Sandra blickt auf die Uhr. 12:15 Uhr. Die letzte E-Mail an ihren Kollegen in Linz ist fertig getippt. Sie drückt auf „Nachricht senden“ und klappt den Laptop zu. Zeit für ihren Urlaubsnachmittag an diesem Dienstag, umweht vom herb-würzigen Pinienduft Südfrankreichs. „Das Kunstwort ‚Workation‘ setzt sich aus den Begriffen ‚Work‘ und ‚Vacation‘ zusammen und es besagt genau das, was es ist“, erklärt Karl Waser, „man fährt auf Urlaub und verrichtet dort seine Arbeit – meist mit einem geringeren Stundenausmaß.“
Was sind typische Beispiele für Workation?
Karl WaserDas sieht von Fall zu Fall anders aus. Es ist beispielsweise die Mitarbeiterin, die vier Wochen in Griechenland verbringt und dort an den Vormittagen arbeitet, etwa vom Co-Working-Platz aus – und am Nachmittag an den Strand geht. Das ist ein typischer Fall von Workation. Oder: Ein Paar, das für einen Klienten von mir tätig ist, wollte schon immer eine Südamerikareise machen. Nun arbeiten die beiden mobil und durchqueren gleichzeitig den Kontinent. Das ortsunabhängige Arbeiten kann man also sehr unterschiedlich denken – vom Studenten, der für einen heimischen Betrieb arbeitet und gleichzeitig ein Auslandssemester in Barcelona absolviert, bis zur Mitarbeiterin, die ihre kranke Mutter in Ungarn pflegt und von dort ihr Arbeitspensum bewältigt.
Warum ist das Workation-Modell jetzt zum großen Thema geworden?
Karl WaserWeil es technisch möglich ist, zum einen. Es gibt so viele Berufsfelder, die nur mehr den Laptop und einen Internetzugang benötigen. Zum anderen hat sich der Arbeitsmarkt gewandelt. Der Fachkräftemangel wie auch das zunehmende Selbstbewusstsein der Arbeitnehmer:innen fördern diese Entwicklung. Man „traut“ sich heute, Dinge zu fordern, die früher undenkbar gewesen wären. Und es gibt sehr viele Firmen, die diese Arbeitsmöglichkeit als Benefit vermarkten, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden.
Angenommen, der Betrieb X möchte diese Möglichkeit anbieten. Welche Tipps haben Sie für absolute Beginner?
Karl Waser
1.Sich als Betrieb nicht vor der Möglichkeit verschließen und offen dafür sein. Man kann zu Beginn eine Art Probe-Workation anbieten – mit einer begrenzten Dauer und dem Fokus auf einige ausgewählte Länder.
2.Zudem wichtig: Länder auswählen, die mit Österreich ein sogenanntes „Doppelbesteuerungsabkommen“ vereinbart haben. (Die Liste der Länder findet sich auf der Website des Finanzministeriums.) Das erlaubt in der Regel Aufenthalte im Ausland von bis zu 183 Tagen, ohne dass Steuerpflicht im Ausland begründet wird. Wegen des hohen administrativen Aufwands sollte man generell vermeiden, im Ausland steuerpflichtig zu werden.
3.Überlegen, für welche Positionen im Betrieb Workation möglich ist, und transparente Richtlinien festlegen, die für alle Beschäftigten im Betrieb gelten.
4.Wichtig für die Mitarbeiter:innen: Auslandsreiseversicherung abschließen. Denn es kann zum strittigen Punkt werden, ob der kleine Unfall auf der Reise nun als Arbeitsunfall einzustufen ist oder nicht.
5.Gute Planung von beiden Seiten: Was kann ich an Aufgaben abgeben, was muss ich anders organisieren und im Betrieb umverteilen? Wie kann ich für Sicherheit im Datenverkehr sorgen? Mit der Vorbereitung steht und fällt das ganze Vorhaben.
Welche Rückmeldungen haben Sie bisher erhalten?
Karl WaserDie bisherigen Rückmeldungen sind positiv und sehr gut. Und es werden mit Workation auch Dinge möglich, die im normalen Arbeitsalltag nicht realisierbar wären – etwa ein Sabbatical von einem halben Jahr. Im Ausmaß von 20 Wochenarbeitsstunden und als Workation oder, wie es auch genannt wird, „Jobbatical“ gelingt es dann doch. Das sind ganz neue Begriffe in der Arbeitswelt.
Handelt es sich hierbei um eine Generationenfrage? Kommen nur die Jüngeren, die sich mehr Freiheiten in ihrer Lebensgestaltung wünschen?
Karl WaserNein. Von der Studentin, die Auslandserfahrung mit Beschäftigung verbinden will, bis zum Seniorgeschäftsführer, der sich seinen Lebenstraum erfüllt – das Thema zieht sich durch alle Generationen und Fachbereiche. Ja, die ältere Generation hat ein anderes Pflichtbewusstsein dem Arbeitgeber gegenüber. Man hätte sich nicht getraut, nach anderen Arbeitsmodellen zu fragen. Die jüngere Generation wirkt hier sicher inspirierend auf die ältere, diese lässt sich jetzt im positiven Sinne von diesem neuen Lebensgefühl anstecken._