._
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