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„Diejenigen, die
es sich leisten können,
sollten den ersten
Schritt setzen.“
Gernot Wagner
Klimaökonom, Visiting
Associate Professor Columbia
Business School
Gernot Wagner schiebt sein Rad durch New York. niger Fleisch isst, verkleinert den eigenen ökologi-
Er ist auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz, der schen Fußabdruck massiv. Noch schwimmt man
Columbia Business School. Neben dem 42-jäh- damit gegen den gesellschaftlichen Strom.
rigen wogt das Leben der Metropole, Autos hu-
pen, Menschen eilen vorbei. Wir sind verabredet Wie wird ein nachhaltiger
zum Zoom-Meeting – dank heutiger Technik via Lebensstil sexy genug
Smartphone und Fahrradhalterung eine faszinie-
rend einfache Angelegenheit. Ein Faktor ist die Bequemlichkeit. „Jetzt komme
ich gerade am Bahnhof vorbei“, Gernot Wagner
„Herr Wagner, kann eine Einzelperson überhaupt schwenkt die Kamera und zeigt auf die neue Moy-
etwas bewirken?“ Der Klimaökonom bleibt kurz nihan Train Hall an der 8th Avenue. Das Zugfah-
stehen. „Unsere Entscheidungen bestimmen über ren hat sich auch in Österreich zu einem perfekten
das eigene Leben hinaus den Lauf der Dinge, das Kombipartner in der nachhaltigen Mobilität ent-
muss uns klar sein. Wo ich wohne, wie ich mir mein wickelt. „Es gibt die E-Scooter und Klappräder,
Leben einrichte, wie ich von A nach B komme – das mit denen man bequem in Kostüm und Anzug
hat Auswirkungen. Wer in der Stadt wohnt, spart in die Arbeit kommt. Beides lässt sich im Zug
50 Prozent bis zu einem Drittel von den Emissionen mitnehmen.“ Befeuert durch hohe Treibstoffprei-
eines Menschen, der in der Vorstadt wohnt! Das se, Staus und ein bewussteres Denken schmelzen
Klima merkt es nicht, wenn ich jetzt zu Fuß durch alteingesessene Gewohnheiten dahin. Zeitgleich
New York gehe. Die Summe der Entscheidungen wächst eine neue Generation heran, die massiv
von acht Milliarden Menschen jedoch schon.“ von den klimatischen Auswirkungen betroffen sein
wird. Sie verschafft sich weltweit als „Fridays for
Das neugebaute Einfamilienhaus auf dem Acker Future“ Gehör. Und doch, irgendwie kam der Kli-
mit Doppelgarage und Pool hat einen großen Ein- maturbo bislang nicht in Fahrt. Schmelzende Pol-
fluss auf Lebensraum und Klima. „Der Möbel- kappen, Hitzerekorde, abgeholzte Regenwälder –
markt und die Poolfirmen, klar, die freuen sich. die negativen Schlagzeilen scheinen die Menschen
Doch die neuen Häuser im Grünen sind nicht nicht zu beeindrucken. Filmstar und Klimaaktivist
grün“, betont der Klimaökonom, der die Stadt Arnold Schwarzenegger zieht einen Vergleich mit
New York in Umweltfragen berät. Österreich ist der Filmwelt, wenn er sagt, dass niemand in einen
europäischer Spitzenreiter beim Flächenverbrauch. Film ohne Hoffnung gehen wolle. Es brauche die
Sechzehn Fußballfelder Boden pro Tag werden für Erfolgsgeschichten, die Mut machen. Solche, wie
Immobilien und Straßen verbaut. Wie können wir es sie bei seiner jährlichen Klimakonferenz, dem
nachhaltiger handeln? Austrian World Summit in Wien, zu hören gibt.
„Indem man erkennt, dass nicht jede persönli- Der Turbo für den grünen Wandel
che Handlung gleich viel wiegt.“ Wer etwa Nein
zum Plastiksackerl sagt und dann in ein Flugzeug Welche Knöpfe muss man noch drücken, um aus
steigt, hat nichts für das Klima getan. Wer jedoch einigen Pionier:innen möglichst schnell eine nach-
zu einem Ökostromanbieter wechselt, sein Haus haltige Gesellschaft zu schaffen? „Das ist die Billio-
dämmt, die eigene Mobilität überdenkt und we- nendollarfrage schlechthin“, schmunzelt Gernot
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