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deutung gewonnen. Uns allen wurde vor Augen
geführt, wie extrem belastend die Situation für
die Spitalsmitarbeiter:innen war und noch immer
ist. „Auf sie müssen wir ein Augenmerk legen.
Pfleger:innen und Ärzt:innen müssen Aufent-
haltsräume und Rückzugsmöglichkeiten bekom-
men, wo sie wirklich völlig ungestört abschalten
können und abgeschottet sind. Das muss uns eine
Lehre aus der Pandemie sein“, so Frauscher, der
auch gleich ein abschreckendes Beispiel anfügt:
„Es hilft uns das schönste Spital nichts, wenn
Mitarbeiter:innen ausgebrannt sind und vor lau-
ter Erschöpfung die falsche Spritze setzen. Es pas-
sieren Fehler, wenn die Angestellten überarbeitet
und erschöpft sind.“ Was die Spitäler seit Corona
ebenfalls eingeplant haben, sind Pandemieszena-
eben 50 Jahre alt und damals hat man einfach rien. Mit separaten Eingängen und separater Lo-
noch anders gedacht. Orientierung war noch gistik sollen Infektiöse und Nichtinfektiöse gleich
kein Planungskriterium“, erzählt uns Frauscher. von Beginn an getrennt und damit ein Zusam-
Healing Architecture kann letztendlich für alle mentreffen in einem hoch frequentierten Warte-
Beteiligten im Care-Bereich von Vorteil sein. Für bereich oder vor dem Haupteingang vermieden
Patient:innen und ihre Angehörigen bedeutet es werden. Auch hier sind laut dem Architekten
verbesserte Konditionen, um gesund zu werden Ein-Bett-Zimmer klar von Vorteil.
und zu bleiben; für das Personal in Gesundheits-
einrichtungen effizientere Abläufe und eine siche- Patient:innen-Hotels
re, stressreduzierende Arbeitsumgebung. Mehrere
internationale Studien untermauern, dass sich die Ein weiterer Trend beim Thema „Spital der Zu-
passende Umgebung positiv auf das psychische kunft“ führt erneut nach Skandinavien. Denn
und physische Wohlbefinden der Patient:innen dort wird schon seit Längerem auf sogenannte Pa-
auswirkt. tient:innen-Hotels gebaut. Hotel und Spital – ist
das nicht ein Widerspruch in sich? Nicht in die-
Pandemieszenarien eingeplant sem Fall. Gemeint sind damit krankenhausnahe
Einrichtungen. Das Hotel steht in unmittelbarer
Das Spital der Zukunft muss für Frauscher tech- Nähe zum Spital, meist direkt auf dem Campus.
nisch unbestritten auf dem neuesten Stand sein. Dort können Angehörige oder Patient:innen, die
„Es muss alles haben, was die Medizintechnik zu nicht ständig überwacht werden müssen, über-
bieten hat. Die Geräte müssen auf dem neuesten nachten. Die Rezeption ist mit Pflegepersonal
Stand sein, keine Frage. Das sind die hard facts. besetzt, das im Bedarfsfall jederzeit gerufen wer-
Alles, was darüber hinausgeht, ist oft das, was mit den kann. „Man kann dadurch Ressourcen sparen
Healing Architecture gemeint ist. Darunter ver- und die Patient:innen mit deutlich günstigerer
steht man die nötige Orientierung, einen schö- Infrastruktur versorgen. Gleichzeitig ist es eine
nen Ausblick, den Zugang ins Grüne oder einen Möglichkeit, den Menschen das Gefühl zu bie-
Freiraum zum Zurückziehen.“ Der Großteil der ten, nicht mehr im Spital zu sein. Es können alle
Entscheidungsträger:innen zeigt sich der „hei- Annehmlichkeiten genutzt werden, im Notfall
lenden Architektur“ gegenüber schon sehr aufge- ist sofort geschultes Personal zur Stelle“, so Frau-
schlossen. So manches Mal zieht die Investition scher, der ein solches Patient:innen-Hotel selbst
in eine sinnstiftende Architektur aber noch den schon in Norwegen vor Ort besucht hat.
Kürzeren. Zum Beispiel dann, wenn laut Frau-
scher ein weiteres MRT-Gerät angeschafft werden Im Hinblick auf Corona sieht der Wiener einen
muss. Dabei muss eine Umgestaltung laut dem weiteren Vorteil in solchen Hotels. Er sagt: „Diese
Wiener Architekten oft gar nicht so viel mehr Einrichtungen kann man schnell in ein vorgela-
kosten. „Die Kunst ist es, aus den begrenzten gertes Spital, ein Pandemiespital umfunktionie-
Mitteln trotzdem etwas Gutes zu machen. Wenn ren. Patient:innen, die schon schlechtere Werte
man eine Lounge einbaut, wird eben mehr Platz haben, aber noch kein Akutfall sind, könnten
benötigt. Unser Ziel muss sein, architektonische dort untergebracht werden. Damit würde man
Qualität unterzubringen.“ rasch und unkompliziert Zusatzkapazitäten schaf-
fen.“ Beim Krankenhausbau ist also noch einiges
Gerade in der aktuellen Coronapandemie hat möglich. Mal sehen, welchen Ausblick wir dann
Healing Architecture für viele noch einmal an Be- künftig im Spital 4.0 genießen …_
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