Während Kaffee getrunken wird, Krawatten gebunden oder die Zähne geputzt werden, begleitet der ORF täglich mehr als 300.000 Menschen bei ihrem Start in den Tag. Vor etwas mehr als einem Jahr startete das ORF-Frühfernsehen „Guten Morgen Österreich“– mit einem hierzulande einzigartigen Konzept.
Wir waren hinter den Kulissen dabei.
Gallspach, sieben Uhr morgens. Normalerweise ist in der oberösterreichischen Gemeinde mit etwa 2.800 Einwohnern um diese Zeit nicht viel los, heute ist Volksfeststimmung. Der Grund dafür: Das ORF-Frühfernsehen ist zu Gast. Mitten am Ortsplatz parkt ein Konvoi von sechs ORF-Fahrzeugen, geschätzte 200 Einwohner sind schon um diese Uhrzeit auf den Beinen, um sich das Spektakel nicht entgehen zu lassen. Denn heute ist ihre Heimat – zumindest für drei Stunden – im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. 380.000 Österreicher sehen die Sendungen bei einer durchschnittlichen Verweildauer von 25 Minuten – das ergibt einen Marktanteil von 28 Prozent. Jeden Wochentag sendet das ORF-Frühfernsehen aus einem anderen Ort, heute ist die Wahl auf Gallspach gefallen.
Volksfeststimmung
„Wo wir drehen, ist relativ zufällig“, sagt Günther Hartl, Chef vom Dienst Fernsehen beim ORF Oberösterreich, seit dem Start des neuen Formats dabei, „wir wollen die Besonderheiten jedes Ortes einfangen.“ Für den ORF ist das Frühfernsehen ein weiterer Schritt in Richtung Regionalisierung. Zahlreiche Vereine aus der Umgebung oder lokale Berühmtheiten sind eingeladen, ein junger Mann balanciert auf seinem Einrad durch die Menschen. In einem ORF-Foodtruck wird gratis Kaffee ausgeschenkt, drei Frauen frittieren Bauernkrapfen, unter einem kleinen Zelt stehen Kuchen, Kipferl und Semmerl parat. Auch der Gallspacher Bürgermeister Dieter Lang kann sich diesen Anlass natürlich nicht entgehen lassen: Er grüßt bekannte Gesichter, schüttelt Hände und plaudert mit dem ORF-Team. Viele Besucher haben ihre eigene Kamera mitgenommen, um Erinnerungsfotos zu schießen, mit denen sie wohl noch in einigen Jahren bei Familienfeiern Eindruck machen werden. Nur wenige Meter weiter verfolgen die Profis vom staatlichen Rundfunk mit ihren etwas größeren Kameras die Moderatoren Jutta Mocuba und Lukas Schweighofer auf Schritt und Tritt. Besonders Mocuba sticht mit ihrem knallgelben Mantel aus der Menge heraus. „So finden wir sie besser“, scherzt Hartl. Die Moderatorin ist ständig im Zentrum des Geschehens, interviewt und bewegt sich von einem Drehort zum nächsten. Mittlerweile sei das alles Routine, wird sie uns nach der Sendung erzählen. „Natürlich passieren hin und wieder Hoppalas, aber die sind auch willkommen, solange sie nicht überhand nehmen. Die Menschen sind froh über den Live-Charakter der Sendung“, sagt sie. Wie gewöhnt man sich eigentlich an den frühen Dienstbeginn? „Daran werde ich mich sicher nie gewöhnen“, sagt ihr Moderationskollege Schweighofer. Er braucht zwei Wecker, um pünktlich um vier Uhr fertig zu sein. Dafür schätzt er die Abwechslung. „Jeden Tag ist man an einem anderen Ort, nie kommt man in denselben Trott.“ Anfangs habe er befürchtet, nach einer Weile aus den Augen zu verlieren, in welchem Ort man eigentlich gerade dreht – das ist aber nicht das Problem. Für Hartl manchmal schon: „Beim Aufstehen in der Früh wusste ich schon manchmal nicht gleich, wo ich bin“.
Regionale Schmankerl für die Zuseher
Die Sendung läuft mittlerweile eineinhalb Stunden, Mocuba interviewt jene Frauen, die sich um die Bauernkrapfen gekümmert haben. Was viele Besucher hier nicht ahnen: Für die meisten Mitarbeiter ist der intensivste Teil der Sendung längst vorbei. „Die Sendung selbst ist nur mehr die Präsentation der geleisteten Arbeit“, sagt Hartl. Die Recherche für jede einzelne Ausgabe beginnt etwa zwei Wochen vor der Sendung, mindestens 30 interessante Gäste werden dann gesucht, die Redakteure führen unzählige Telefonate. Hartl: „Wir wollen regionale Schmankerl.“
"An den frühen Dienstbeginn werde ich mich nie gewöhnen."
Lukas SchweighoferModerator
Beobachtet man die Kameraleute, die Tontechniker, Moderatoren und Redakteure bei ihrer Arbeit, könnte man den Eindruck bekommen, dass hier alles scheinbar wie von selbst funktioniert. Dass es nicht so ist, weiß Karin Tschabuschnig. Sie sitzt in der Regie und ist damit für die Koordination zwischen Hartl, ORF-Zentrale in Wien, Moderatoren und anderen Mitarbeitern verantwortlich, per Live-Schaltung gibt sie Anweisungen und koordiniert. „In den drei Stunden Sendung habe ich nicht einmal Zeit, um aufs Klo zu gehen“, sagt sie. Besonders kritisch wird es, wenn Fehler passieren – dann muss Tschabuschnig improvisieren. „In einer Sendung hat ein Sänger statt dem Playback-Text unsere Live-Schaltung gehört und war dann verwirrt“, erinnert sie sich und lacht. Aber auch, dass geladene Gäste einfach nicht auftauchen, kommt vor – in dem Fall verschiebt sich der Ablauf der Sendung.
"Die Menschen mögen den Live-Charakter der Sendung."
Jutta MocubaModeratorin
An diesem Tag ist alles nach Plan gelaufen, trotzdem gibt es keine lange Verschnaufpause für das Team: In den kommenden Stunden müssen die finalen Vorbereitungen für die Sendung am nächsten Tag getroffen werden. Zeit wird keine verschenkt. Auf die Minute nach Sendungsende beginnen die Abbauarbeiten. Auch wenn am nächsten Tag der Wecker wieder um 3 Uhr 15 läuten wird: Hartl schätzt seinen Job. „Wir sind ein großartiges Team aus 25 Vollprofis“, sagt er._
"Die Sendung selbst ist nur die Präsentation der geleisteten Arbeit."
Günther HartlRedakteur, Guten Morgen Österreich
Bilanz nach einem Jahr ORF-Frühfernsehen
244 Sendungen ...
wurden im ersten Jahr produziert – an 217 Orten
39.528 Minuten ...
davon waren Live-Sendung
1.220 Studiengäste, 488 Musik-Acts und 244 Rezepte ...
waren Teil der Sendung
3,2 Millionen Österreicher ...
sahen im ersten Jahr zumindest einmal zu