Page 143 - DIE MACHER_Fruehling 2024
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Was kann uns
noch retten?
Der CO 2-Ausstoß und die Umweltbelastung stagnieren global auf viel zu hohem Niveau,
die gesetzten Klimaziele werden konstant verfehlt. Können wir die schlimmsten Folgen
des bevorstehenden Klimawandels noch abwenden; ist die Umwelt, wie wir sie kennen,
noch zu retten? Darüber gibt es unterschiedlichste Meinungen bei Expert:innen. Eines
haben Pessimist:innen und Optimist:innen in Forschung und Wirtschaft aber gemeinsam:
Sie suchen unermüdlich nach Lösungen und Strategien, um klimaverträglicher
agieren zu können.
ChatGPT gilt derzeit global als Maß aller Dinge im für die eingesetzte KI beim Projekt recAIcle, das
Bereich Arti cial Intelligence. Nicht so für Alois auf eine Interaktion von menschlicher und ma-
Ferscha – zumindest was den Nachhaltigkeitsas- schineller Intelligenz beim Recycling abzielt. Die
pekt betri t. „Kaum jemand weiß, was nur eine KI beobachtet und unterstützt Fachkräfte, die be-
einzige Anfrage an ChatGPT an CO 2-Emissionen stimmte Materialien aussortieren, und trainiert
verursacht – 20.000 Anfragen entsprechen etwa gleichzeitig durch einen kontinuierlichen Lernan-
dem CO 2 Ausstoß einer Autofahrt von Wien nach satz Klassi kationsmodelle.
Bregenz“, sagt der wissenschaftliche Leiter des CO-
MET-Forschungszentrums Pro²Future. Es ist ein Die Textil- und Modeindustrie, die durch das RE-
Dilemma der Künstlichen Intelligenz: Einerseits WAI-Projekt nachhaltiger werden soll, ist für zehn
können durch KI Methoden umweltschädliche Prozent der globalen Treibhausemissionen und
Ein üsse und ressourcensparende Produktions- 20 Prozent der globalen Land- und Wasserver-
möglichkeiten identi ziert werden, andererseits schmutzung verantwortlich. Auch Abfall ist einer
ist der CO 2-Fußabdruck vieler KI-Systeme durch der größten CO 2-Treiber. Der Fokus auf diese Be-
den enormen Energiebedarf höchst bedenklich. reiche ist kein Zufall. „Es ist für die Wissenschaft
Ferscha: „Bekannte Lösungen wie OpenAI GPT-4, wichtig, die größten Hebelwirkungen für die Um-
DALL-E, oder Midjourney erfordern einen gewal- welt zu suchen, damit wir einen großen E ekt er-
tigen Rechenleistungs- und damit Energieeinsatz, reichen können. Signi kante Hebelwirkungen gibt
es braucht Petabyte an Trainingsdaten, damit sie es in den Sektoren Verkehr und Logistik, Bau und
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überhaupt veritabel operieren können“. Pro Futu- Immobilien, Chemie und Pharma, IKT, aber ins-
re entwickelt einen anderen Ansatz. „Anstatt einer besondere und in erster Linie in der industriellen
an extrem großen Datenmengen lernenden KI Produktion“, sagt Ferscha.
forschen wir an Lernmethoden für vernetzte, fö-
derierte Individualintelligenzen“, erklärt Ferscha. „Unglaubliches“ Einsparungspotential
bei Materialien
Zum Einsatz kommt diese durch vernetztes Ler-
nen statt großer Datenmengen intelligent gewor- Die Suche nach der Hebelwirkung ist für Andreas
dene KI etwa beim Forschungsprojekt REWAI. In Tiefengraber, Geschäftsleiter von Zultner Metall,
der Produktionsumgebung der Textil- und Mode- der Schlüssel. Das Unternehmen mit Sitz in Graz
industrie – in dem Fall bei Lenzing – werden KI- sieht sich als innovativer Händler für hochwertige
gestützte Modelle und Methoden eingesetzt. „Da- Metalle und Schweißtechnik. „Es geht immer da-
durch können beispielsweise Wartungsintervalle rum, die großen Brocken zuerst anzugehen, wenn
optimiert werden, wodurch sich der Lebenszyklus man wirklich nachhaltig agieren will“, sagt er. Für
von Maschinen in der Produktion verlängert“, er- Metalltechnikbetriebe – die Kunden von Zultner
klärt Projektleiter Michael Haslgrübler. Weitere also – würde sich etwa 80 Prozent des CO 2-Fuß-
messbare E ekte: die Reduktion von notwendi- abdrucks im Material abbilden. „Metall hat gewal-
ger Energie, die Vermeidung von Produktionsab- tige Vorteile, ist lang haltbar und gut recyclefähig,
fall und Lager ächen für Upcycling-Prozesse, die aber die CO 2-Bilanz unterscheidet sich je nach
durch nicht-optimale Prozesse entstehen. Händler teilweise enorm“, sagt Tiefengraber. Wie
hoch das Einsparungspotential tatsächlich ist, sei
„Wichtig, die Hebelwirkungen zu suchen“ für viele Entscheider:innen auf den ersten Blick
unglaublich. „Wir haben etwa einen Kunden, der
Die Datenverarbeitung der KI wird dabei mög- 400 Tonnen Aluminium pro Jahr verarbeitet. Wir Text Valentin Lischka
lichst lokal gehalten. „Sie funktioniert beim Be- haben ihm nahegelegt, das Material zu wechseln – Foto Ferscha: Alfred Reiter;
trieb vor Ort in einem eingebetteten System mit zu einem ähnlichen Preis lassen sich so bis zu Tiefengraber: Daniel
sehr geringem Energieaufwand“, sagt Haslgrübler. 2.000 Tonnen CO 2 jährlich einsparen“, sagt der Waschnig; Straka:
Georg Wilke; Fessl,
Der Energieverbrauch der KI-Modelle wird in den Geschäftsführer. Schritte wie Dämmung der Fir- Mayer: Christian Huber;
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Pro Future-Forschungsprojekten dokumentiert, menzentrale, Fahrgemeinschaften von Mitarbei- Freischlager: Robert
Maybach; Gettyimages
um ihn schließlich zu optimieren. Das gilt auch ter:innen oder Umstieg auf Fernwärme seien Illu Gettyimages
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