Die Party beginnt.
Kaum angekommen, sind wir auch schon mittendrin auf der Geburtstagsfeier. Ganz Oberösterreich feiert Anton Bruckners 200. Geburtstag. Aber sind wir hier wirklich richtig? Wir haben ja gar kein Geschenk mitgebracht! Und was bitte ist der Dresscode? Das fragen wir mal lieber jenen Bruckner-Kenner und -Versteher, der die erste oberösterreichische KulturEXPO „Bruckner 2024“ künstlerisch leitet: Norbert Trawöger (#1) schmunzelt. „Wir sind alle eingeladen – genau so, wie wir sind.“ Und das schönste Geschenk, das man Bruckner machen könne, sei ohnehin, sich ihm einfach zuzuwenden, ihm zuzuhören und gemeinsam da zu sein. „Das hätte er sehr geschätzt.“
Aber muss man das Geburtstagskind nicht näher kennen, um es zu feiern? Er winkt ab. „Wir lernen ihn ja auf den vielen Partys kennen. Das Programm beinhaltet unglaublich viel Vermittlung, ich trau mich zu behaupten, dass diese Programmdichte für ein Festival, das ein Jahr lang und darüber hinaus dauert, unvergleichlich ist. So etwas hat es noch nie gegeben.“ Von Schulprojekten über Crashkurse, um das Geburtstagskind und seine Musik in drei Stunden intensiv kennenzulernen, bis hin zum Programm im Wirtshaus – man will mit Bruckner überraschen, und zwar nicht nur dort, wo man’s sowieso erwartet wie in Konzerthäusern.
„Wenn man Bruckner in seiner absolut geballten Fassung erleben will, dann ist 2024 das Jahr, wo man nach Oberösterreich kommen sollte“, bestätigt auch Ilona Roth. Die Tanz- und Kunstschaffende gestaltet das große Geburtstagsfest mit. Sie will auch jene jungen Menschen, die vielleicht gar keinen Bezug zu Anton Bruckners Musik haben, dafür begeistern. „Zum Beispiel mit dem Thema Bruckner’s Beats, wo wir Remixes und Samples auf Basis von Bruckners Musik gestalten.“ Gerade jetzt, in Zeiten von Klimakatastrophen, Kriegen und belastenden Themen, sei Kultur immens wichtig, ist Trawöger überzeugt. „Kultur bedeutet: Wie gehen wir miteinander um, wie schaffen wir Verbindungen – wir alle sind Kultur, weil wir alle unseren Kulturraum gestalten.“
Das Tor zur Welt
2024 sieht der spielende, lehrende, schreibende und gestaltende Musiker als große Chance, um der Welt zu zeigen, „dass Linz eine unglaublich internationale Stadt ist und nur allein wegen ihrer Größe immer wieder unterschätzt wird“. Schon durch das Kulturhauptstadtjahr 2009 habe sich Linz von der Industriestadt zu einer bedeutenden Kulturstadt entwickelt. „Dieses Spannungsfeld zwischen Tradition und Avantgarde und Innovation ist eine sehr spezielle Mischung an einem Platz, wo eigentlich nur 220.000 Menschen wohnen.“ Genau diese überschaubare Größe habe den Vorteil, damit beweglicher und frecher sein zu können. Und damit nicht, wie Trawöger augenzwinkernd sagt, wie Wien oder Salzburg mehr Museum zu sein. „Linz ist für mich in Österreich die einzige Stadt, die wirklich in Bewegung ist. Die sich ständig verändert.“ Der ganzen Welt möchte er von der Vielfalt der heimischen Kultur erzählen und verspricht: „Lasst euch von Linz überraschen, da ist immer was los und immer wieder was Neues los.“
Kulturhauptstadt Europas
Für viele Überraschungen sorgt auch die Kulturhauptstadt Europas 2024 (#2), erstmals nicht eine einzige Stadt, sondern eine ganze Region im inneralpinen ländlichen Raum: Bad Ischl und das Salzkammergut. Das Kulturangebot ist so vielfältig wie die 23 Gemeinden, die mitmachen: In den vier Programmlinien „Macht und Tradition“, „Kultur im Fluss“, „Sharing Salzkammergut – die Kunst des Reisens“ und „Globalokal – Building The New“ werden wichtige Themen aus der Region, Europas und der Welt behandelt, neue Impulse gesetzt und die Vielfalt aus historisch verwurzelter und zeitgenössischer Kunst und Kultur vor den Vorhang geholt. Die künstlerische Geschäftsführerin der Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut 2024, Elisabeth Schweeger, lädt alle dazu ein, „sich Zeit zu nehmen und das Salzkammergut in seiner Vielfalt, mit seiner Kunst und mit seinen kulturellen Traditionen, die sich den modernen Herausforderungen stellen, zu entdecken“.
Entdeckt haben die Menschen immer schon viel im Salzkammergut. Und während unser Blick im Türkis des Attersees versinkt, ist auch schnell klar, warum sich so viele herausragende Persönlichkeiten, Maler ebenso wie Schriftsteller oder Musiker, hier inspirieren ließen. Ihren Spuren kann man heute noch folgen. Zum Beispiel am Gustav Klimt Themenweg am Attersee. „Klimt war begeistert von der Farbe des Sees, von den sanften Hügeln, den Bauerngärten, dem Schloss Kammer, dem reichen Fundus an Naturlandschaften“, schwärmt Evelyn Obermaier, Vorständin des Klimt Vereins. Aber auch heute lassen sich hier noch viele Künstler:innen oder auch Wirtschaftstreibende inspirieren und fischen immer wieder neue Ideen aus dem See. Tobias Takacs ist einer von ihnen, ein junger Musiker mit vielen Talenten – er ist hier aufgewachsen, hat hier seine Liebe zur Musik entdeckt und steht nun vor uns am Steg in Schörfling am Attersee und spielt auf seiner Violine. „Musik verbindet einfach alle Menschen auf der Welt, egal welche Sprache sie sprechen. Der See hat mich immer inspiriert und von Anfang an begleitet“, erzählt er ein paar Takte und Gänsehautmomente später.
Kultur und Natur
Nicht nur der See dient Künstler:innen als Inspirationsquelle, auch in Molln in der Nähe von Steyr (#3) treffen wir auf einen Musiker, der Kraft und Kreativität aus der Natur schöpft. Manfred Russmann spielt auf seiner Maultrommel – einem uralten Instrument, auf dem sich mystische Klänge erzeugen lassen. „Wenn ich in der Steirerschlucht spazieren gehe, wenn ich in den Wäldern unterwegs bin, dann gibt mir das Ruhe, und genau dieses Gefühl versuche ich, in meiner Musik auszudrücken.“ Beim Musizieren – er spielt übrigens auch einige andere Instrumente – schließt er seine Augen und „dann bin ich ganz bei mir selbst“. Bereits ein halbes Jahrhundert lebt er hier in Molln. Und wer hier einmal die Gegend erkundet, der versteht auch ganz gut, warum.
Wobei Oberösterreich auch noch viele andere Orte zu bieten hat, wo es sich einerseits gut leben, aber auch gut Kunst erleben lässt. In Wels (#4) etwa ist die ganze Stadt wie ein Freiluftmuseum, das aber natürlich kein Museum, sondern lebendiger Lebensraum ist. Wir schlendern durch die Stadt, vorbei an wunderschönen Gebäuden, deren Fassaden verschiedene Baustile aus den Epochen Gotik, Renaissance, Barock und vielen mehr zeigen. Eine halbe Autostunde später entführt uns Abt Ambros Ebhart im Stift Kremsmünster, einem Benediktinerkloster aus dem Jahr 777, in eine Welt voller Kunstwerke und Reliquien. „Für mich bedeutet Kultur, all das, was die Menschen geschaffen und gestaltet haben, zu sehen, zu pflegen und auch weiterhin zu gestalten. Damit ist jeder Mensch Kultur. Wir alle alle!“
Und noch ein Viertel zum Entdecken
Alle, ja wirklich alle (wie wir gleich bestätigt bekommen), sind auch im Entdeckerviertel (#5) eingeladen, Kunst und Kultur mitzugestalten. Alljährlich findet hier der New York City Musikmarathon statt. Wir treffen den Gründer des internationalen Musikfestivals, Gernot Bernroider, und Robert Ortner, der vor 20 Jahren das Bauhoftheater in Braunau gegründet hat. Kunst und Kultur für alle erlebbar zu machen, sei für beide einer ihrer wichtigsten Grundsätze. „Der New York City Musikmarathon ist ein Gesamtpaket aus Workshops, Konzerten, Jam-Sessions, Ausstellungen und Gesprächen“, erzählt Bernroider. Das Schöne an der Region sei, dass man das Beste von beiden Seiten – von Stadt und Land – genießen könne. „Man kann sich tagsüber erholen, sich ein gemütliches Plätzchen an einem Badesee suchen, man kann Museen, Kirchen, Burgen besuchen, auf Rad- und Wanderwegen unterwegs sein. Und am Abend geht man dann in ein Konzert“, sagt der Schlagzeuger und Komponist. Robert Ortner ergänzt natürlich: „Oder man kommt zu uns ins Bauhoftheater. Also diese Mischung hier bei uns – aus Historie, Natur, Kulinarik, Kunst und Kultur – ist in dieser Art und Weise fast einmalig.“
Zusammenspiel
Eine ähnliche Mischung, aber wieder mit ihrer ganz eigenen Rezeptur, finden wir schließlich in der Vitalwelt Bad Schallerbach (#6). Dort empfängt uns Peter Gillmayr, Gründer und Intendant des Musiksommers Bad Schallerbach, mit seiner Geige. Sommer ist hier übrigens zehn Monate lang – geboten wird Musik aus allerlei Richtungen, Weltstars der Klassik- und Schauspielszene sind dann zu Gast im oberösterreichischen Kurort. „Da spürt man jedes Mal wieder, dass ein Konzert, eine Veranstaltung eine gemeinsame Sache ist – zwischen Publikum und Künstler:innen“, erklärt Gillmayr. Der Künstler oder die Künstlerin nehme das Publikum mit auf eine Reise, ohne zu belehren. „Das hat bei uns in den letzten 29 Jahren dazu geführt, dass wirklich aus allen Bevölkerungsschichten Menschen kommen und die Begeisterung mit uns teilen.“
Unsere Reise ist nun zu Ende. Es war keine Weltreise, aber eine Reise, die einem neue Welten eröffnet. Weite Distanzen gilt es hier nicht zu überwinden – und gemeint sind damit nicht nur die Kilometer, die einen Ort vom anderen trennen. Gemeint ist vielmehr die Nähe, die hier Kunstschaffende mit ihren Besucher:innen, ihrem Publikum, verbindet. Wann ist denn nun eigentlich die Party zu Ende? Es sieht ganz danach aus, dass es ein Open End geben wird. Wie Norbert Trawöger anfangs erwähnte: Es gibt hier immer wieder Neues zu entdecken.