Dienstag Morgen, Hörsching. Zahlreiche Gäste sitzen im Wartebereich des Linzer Flughafens, trinken Kaffee, lesen Zeitung. Die meisten von ihnen reisen beruflich, tragen Anzug oder Kostüm und warten auf ihren Flug nach Frankfurt, der fast vollständig ausgebucht ist. Dem blue danube airport geht es bestens, könnte man nach dieser Momentaufnahme meinen. Doch in Wirklichkeit ist die Situation angespannt: In den vergangenen Monaten wurden besonders im Charter-Bereich einige Flüge gestrichen, Landeshauptmann Josef Pühringer forderte vor rund einem Jahr einen
„Totalrelaunch“. „Die Airlines haben heutzutage kein Risikokapital mehr“, sagt Flughafendirektor Gerhard Kunesch. Früher wäre noch mehr Geld vorhanden gewesen. „Da konnte man leichter auf Airlines zugehen und sie überzeugen“, erinnert sich Kunesch. Heute ist das anders. Wenn die Flughäfen zu den Airlines gehen, wollen die wissen: „Was habt ihr zu bieten?
Linz als Zentrum des Kreuzfahrt-Tourismus?
Geht es nach der neuen Arbeitsgemeinschaft aus führenden Köpfen des Tourismus und des Linzer Flughafens, soll Hörsching bald viel zu bieten haben. Und zwar nicht nur im sogenannten „Outgoing“-Verkehr, also den Flügen von Linz in die Welt. „Früher waren unsere Reiseveranstalter und Partner hauptsächlich damit beschäftigt, Passagiere in die Welt hinauszubringen“, sagt Manfred Grubauer, Obmann des Tourismusverbandes Linz, der mittlerweile auch im Aufsichtsratpräsidium des Flughafens sitzt. In Zukunft wolle man vermehrt Gäste nach Linz locken – und damit den „Incoming“- Verkehr ankurbeln. Eigentlich hat die Stahlstadt auf den ersten Blick keine guten Voraussetzungen dafür. Die Millionen-Metropole Wien bietet Touristen zahlreiche Sehenswürdigkeiten aus verschiedensten Epochen und ein umfassendes Kulturangebot, Salzburg kann mit Mozartkugeln, klassischer Musik und der Nähe zu Skigebieten auftrumpfen. Linz rückt angesichts dieser Konkurrenz in den Hintergrund – noch.
„Unsere neue Geschäftsidee ist der Flusskreuzfahrtstourismus“, sagt Grubauer. Linz soll ein Zentrum für jene werden, die vom Schiff aus Europa er- kunden wollen. Bereits jetzt gibt es die ersten Kreuzfahrtschiffe, die Richtung Straßburg oder Amsterdam die Donau hinauffahren. Das würde sich auch mit Flügen kombinieren lassen: Etwa mit der Maschine nach Frankfurt, mit dem Schiff wieder zurück nach Linz um cir- ca 220 Euro. Generell will die Arbeitsgemeinschaft die Internationalisierung vorantreiben. Auf lange Sicht sollen Gäste aus China, Süd- und Nordamerika über Linz ganz Europa vom Schiff aus erforschen.
Tourismusprojekte für die gesamte Region
Die Kunden des Linzer Airports – Airlines und Reiseveranstalter - sind mit der Zeit immer weiter gewachsen und haben sich zusammengeschlossen. Um gegenüber anderen Märkten zu bestehen, wollte man sich jetzt auch in Linz zusammenschließen“, sagt Kunesch. So würden Ideen entstehen, die vorher nie möglich gewesen wären. Das neue Konzept: Für die gesamte Donau-Moldau-Region sollen Tourismusprojekte entwickelt werden, die entweder den Flughafen, Linz oder die Region fördern.
„Das niederbayrische Bäderdreieck Bad Füssing, Bad Griesbach und Bad Birnbach hat zum Beispiel so viele Nächtigungen wie ganz Oberösterreich“, sagt Grubauer. Jeden Tag würde ein Bus von Berlin in die Kurregion fahren. „Warum hat da noch niemand gesagt: Die fliegen über Linz und werden dann dorthin gebracht?“, will er wissen. Er nennt ein weiteres Beispiel: Tausende Australier würden jährlich von Passau aus Donau- Kreuzfahrten unternehmen. Nur fliegen sie nicht über Linz, sondern das weiter entfernte München.
Um die Stahlstadt tatsächlich als Zentrum und touristische Anlaufstelle der Donau-Moldau-Region zu etablieren,muss sich jedoch noch einiges ändern. „Ich könnte seit vier Jahren im Winter russische Flugzeuge in Linz haben“, sagt Kunesch. Die Nachfrage für Skiurlaub in der Region wäre da. Nur: Die russischen Reiseveranstalter schicken Gruppen zwischen 160 bis 200 Personen. Kapazitäten, die kaum ein oberösterreichisches Hotel in der Nähe eines Skigebiets bieten kann. „Und in dutzende kleine Gaststätten wollen die ihre Gäste nicht aufteilen“.
Unberechenbare Lage im Charterbereich
Nicht nur am Ingoing, sondern auch am Outgoing-Konzept wird gefeilt. Der Schulterschluss mit Reiseveranstaltern und Reisebüros soll hergestellt werden. Wird etwa ein Flieger nicht voll, wolle man gezielt potentiellen Passagieren Schnäppchen anbieten, um damit sowohl den Passagieren, als auch den Veranstaltern zu helfen. „Grundsätzlich gibt es viele Urlaubsflüge von Linz weg“, erzählt Kunesch. Die Gründe dafür sind hohe Kaufkraft und niedrige Arbeitslosigkeit. Ryan Air wird beispielsweise ab Winter neben London auch die Kanaren anfliegen.
Sorgen bereitet hingegen die weiterhin unberechenbare Lage in Ägypten. Das Land gilt für den Linzer Flughafen als wichtigste Urlaubs-Destination im Winter, die Passagiere und Veranstalter sind aber verunsichert. Für die Anbieter gilt: je voller die Flugzeuge, desto besser.
Es ist viel rentabler, zwei voll besetzte Flugzeuge von Wien und Salzburg in die Urlaubsgebiete fliegen zu lassen, als drei halbvolle aus Wien, Salzburg und Linz.
blue danube Airport als Standortfaktor
Eine Macht ist der blue danube airport hingegen im Frachtbereich. Oberösterreich erwirtschaftet fast 60 Prozent seiner Wirtschaftsleistung mit Warenexporten. Pro Jahr wird am Linzer Flughafen doppelt so viel Luftfracht wie auf allen anderen Bundesflughäfen zusam- men abgefertigt. Vor kurzem eröffnete der insgesamt fünfte Frachthafen, ein neuer Großscanner für Waren wurde installiert. „Aufgrund des hohen Internationalisierungsgrades des Landes ist eine bestmögliche Erreichbarkeit besonders bedeutend“, sagt Rudolf Trauner, Präsident der Wirtschaftskammer Oberösterreich. Aber nicht nur für exportorientierte Wirtschaftszweige sei der Flughafen wichtig. „Generell sind alle direkt oder indirekt von der internationalen Anbindung des Standortes betroffen“. Insgesamt fünf Flughäfen liegen im direkten Einzugsgebiet Oberösterreichs – Wien, Salzburg, München und Bratislava. „Im Westen unseres Bundeslandes fällt aufgrund der geografischen Nähe die Wahl oft auf Mün- chen oder Salzburg“, erklärt Trauner. Trotzdem bekennt sich die Wirtschaftskammer klar zum Heimatflughafen Linz.
So ein klares Bekenntnis würde sich Grubauer auch von den oberösterreichischen Touristen wünschen. „Sie sollten gegenüber den lokalen Reisebüros sig- nalisieren, dass sie lieber aus Linz weg- fliegen wollen“. Denn: Geht es dem blue danube airport gut, geht es auch der heimischen Wirtschaft und dem Touris- mus gut, sagt er. „Der Flughafen gehört zur Hälfte dem Land und zur Hälfte der Stadt. Es ist unser Flughafen. Er sichert die Erreichbarkeit Oberösterreichs und ist ein wichtiger Standortfaktor für internationale Unternehmen“._
"Verein der Freunde des Flughafen Linz"
300 Menschen interessieren sich ganz bersonders für die Pläne des Linzer Flughafens: Die Mitglieder des „Vereins der Freunde des Flughafens Linz“. Vor mittlerweile mehr als 31 Jahren gründeten luftfahr- tinteressierte Techniker den Verein. „Wir sehen uns heute als Lobbyingverein für den blue danube airport“, sagt der stellvertretende Obmann und Linzer Chirurg, Dieter Anderle. Alle zwei Monate findet ein Vereinsabend statt, an dem der harte Kern teilnimmt. „Wir bieten auch immer wieder Tagesflüge und Kurzreisen an“, sagt Anderle. Er organisiert jedes Jahr mehrtägige Reisegruppen – die verschiedenste Länder weltweit als Ziel haben. Man will sich konstruktiv in die Gespräche mit der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat einbringen. Ein Ziel für die Zukunft: Den Verein für jüngere Generationen inter- essanter machen. Gemeinsam will man sich für den Flughafen ein- setzen und Positives bewirken. Die Mitglieder sind interessiert an der zivilen Luftfahrt und an Flugzeugen, einige von ihnen arbeiten auch in diesem Bereich.