Der Joghurtbecher im Kühlschrank, die Schaumstoffmatratze im Schlafzimmer, der Sitz im Auto, das Blutentnahmeröhrchen beim Arzt oder der Rahmen eines Kunststofffensters – das Portfolio der Greiner Gruppe mit Sitz in Kremsmünster ist groß, die Produkte im täglichen Leben vieler Menschen allgegenwärtig. Die vier operativen Sparten sind weltweit vorne mit dabei: Greiner Packaging ist einer der führenden Verpackungshersteller im Food- und Non-Food-Bereich, Greiner Foam International zählt zu den erfolgreichsten Herstellern von Spezialschaumstoffen. Greiner Bio-One ist ein weltweiter Player im Bereich Medizintechnik, wo man mit der Erfindung des ersten Kunststoffröhrchens für Blut- und Urinproben bekannt geworden ist und die Greiner Extrusion Group ist laut eigenen Angaben Weltmarktführer bei Extrusionslinien, Werkzeugen und Komplettanlagen für die Profilextrusion. Begonnen hat alles im Jahr 1868 mit einem kleinen Gemischtwarengeschäft in Nürtingen, Baden-Württemberg. Carl Albert Greiner verkaufte dort auch Sodawasser aus der eigenen Quelle und verschloss die Flaschen mit selbstgefertigten Korkstopfen – so wurde der Kork zum Hauptprodukt. In den 1950er Jahren wurde aus Kork Kunststoff, die Familie kam mit Schaumstoffherstellern in Kontakt und begann Kunststoff zu verarbeiten und Schaumstoff mit hauseigenen Maschinen zu produzieren. Die Extrusionssparte kam in den 1980er Jahren durch zwei Firmenübernahmen dazu.
Obstverarbeitung im Industriebetrieb
„Die Familie hatte gute Beziehungen und suchte gleichzeitig im Umfeld der eigenen Produkte immer nach Verbesserungen und neuen Dingen“, sagt Vorstandsvorsitzender Axel Kühner über den Weg des Unternehmens von der Korkverarbeitung hin zur Verarbeitung von Kunststoff und der Schaumstoffproduktion. Das dadurch entstandene Produktportfolio, das schon mal als „Bauchladen“ wahrgenommen werden könne, unterliegt seit 2010 der konzernweiten Nachhaltigkeitsstrategie „Plastic for Life“. „Wir sind ein Spezialist in der Kunststoffverarbeitung und machen alles, was im Zusammenhang damit steht.“ Ausflüge in völlig fremde Bereiche, wie etwa die Obstverarbeitung, mit der die Nachkriegszeit überbrückt wurde, würde es heute nicht mehr geben. Sämtliche Bereiche rund um das aktuelle Geschäftsfeld seien aber wohl vorstellbar, erklärt Kühner. Ein wesentliches Erfolgsrezept der Greiner Gruppe, das sich in den vergangenen 150 Jahren durchgezogen hätte, sei auch die Fähigkeit, neugierig zu sein, und gleichzeitig die Flexibilität, loslassen zu können, wenn man sieht, dass etwas nicht erfolgreich ist. Ein Beispiel, wo man etwas losgelassen habe, sei etwa der Verkauf des ureigenen Geschäftes, der Korkproduktion. Oder einer der Tiefschläge der 150-jährigen Geschichte, die Schließung des Solargeschäftes im Jahr 2013.
Als einen Höhepunkt der vergangenen 150 Jahre nennt Kühner den Fall des Eisernen Vorhangs und den darauffolgenden konsequenten Weg von Greiner nach Osteuropa. Mittlerweile ist die Greiner Gruppe mit 139 Standorten in 33 Ländern der Welt vertreten. Europa ist der Heimatmarkt mit 76 Prozent des gesamten Umsatzes. Da andere Weltregionen aber deutlich schneller wachsen, wolle man bis 2020 zwei Drittel des Umsatzes außerhalb Europas erwirtschaften. Das schaffe man grundsätzlich mit den Ländern, wo man heute bereits aktiv ist, sagt Kühner und sieht etwa in Indien, China, Brasilien oder Mexiko noch viel Potenzial. Gleichzeitig gebe es aber auch noch genug „weiße Flecken“ auf der Erde, wo die Greiner Gruppe bislang nicht oder nur eingeschränkt vertreten ist. So hat man etwa mit Brasilien nur einen Betrieb in Südamerika, ist mit Südafrika nur einmal in Afrika vertreten und in Australien hat Greiner gar keinen Standort. Die aktuellen politischen Unsicherheiten seien „nicht förderlich für das Geschäft“: „Politische Unsicherheit führt zur Zeit zu Protektionismus – der Brexit ist das beste Beispiel dafür. Die Briten opfern tatsächlich den EU-Binnenmarkt für eine Abschottung gegen Migration und die USA setzen für diese Abschottung den Welthandel aufs Spiel.“ Greiner spüre eine gewisse Zurückhaltung bei Investitionen von Kunden. Bisher sei es aber „nicht dramatisch“ und man brauche darauf auch nicht speziell zu reagieren, weil man bereits sehr dezentral auf die einzelnen Märkte ausgerichtet sei. „Denn die Familie Greiner zeichnete sich immer damit aus, mutig in neue Märkte einzusteigen, als dieser Schritt noch nicht alltäglich und damit eine riesige Herausforderung war“, sagt Kühner und nennt als Beispiel den Einstieg in China Anfang der 90er Jahre.
Herausforderung Familienunternehmen
Beim Einstieg in neue globale Märkte präferiert Greiner die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern. So gründete man etwa vor vier Jahren gemeinsam mit einem lokalen Schaumstoffproduzenten ein Joint Venture. Dazu Kühner: „Das ist ein Markt mit ganz anderen Mechanismen und kulturellen Gegebenheiten und da macht es schon Sinn, wenn man nicht immer glaubt, dass man selbst alles am besten weiß.“ Diese Wachstumsstrategie sei auch „typisch Familienunternehmen – man setzt nicht alles auf eine Karte, sondern managt das Risiko vernünftig.“
Die Eigentümerfamilie habe immer allen im Unternehmen verantwortlichen Personen große Spielräume eingeräumt. Den größtmöglichen bekam im Jahr 2010 beim Rückzug der Familie aus dem operativen Geschäft Kühner als erster externer Vorstand. Kühner war zuvor bei der Daimler AG. Ihn reizte die Herausforderung, von einem Weltkonzern mit starren Hierarchien in ein verhältnismäßig kleines Familienunternehmen mit „einem ganz anderen Grad der Freiheit“ zu wechseln und als erster familienfremder Vorstand einen gewissen Wandel zu begleiten. Ziel sei es gewesen, die Strukturen des Unternehmens mit damals 7.000 Beschäftigten und rund einer Milliarde Euro Umsatz zu modernisieren, aber gleichzeitig das Wertegerüst des Familienunternehmens aufrecht zu erhalten. Man wolle das Beste aus der Welt großer Unternehmen mit Strukturen über die gesamte Gruppe mit der Flexibilität und Dynamik von kleineren Firmen verbinden. Die Bilanz nach acht Jahren lautet: „Es wäre vermessen zu sagen, dass wir schon am Ziel sind, aber wir sind mit den Veränderungen der vergangenen Jahre sehr zufrieden.“ Im Vergleich zur Vergangenheit plane man nun längerfristig und habe gleichzeitig gelernt, seine Pläne immer wieder zu hinterfragen und anzupassen. Ein Beispiel für eine Anpassung sei das Umsatzziel von ursprünglich 2,5 Milliarden Euro bis 2020. „Mittlerweile haben wir für uns gesagt, dass es auch in Ordnung ist, wenn wir bei 2 bis 2,5 Milliarden Euro landen – dafür wollen wir mehr Ergebnis erwirtschaften“, sagt Kühner. Zahlen zur Profitabilität nennt Greiner keine. Im Geschäftsjahr 2017 wurde mit erstmals mehr als 10.000 Mitarbeitern die 1,5 Milliarden Euro-Umsatzgrenze geknackt.
Diskussion über Plastikmüll
Das Wachstum konnte man bisher immer selbst finanzieren und daher war ein Börsengang für die gesamte Gruppe nie wirklich ein Thema. Dazu komme, dass „ein Konstrukt, das von außen schon mal als Bauchladen wahrgenommen wird, auch nicht gerade das ist, was die Börsen heute besonders attraktiv finden“. Für Greiner Bio-One gab es 2000 einmal die Idee dafür, aber das Projekt wurde dann aufgrund der 9/11-Thematik wieder verworfen und später konnte man das Wachstum auch anders finanzieren. Für die Zukunft schließt Kühner einen Börsengang für einzelne Sparten grundsätzlich nicht aus – solange es aber andere Finanzierungsmöglichkeiten gibt, werde die Börse weiterhin kein Thema sein. Ein sehr aktuelles Thema hingegen sind die Diskussionen über Plastikmüll in den Weltmeeren und die Überlegungen auf EU-Ebene zur Einführung einer Abgabe auf nicht-recyclingfähige Materialien. Kühner begrüßt diese Diskussionen: „Es ist wichtig, dass wir uns als Individuum und als Unternehmen klarmachen, wie wir mit Müll umgehen. Obwohl Europa nur für rund zwei Prozent des globalen Plastikmülls verantwortlich ist, darf es sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Wir müssen das Problem gemeinsam angehen.“ Europa soll dabei vorangehen und den weltweiten Aufbau von Abfallwirtschaftssystemen vorantreiben. Nur so könne das Müllproblem gelöst werden. Das Credo von Greiner sei auch nicht, je mehr Kunststoff, desto besser, sondern überall dort Kunststoff einzusetzen, wo er besser als andere Materialen ist. Wie etwa der Joghurtbecher im Kühlschrank._