Die Schallaburg in Niederösterreich macht Geschichte lebendig und lädt ihre Besucher:innen schon seit fast 50 Jahren ein, sich auf Reisen zu begeben. Reisen durch eine Vergangenheit, die bis heute in die Gegenwart wirkt und einen prägenden Einfluss auf das individuelle Leben der Gäste hat. Wir begeben uns mit Geschäftsführer Peter Fritz auf eine ganz persönliche Führung durch das Gesamterlebnis, das die Schallaburg heute ausmacht.
Noch hängt der Nebel tief über der vorbeiziehenden Landschaft. Doch schon von der Autobahn aus lässt sich auf Höhe Melk in der Ferne ein bemalter Turm umgeben von einem Renaissanceschloss ausmachen. Bald haben wir unser Ziel erreicht: die Schallaburg. Dort angekommen nimmt uns Peter Fritz, der seit 2020 Geschäftsführer der Schallaburg und der Niederösterreichischen Landesausstellung ist, mit auf eine Reise durch die Geschichte der „Kulturoase“, wie er sie nennt.
Unser erster Weg führt uns aus dem Arkadenhof mit den berühmten Terrakotten vorbei an der Gartenanlage. Die Beete zu unserer Rechten sind eine Verlängerung der Ausstellung „Sehnsucht Ferne“ aus dem Vorjahr. Es werden Pflanzen gezeigt, die die Entdecker:innen aus den Kolonien nach Europa gebracht haben. „Kulturelle Vielfalt wird hier einfach erklärt. Wir vermitteln in unseren Ausstellungen, dass Diversität und Zuwanderung Dauerbrenner in unserer Geschichte sind und letzten Endes immer einen Mehrwert gebracht haben“, erklärt Fritz.
Neues Gesamterlebnis
Die Schallaburg entstand zwischen 1000 und 1100 als mittelalterliche Burggründung und wurde um 1550 zu einem Renaissanceschloss umgebaut. Fritz betont: „Überall, wo ich hier durchgehe, atme ich entweder Renaissance oder das Ausstellungsthema ein.“ Denn in den letzten fünfzehn Jahren hat sich die Schallaburg vom Ausstellungszentrum hin zu einem Gesamterlebnis weiterentwickelt. Neben der jährlich wechselnden Ausstellung von März bis November können die Gäste auch das Schloss, die mittelalterliche Burg, die Außenanlage und das Restaurant besuchen. Ganz nach dem Motto: „Die Schallaburg ist mehr als einen Besuch wert.“ Wie sie es geschafft hat, zu einem Aushängeschild für Niederösterreich zu werden? „Ein Aushängeschild kann man nicht verordnen, man wird es, weil man von anderen so gesehen wird“, ist Fritz überzeugt.
Die Außenanlage oberhalb des Gartens wurde in den vergangenen sieben bis acht Jahren komplett saniert, sodass eine renaissancezeitliche Unterhaltungsanlage zum Vorschein kam. Früher wurde dort im Ballhaus Ball über die Schnur gespielt und in der Schießstätte auf bewegliche Ziele geschossen. Erstmals seit 420 Jahren können die Gäste nun hier Badminton spielen oder auch Bogenschießen. Vom Ballhaus zeigt sich ein beeindruckender Blick auf die Gartenanlage, die schon zu Renaissancezeiten ein Paradegarten war und Adeligen Inspirationen für ihre eigenen Gärten bot. Hier finden heutzutage Veranstaltungen wie Konzerte, ein Kunsthandwerksmarkt, ein Schmankerlfest oder kommendes Jahr wieder ein Weihnachtsmarkt statt.
Inspirationsort und Wissenszentrum
Am Weg durch den Garten erzählt uns Peter Fritz über die Motivation hinter seinem Job: „Wenn ich beim Fenster rausschaue und sehe, wie Menschen bei uns hineingehen und mit einem Lächeln wieder hinausgehen, dann weiß ich, wofür ich das mache.“ Darüber hinaus schätzt er das 60-köpfige Team hinter der Schallaburg und deren Begeisterung für ihr Tun sehr. „Unseren Auftrag sehe ich darin, dass unsere Arbeit einen Unterschied machen muss; dass wir Dinge tun, die bei den Menschen etwas verändern. Entweder weil sie inspiriert werden oder weil sie dadurch in Austausch mit ihrem Umfeld kommen“, betont Fritz. Die Schallaburg sieht sich dafür als Gastgeberin und als weit mehr als „nur“ ein Ausstellungshaus: „Wir bieten Kulturwellness und eine bewusste Auszeit zum Reflektieren.“
Wir bieten Kulturwellness und eine bewusste Auszeit.
Peter Fritz
Geschäftsführer, Schallaburg
Vom Garten führt Fritz uns vorbei am Drachenspielplatz für Kinder zurück in den Arkadenhof. Wir passieren den neu errichteten Escape Room, der die Geschichte der Schallaburg erlebbar macht, den Shop und das Restaurant und finden uns auf der Arkade wieder, die von renaissancezeitlichen Terrakotten gesäumt ist. Zeit, einen Blick in die Ausstellung zu werfen. Dieses Jahr war das Thema „Reiternomaden in Europa“. Noch keine Ausstellung vorher hat die Reitervölker nebeneinander und miteinander dargestellt und auch die Zusammenstellung der Leihgaben war einzigartig. Immer schon drei Jahre im Vorhinein wird das nächste Thema geplant. Das Besondere: Hierbei wird Forschung betrieben, um die Ausstellung zum Leben zu erwecken, und gleichzeitig entsteht neue Forschung aus ihr heraus. Die Schallaburg ist also auch unter Wissenschaftler:innen eine Art Wissenszentrum.
Für Fritz ist eines klar: „Unsere Aufgabe als Ausstellungshaus ist es, Dinge so aufzubereiten, dass sie die Menschen abholen und für möglichst viele verständlich sind.“ Besonders wichtig ist ihm dabei, dass Kinder und Erwachsene die Ausstellung gemeinsam erleben können. Für Kinder gab es in diesem Jahr ein Grabungstagebuch, mit dem sie die gesamte Ausstellung entdecken konnten und sich am Ende einen Schatz erarbeiten konnten. Denn: „Ein Museum muss auch so aufgebaut sein, dass Kinder die Möglichkeit haben, sich zu artikulieren.“
Blick in die Zukunft
Im nächsten Jahr steht das Thema „Kind sein“ im Mittelpunkt. Das Team der Schallaburg möchte, „dass die Erwachsenen die Welt wieder ein bisschen mehr mit den Augen von Kindern sehen“. Ziel wird sein, zu zeigen, was es heute und in der Geschichte hieß, Kind zu sein, und wie sich der Blick auf Kinder und die Kindheit in der Gesellschaft gewandelt hat. Zusätzlich zur Ausstellung wird es dazu ein Labor unter dem Titel „Jetzt verstehen wir uns!“ geben, das veranschaulichen wird, was es braucht, damit Menschen unterschiedlicher Generationen miteinander sprechen können.
Sogennante Arkadenhof-Gespräche führen die Gäste über die Ausstellung hin zu einem Austausch untereinander. Fritz ist überzeugt davon, dass in den kommenden Jahren die klassischen Grenzen zwischen Museum, Ausstellung und Veranstaltung verschwimmen werden und die Besucher:innen noch viel stärker eingebunden werden. Er wünscht sich jedenfalls, dass der Funke seines Teams auf die Gäste überspringt und die Menschen durch einen Besuch auf der Schallaburg Anregungen für ihr eigenes Leben finden. Wir sind uns nach dem Rundgang jedenfalls sicher: Hierher kommen wir gerne wieder zurück._
#Meilensteine
in der Geschichte der Schallaburg
1000-1100: mittelalterliche Burggründung
1300: Bau der Ringmauer
1500-1600: Umbau zum Renaissanceschloss durch die Losensteiner
bis 1945: in Privatbesitz
1955: das Schloss geht per Staatsvertrag an die Republik
1960er: die Idee entsteht, ein Kulturzentrum daraus zu machen
1974: erste Ausstellung der Schallaburg zum Thema „Renaissance“
ab 2014: die Außenanlagen werden zugänglich und man versucht stärker, mit den Themen eine Brücke in die Gegenwart zu schlagen
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