Das Wort „Fachkräftemangel“ kann schon niemand mehr hören, sind sich die drei Eigentümer Johannes Grabner, Gerhard Kornfelder und Alfred Griesbaum sowie der Geschäftsführer Markus Nuspl der Firma Rico einig. Zu Besuch bei einem der weltweit führenden Technologieanbieter in der Herstellung von Spritzgusswerkzeugen sowie Automatisierungskomponenten für Elastomere und Kunststoffprodukte in Thalheim bei Wels erzählen die vier, warum man das Thema aber trotzdem immer wieder ansprechen muss und was die interne „Rico Academy“ damit zu tun hat.
Was sind die Vor- und Nachteile am Firmensitz und gleichzeitig Produktionsstandort in Thalheim bei Wels?
Grabner_Infrastruktur, Verkehrsanbindung und überhaupt das gesamte Umfeld sind perfekt – die große Herausforderung ist der Facharbeitermangel und dass wir dementsprechend genug Personal für unser Firmenwachstum finden.
Griesbaum_Der weltweite Vorteil des Standortes Österreich ist bis dato noch die weltweit einzigartige duale Ausbildung und die dadurch gut ausgebildeten Facharbeiter sowie ein technologischer Vorsprung für Betriebe, wie wir es sind, und das müssen wir versuchen, in Österreich zu halten.
Nuspl_Unser Produktionssystem zeichnet sich dadurch aus, dass wir nur von sechs bis 18 Uhr Mitarbeiter im Haus haben und die Maschinen die restliche Zeit alleine laufen. Und diese Art von Produktionssystem können wir nur in einem Land mit bester Technologie und sehr guten Fachkräften umsetzen. Wir sind bei der Digitalisierung auf einem sehr guten Weg. Neben Software und Infrastruktur ist beim Thema Industrie 4.0 die Qualifizierung der Mitarbeiter ganz wesentlich – diese brauchen eine entsprechende Ausbildung, damit sie das Bewusstsein dafür bekommen, mit diesem Instrument auch vernünftig zu arbeiten.
Kornfelder_Das Um und Auf für unser weiteres Wachstum sind die Fachkräfte. Wir geben daher extrem viel Geld aus – von der Lehrlingsausbildung bis hin zu unserer „Rico Academy“, mit der wir Anfang des Jahres gestartet sind. Bei unserer Akademie handelt es sich um ein Trainee-Programm auf technischer Basis. Für Unternehmen in unserer Größe ist das sehr untypisch, aber wir müssen uns diese jetzt leisten. Wir wollen damit Mitarbeiter auf Matura- und Universitätsniveau abholen. Wir sind mit dem Silikonspritzguss in einer extremen Nische tätig.
Griesbaum_Unser spezifisches Know-how kann das öffentliche Ausbildungssystem gar nicht abdecken, auch wenn die Qualität der technischen Ausbildungen in Oberösterreich sehr gut ist. Nicht mehr ganz optimal ist das Niveau der Ausbildung in der Grundschule. Die Anforderungen an die Lehre sind hoch, wir brauchen von der Grundschule weg gut ausgebildete junge Leute mit einem gewissen schulischen Niveau, und das ist oft nicht mehr gegeben.
Grabner_Wir merken immer mehr, dass die Schulen aufgrund der geringeren Schülerzahlen verstärkt um die jungen Leute buhlen. Wenn man kein ganz schlechtes Schulzeugnis hat, wird man mit offenen Armen empfangen und diese Leute fehlen in der Berufsausbildung. Wegen des Wettbewerbs um Schüler und Studenten sinkt auch grundsätzlich das Leistungsniveau in den Ausbildungsstätten. Die oberste Priorität in den Institutionen ist nicht mehr, einen gewissen Status an Wissen zu vermitteln, sondern zu schauen, dass man die Klassen vollbringt – das ist das aktuelle Problem im Bildungsbereich.
Kornfelder_Meine Söhne haben vor sechs Jahren trotz erster Leistungsgruppe eine Aufnahmeprüfung für die HTL machen müssen, denn es wurden nicht einmal alle Interessenten der ersten Leistungsgruppe aufgenommen. Jetzt nehmen die Schulen aufgrund der geringeren Geburtengänge alle Interessenten auf und ziehen damit die Leute von der Lehrlingsausbildung ab.
Nuspl_Es ist momentan ein Kampf am Arbeitsmarkt und das ist derzeit auch der entscheidende Punkt, wodurch unser Wachstum gehemmt ist. Daher muss man solch eine Diskussion immer wieder führen, auch wenn das Wort „Fachkräftemangel“ schon niemand mehr hören kann.
Griesbaum_Dabei sind die Politik, wir als Unternehmen und die gesamte Wirtschaft gefordert – das geht nur im Konsens und nicht gegeneinander. Wenn wir den technischen Vorsprung in Österreich international halten wollen, dann muss es ein Umdenken geben, wir müssen den Level von der Pflichtschulausbildung wieder heben.
Kornfelder_Momentan machen wir das, wovor Genetiker Markus Hengstschläger mit dem Stichwort „Durchschnittsfalle“ warnt – wir nivellieren alle runter. Die Besten werden nicht gefördert, sondern unterfordert. Wenn man Techniker haben möchte, dann braucht man eine Individualförderung und das schafft man nur über Leistungsgruppen oder ähnliches. Die Gesamtschule war da wahrscheinlich der falsche Weg.
Griesbaum_Die öffentliche Hand verlagert dieses Thema immer mehr auf die Firmen. Unsere interne Akademie ist aus der Not heraus entstanden, weil es am freien Markt diese Art von Mitarbeiter schlichtweg nicht mehr gibt.
Kornfelder_Sich die Leute über Headhunting gegenseitig abzuwerben, führt zu nichts, da schädigen wir uns nur am Standort. Wir distanzieren uns davon auch ganz klar und würden uns wünschen, dass dieses Gentlemen’s Agreement von allen anderen auch so beibehalten wird.
Rico ist in den vergangenen Jahren am Standort Thalheim bei Wels stark gewachsen, die fünfte Erweiterung steht knapp vor der Inbetriebnahme. Häufig klagen Firmen dabei über mühsame Wege bei Betriebsgenehmigungen …
Kornfelder_Wir haben immer rechtzeitig reagiert und im Zuge eines Baues gleich den Standort für den nächstmöglichen Ausbau gesucht und die Fläche umwidmen lassen. Wir haben uns einfach an die Gesetze angepasst und damit hat das immer super funktioniert.
Grabner_Die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden ist ausgezeichnet. Unsere Ansprechpartner können nichts dafür, dass die Gesetze so streng formuliert sind. Doch Letzteres ist genau der Punkt: Viele Gesetze gehören entschärft und überarbeitet.
Griesbaum_Wir sind nahezu zu 100 Prozent ein Exportbetrieb und müssen daher unsere Produktionskosten mit Betrieben auf der ganzen Welt vergleichen. Da sind wir von der Infrastruktur sehr gut aufgestellt, aber es muss einem schon klar sein, dass wir bei den behördlichen Auflagen und den Gesetzen ganz vorne mit dabei sind. Da sind wir alle miteinander – wir als Betrieb und auch die Politik – gefordert, über die Grenzen des Landes hinauszuschauen. Wir leben in Oberösterreich und Österreich, nicht auf einer Insel.
Die neue Regierung hat Vereinfachungen angekündigt und mit 1. September das neue Arbeitszeitgesetz eingeführt …
Nuspl_Wir begrüßen das Gesetz und die meisten unserer Mitarbeiter sehen es positiv. Speziell in der Automobilindustrie oder Medizintechnik gibt es kurzfristige Liefertermine und da ist man als Unternehmen schon gefordert, dass die Kollegen verfügbar sind, wenn die Arbeit da ist.
Grabner_Wir sind in einem globalen Wettbewerb und brauchen in diesem Sinne Rahmenbedingungen für eine internationale Wettbewerbsfähigkeit. Wir haben kein Interesse, viele Überstunden machen zu müssen – diese sind teuer für das Unternehmen. Da wird die falsche Diskussion geführt, es geht nur im Einvernehmen mit den Mitarbeitern.
Griesbaum_Die Signale von der Regierung sind richtig, aber man muss sich erst einmal anschauen, wie sich die Situation weiter entwickelt._
Produktion in OÖ
+ technologischer Vorsprung
+ Mitarbeiter
+ Infrastruktur
+ Image von „Made in Austria“
- Niveau der Basisausbildung in der Pflichtschule
- überzogene Auflagen
- Lohnkosten
1994 _ Gründung Rico Elastomere Projecting GmbH durch die 3 Gesellschafter Johannes Grabner, Alfred Griesbaum, Gerhard Kornfelder; Standort: Welser Innenstadt in einem alten Industriegebäude
2000 _ Gründung Härtereitechnik HTR Rosenblattl GmbH in Thalheim/Wels (Erweiterungen im Jahr 2010, 2013, 2018 - Fertigstellung 1. Quartal 2019)
2001 _ Bezug des neu errichteten Firmengebäudes in Thalheim/Wels (42 Mitarbeiter)
2005 _ 1. Erweiterung des Rico-Firmengebäudes: Lagererweiterung
2009 _ 2. Erweiterung des Rico-Firmengebäudes: Produktionsstart mit 5 Spritzgussmaschinen
2012 _ 3. Erweiterung des Rico-Firmengebäudes: Qualitätssicherung
2013 _ 4. Erweiterung des Rico-Firmengebäudes: Produktionshalle 3
2015 _Beteiligung zu 1/3 beim Schweizer Unternehmen Silcoplast
2016 _ Kauf der US-Firma Simtec, Gründung der Rico Group als Holding für die 4 Unternehmen Rico (160 Mitarbeiter), US-Firma Simtec (50 Mitarbeiter), Schweizer Unternehmen Silcoplast (25 Mitarbeiter), HTR (40 Mitarbeiter)
2018 _ 5. Erweiterung des Rico-Firmengebäudes: Produktionshalle, Verdoppelung der Produktionskapazität
Rico Group mit insgesamt 335 Mitarbeiter und über 50 Millionen Euro Umsatz