Als die Mechatronik vor 20 Jahren aufkam, gehörten österreichische und speziell Unternehmen im Linzer Zentralraum zu den Vorreitern. Davon profitiert die Wirtschaft heute noch. Nun ist mit Industrie 4.0 und der Digitalisierung der nächste Wandel im Gange. Um nicht den Anschluss zu verlieren, müssen heimische Unternehmen experimentieren und ihr eigenes Geschäftsmodell in Frage stellen.
Woodstock 1969: Hunderttausende Hippies feiern, tanzen und träumen von einer besseren Welt. Die Veranstalter rechneten mit 40.000 Besuchern, die Themen „Love, Peace and Music“ bewegten aber schließlich viel mehr. Was das mit Industrie 4.0 zu tun hat? „Unternehmen bewegt heute das Thema Digitalisierung genauso, jeder zerbricht sich den Kopf darüber, wie man die Entwicklungen für sich nutzen kann“, sagt Klaus Sickinger, Geschäftsführer von SAP Österreich. Dem Rock- und Bluessänger Joe Cocker verhalf das Woodstock-Festival zum endgültigen Durchbruch, er hatte den Zeitgeist erkannt. „Ich bin davon überzeugt, dass es auch heimische Unternehmen geben wird, die das Thema Digitalisierung so gut für sich nutzen werden, dass sie langfristig massiv davon profitieren können“, meint Sickinger. „Aus diesem Grund haben wir bei unserem jährlichen SAP Summit, der diesmal in Linz stattfand, die Analogie Festival und Woodstock gewählt“, sagt Sickinger. Zahlreiche Unternehmen und SAP-Kunden informierten sich bei der Veranstaltung im Linzer Design Center über die Vernetzung verschiedener Geschäftsbereiche und die daraus folgenden Herausforderungen für das eigene Geschäftsmodell.
Große Chance für KMU
„Wir beobachten momentan, dass verschiedene Technologien zusammenwachsen: die Informationstechnologie, die Produktionstechnologie oder die Sensorik. Dadurch ergeben sich neue Wertschöpfungen und Dienstleistungen“, erklärt Sickinger. Das sei auch die große Herausforderung für die heimische Wirtschaft, denn: „Kaum ein Unternehmen hat die Expertise, in allen Bereichen gleichzeitig führend zu sein. „Es gelte also, Synergien zu nutzen, Entwicklungspartnerschaften zu gründen, um gemeinsam zu profitieren. „Vor 20 Jahren haben die heimischen Unternehmen das schon hervorragend mit der Mechatronik gemeistert“, so Sickinger. Damals war der oberösterreichische Zentralraum führend. Auch heute hat sich Oberösterreich zum Ziel gesetzt, bei den neuen Entwicklungen zu den Vorreitern zu gehören. Ist das realistisch? „Wir sind zwar global gesehen derzeit nicht Spitzenreiter, können aber auf eine gute Ausgangslage bauen. Ich glaube, das ist realistisch“, meint Sickinger. Besonders große Chancen für heimische KMUs sieht er durch Cloudlösungen. „Für mittelständische Unternehmen wird es schwierig, bei immer steigenden Anforderungen an Infrastruktur und Technologie das ganze Know-how selbst im Haus zu haben“, sagt er. Durch professionelle Cloudanbieter sei es aber möglich, den selben Stand der Technologie wie die Großen zu verwenden.
Bagger kommunizieren
Zu dieser Kategorie zählt auch Wacker Neuson. Das Münchner Maschinenbauunternehmen mit großem Produktionsstandort in Hörsching gründete 2015 eine eigene Abteilung, die sich mit Digitalisierung beschäftigt. „Ein normaler evolutionärer Prozess. Wenn Dinge möglich werden, werden sie auch gemacht“, sagt der IT-Konzernverantwortliche Anton Müchler. Wie etwa die Lokalisierung aller Lagerbestände. Mittels einer App werden die fertigen Maschinen per Bluetooth erkannt, lokalisiert und die erfassten Daten bei SAP zur Weiterverarbeitung gespeichtert. „Sämtliche Maschinen werden digital vernetzt. Ziel ist es, dass sowohl Kunden als auch Mitarbeiter davon profitieren“, sagt Müchler Bei der Bauma 2016 in München präsentierte man einen neuen Radlader, mit dem die Anwender per App kommunizieren werden können, um etwa den Ladezustand zu erfahren. Die Bagger selbst kommunizieren dem definierten Empfänger vorausschauend, wann und wie sie gewartet werden müssen und wie ihr derzeitiger Status ist.
Um bei der Digitalisierung nicht den Anschluss zu verlieren, ist es für Sickinger maßgeblich, bei der Umsetzung zu experimentieren. „Man muss sein eigenes Geschäftsmodell, sein eigenes Setup ein Stück weit in Frage stellen“, sagt er, „das ist natürlich keine bequeme Aufgabe.“ Er habe aber das Gefühl, dass besonders bei eigentümergeführten Unternehmen ein hohes Bewusstsein da sei. „Es passiert viel, auch die Industriellenvereinigung und andere Organisationen bieten zahlreiche Kooperationsmodelle an.“ SAP selbst ist unter anderem an einer Entwicklungspartnerschaft im Hamburger Hafen als Softwareanbieter beteiligt. Gemeinsam mit der Deutschen Telekom, die für die Anbindung der Telematiksysteme zuständig ist und dem Logistikexperten Dakosy wird eine Echtzeit-Logistiklösung auf einer SAP-Coud-Plattform umgesetzt. Der Hafen will seinen Warenumschlag verdoppeln, kann aber auf der sehr begrenzten Fläche nicht mehr wachsen. Man entwickelt vernetzte und in Echtzeit optimal abgestimmte Verkehrsleitsysteme, die eine Steigerung des Warenumsatzes bringen sollen. „Wir wollen nicht nur den Verkehr im Hafengelände selbst optimieren, sondern auch den Schiffsverkehr, der sich dem Hafen nähert“, erklärt Sickinger. „Ein schönes Beispiel für Industrie 4.0, bei dem durch die Zusammenarbeit von verschiedenen Branchen ganz neue Modelle auf die Beine gestellt werden können.“_