Montagnachmittag. Dana bereitet sich auf ihren morgigen Kurstag vor. Sie markiert die wichtigsten Passagen mit einem Textmarker. Da die Markierungen schon etwas blass werden, bestellt sie nebenbei schnell online eine neue Packung. Die Stifte werden bereits am nächsten Tag geliefert. Vier Stunden später steht ihr Partner Tom nach der Arbeit unter der Dusche und bemerkt, dass das Duschgel fast leer ist. Während des Zähneputzens bestellt er schnell online ein neues, das bereits am nächsten Tag bis vor die Haustür geliefert wird. Als die beiden einige Zeit später mit einer Schüssel Popcorn im Bett liegen und fernsehen, fällt die Schüssel wegen einer Unachtsamkeit zu Boden und zerbricht. Während Dana Bartwisch und Schaufel zum Wegputzen holt, bestellt Tom schnell online eine neue Schüssel. Lieferzeit ist bereits morgen. Es ist die dritte Paketbestellung der beiden an diesem Tag, und wenn es nach Logistikexperten geht, wird zukünftig nicht nur der Alltag von Dana und Tom so aussehen. Es gibt Schätzungen, wonach die junge Generation zukünftig durchschnittlich bis zu 400 Pakete pro Jahr bestellen wird.
Jetzt könnte man annehmen, dass solche Schätzungen für die Firma Schwingshandl, die mit 50 Mitarbeitern für Firmen aus sämtlichen Branchen innerbetriebliche Logistikanlagen baut, den Geschäftserfolg für die nächsten Jahre sichert. Doch so einfach ist es nicht. „Wir werden möglicherweise in zehn Jahren ein ganz anderes Geschäft machen“, sagt Eigentümer und Geschäftsführer Thomas Schwingshandl. Unternehmenspartner und Vertriebsleiter Enrico Larcher erklärt, warum: „Die Digitalisierung ermöglicht uns einen unkomplizierten Datenaustausch, in den vergangenen Jahren ist dieser regelrecht explodiert. Die Datenflut, die nun auf uns zukommt, können wir mit unserer Hardware aber irgendwann nicht mehr bewältigen.“ Die Bestellungen müssten auch physisch gehandelt werden und am Ende des Tages ist der Transport nicht mehr machbar, es gibt in der Luft oder auch auf der Straße nicht mehr genügend Platz. „Wenn jeder alles im Internet bestellt, ist das ökologischer Wahnsinn. In Wirklichkeit lügen wir uns selber an, weil das System funktioniert nur, weil wir nicht die wahren Transportkosten bezahlen müssen und dafür Leute aus dem Osten ausbeuten.“
Madenzucht in Afrika
Die extreme Warensteigerung in den vergangenen Jahren habe dazu geführt, dass der Roboter- und Automatisierungsgrad in den Warenhäusern drastisch gestiegen ist. Die Maschinen wurden so weiterentwickelt, dass sie eine immer höhere Anzahl an Waren abwickeln können. Als „oberste Liga“ bezeichnet Schwingshandl Roboter, die unterschiedliche Artikel erkennen, nach diesen greifen und auf verschiedenen Ladehilfsmitteln statisch korrekt stapeln können. Für die „letzte Meile“, also den anschließenden Weg der Ware bis zum Kunden, gibt es eine Reihe von Ansätzen, aber es zeichne sich noch keine wirkliche Lösung ab. Als zwei große Möglichkeiten werden der Drohnen- und Röhrenverkehr sowie 3D-Drucker, um die Waren lokaler zu produzieren, genannt. Ersteres hält Schwingshandl für eine höchst sinnvolle Lösung, wo innovative Shuttle für den „Röhrenverkehr“ und Automatisierungslösungen für diese „Bahnhöfe“ notwendig werden. Der Lkw-Verkehr könne nur so minimiert werden. 3D-Drucker könnten aber zukünftig in vielen Bereichen genutzt werden und diese seien auch für Schwingshandl interessant, da man dafür verschiedene logistische Anlagen und Maschinen brauche. Das Unternehmen aus Holzhausen setze auch bereits einzelne Projekte in diesem Bereich um, so wurde etwa eine Reihe von 3D-Druckern für die Metallindustrie verkettet: „Es gibt mittlerweile 4D-Drucker in Forschungslabors, die eine komplette Maschine inklusive der elektronischen Steuerung drucken können. Das große Problem ist noch die lange Produktionszeit, die man aber durch die Verkettung von mehreren Maschinen umgehen kann. Dafür braucht es Logistik- und Fördertechnik, das könnte zu einem interessanten Geschäft für uns werden.“
Die ungewisse Zukunft macht den Unternehmern daher keine Sorgen. Ganz im Gegenteil: „Wir sind als klassischer Nischenanbieter, der sich permanent mit neuen Technologien beschäftigt, offen für alles, was im weitesten Sinne mit Maschinenbau und Automatisierungstechnik zu tun hat.“ Als Beispiele für innovative Projekte, an denen man bereits mit Start-ups arbeitet, nennen die Firmeneigentümer eine Madenzucht am afrikanischen Kontinent und ein Vertical-Farming-Projekt in Europa. Unter Vertical Farming versteht man Gemüseanbau in Hochhäusern. Die Pflanzen wachsen in einer Wasserlösung, eine LED-Beleuchtung sorgt für das nötige Licht. Schwingshandl plant ein System, mit denen die Pflanzen je nach ihrem Lebenszyklus zu verschiedenen Zonen mit unterschiedlichen Bedingungen gebracht werden. Ähnlich ist es bei der Madenzucht, wo die Tiere maschinell je nach Entwicklungszyklus in Behältern transportiert werden sollen. Maden werden als Lebensmittel der Zukunft genannt, die man im großen Stil aus Bioabfällen züchten könne.
Lehrgeld bezahlt
Schwingshandl habe sich seit der Firmengründung im Jahr 2003 als innovatives Unternehmen am Markt mit aktuell 50 Mitarbeitern spezialisiert. Thomas Schwingshandl startete das Unternehmen als reines Engineeringbüro. Relativ schnell zeigte sich, dass man die Maschinen auch produzieren müsse. Der damit verbundene weltweite Vertrieb war alleine nicht zu bewältigen und so ging 2004 mit Enrico Larcher ein Ex-Arbeitskollege und Mitgesellschafter an Bord. „Wir haben immer wieder was Neues probiert. Dabei haben wir eine Reihe von Fehlern gemacht und bezahlten dafür auch viel Lehrgeld – aber das gehört dazu. Am Ende des Tages muss es sich halt wirtschaftlich ausgehen und das haben wir immer geschafft.“ In Zukunft müsse man als Unternehmen noch viel stärker über seine eigenen Grenzen gehen und auch optimistisch der Tatsache ins Auge sehen, dass der Unternehmenszweck in ein paar Jahren ganz ein anderer sein kann: „Zu glauben, dass es dasselbe Geschäft, mit dem wir heute Geld verdienen, in fünf Jahren auch noch so gibt, ist in Zeiten der extremen technologischen Entwicklungen und Digitalisierung definitiv vorbei.“ Schwingshandl realisiert aktuell mit einer Exportquote von 70 Prozent die Mehrheit der Anlagen in Europa, darüber hinaus werden vereinzelt weltweit Projekte umgesetzt. Als Beispiel für Projekte, bei denen das Unternehmen weltweit unterwegs ist, nennt Larcher die Flughafenbranche, für die man Maschinen für Speicher von Passagiergepäck baut. Die größten Konkurrenten sind meist die eigenen Kunden in Form von Generalunternehmern, die für die gesamte Logistikanlage beauftragt werden. Schwingshandl entwickelt und produziert einzelne Maschinen für die gesamte Anlage, man versteht sich als Dienstleister, der von Beginn an beratend tätig ist. Steuerung und IT kommen vom Generalunternehmen. Es entwickelten sich gute Partnerschaften: „Wir haben uns bewiesen, indem wir bei den Problemen mit all unseren Möglichkeiten bis zum Ende nach einer Lösung suchen.“ Und an dieser Ausrichtung soll sich nichts ändern, man wolle nicht übermäßig wachsen, sondern sich in der Nische weiter positionieren.
Als eine große Herausforderung dabei nennen die beiden Firmeneigentümer das Thema „Mitarbeiter“. Es gelte in Zeiten des Fachkräftemangels, überhaupt einmal genug Leute zu finden. Weiters bräuchten diese die richtige Qualifizierung und man müsse sich auf die Wünsche der neuen Generation einstellen, um die Leute auch langfristig halten zu können. Während früher Karriere und Gehalt sehr wichtige Werte gewesen seien, müsse man den Mitarbeitern nun einen attraktiven Arbeitsplatz bieten, an dem man ihnen möglichst viel Freiheit lässt und Werte wie Anerkennung und Wertschätzung gelebt werden. Weiters ist die Balance zwischen Freizeit und Arbeit ganz wesentlich: „Früher hat man geglaubt, die Mitarbeiter brauchen einen Fitnessraum – aber genau das Gegenteil ist der Fall, die Leute wollen die Zeit nach der Arbeit daheim mit der Familie verbringen.“ Schwingshandl erweitert daher aktuell die Bürofläche um eine Chill-out-Area mit Liegesesseln, die man während der Mittagspause, aber teilweise auch während der Arbeitszeit nutzen könne, sowie ein Mitarbeiterrestaurant. Es wird dann täglich warmes Essen geliefert: „Damit kommen wir wieder dem Wunsch entgegen, früher nach Hause zu kommen, denn dann brauchen sie nicht extra zum Mittagessen wegzufahren.“ Die Firma Schwingshandl hat ihren Sitz im ländlichen Holzhausen, in unmittelbarer Nähe gibt es keine Verpflegungsmöglichkeiten. Die ländliche Gegend biete die Vorteile, staufrei anreisen zu können, es gibt keinerlei Parkplatzprobleme und die Mitarbeiter arbeiten mit Blick ins Grüne, wo mit etwas Glück gerade ein Hase vorbeihoppelt.
Die Mitarbeitersuche bewältige man „antizyklisch“, wenn sich geeignete Bewerber melden, werden diese auch aufgenommen: „Es würde nicht funktionieren zu sagen, wir brauchen zu einem bestimmten Zeitpunkt neue Leute.“ Bei der noch einmal schwierigeren Suche nach Monteuren setze man zunehmend auf Fremdmontagefirmen. Lehrlinge wurden bisher noch keine ausgebildet. Im Produktionsbereich ist das aufgrund der Größe nicht möglich, im Büro sei das aber durchaus eine Überlegung für die Zukunft. „Das hängt ein bisschen davon ab, ob das Schulsystem zukünftig vielleicht doch einmal modernisiert wird. Aktuell haben wir ja noch das Schulsystem aus der Zeit Maria Theresias“, kritisiert Schwingshandl und nennt gleichzeitig für eine Modernisierung Stichwörter wie Teamarbeit, Kreativität, soziale Kompetenz, Fehlerkultur, Talenteförderung. „Wenn wir keine Fehler zulassen, verbessern wir uns nicht. Unsere Schüler werden aber ausschließlich nach ihren Fehlern beurteilt und besonders die Schwächen gefördert.“ Die technischen Ausbildungen seien grundsätzlich nicht schlecht, es sollte aber ein größerer Schwerpunkt auf Kommunikation, Englisch sowie Innovationsmanagement gelegt werden. Denn damit Paare wie Dana und Tom auch zukünftig mit Textmarker, Duschgel und Schüsseln versorgt werden, brauche es nun völlig neue Ideen, so Schwingshandl und nennt dabei einen Marktführer für Sanitärprodukte als Beispiel, dass dies auch möglich ist. Dieser Hersteller brachte das erste per App gesteuerte WC mit automatischer Urinanalyse auf den Markt. „So wie der WC-Hersteller damit in den Gesundheitsbereich eingestiegen ist, kann es uns gelingen, in zehn Jahren für die CO2-Reduktion mitverantwortlich zu sein.“_