Georg Feilmayr erinnert sich genau an das folgenreichste Telefonat seiner beruflichen Laufbahn – ausgerechnet im Jubiläumsjahr 80 Jahre nach der Firmengründung durch seinen Großvater. Es ist der 17. April 2013, exakt 18:15 Uhr. Der Geschäftsführer sitzt in seinem Büro, geht die Aufträge der vergangenen Wochen durch, als sein Smartphone klingelt. Ein Bekannter meldet sich.
„Hast du schon gehört? Die Firma Golser steht zum Verkauf“. Der alteingesessene Betrieb liefert fast exklusiv für Gleisbaumaschinen-Weltmarktführer Plasser & Theurer und ist seit Jahrzehnten eine fixe Größe in Linz. Die beiden Unternehmen haben vorher schon zusammengearbeitet – umso überraschender ist die Situation für Feilmayr. Seine erste Reaktion: „Und ich soll die jetzt kaufen? Spinnst du?“ Er legt auf und widmet sich wieder den Unterlagen. Auch wenn er mit 52 Jahren noch lange nicht zum alten Eisen gehört - die Pension wirkt auf den ersten Blick näher als die Übernahme eines gleich großen Unternehmens.
Doch die Angelegenheit lässt ihn nicht los, in der Nacht nach dem Gespräch macht er kein Auge zu. Am nächsten Tag steht in der Früh eine Controlling-Sitzung an, die er gleich zu Beginn unterbricht: „So, jetzt legen wir alles andere zur Seite – beschäftigen wir uns einmal mit der Firma Golser.“ Bei der Prüfung der Unternehmenszahlen im Firmenbuch stellt sich schnell heraus – Golser ist gut aufstellt. Verkauft wird, weil sich keine Nachfolger finden. Dann geht al- les Schlag auf Schlag. „Am 18. April sind wir aktiv geworden, am 19. April haben wir Kontakt aufgenommen und am 28. war schon alles fertig zur Betriebsübernahme“, sagt Feilmayr. Alle Mitarbeiter sind zu diesem Zeitpunkt schon auf Jobsuche, bis dahin hatte es keinen anderen Interessenten gegeben. Als die Übernahme fixiert ist, geht jedoch kein einziger. In einem spontan einberufenen Seminar werden Wünsche und die gemeinsame Zukunft beschlossen. Für Feilmayr und sein Unternehmen ist es ein großer Schritt: Sein Personalbestand erhöhte sich mit einem Schlag von 23 Personen auf insgesamt 44.
"Eigentlich bin ich ja schon fast seit dem Säuglingsalter mit dem Unternehmen liiert."
Georg Feilmayr
Georg Feilmayr schlägt also ein neues Kapitel in der 80-jährigen Firmengeschichte auf. Die Stahl- u. Metallbau GmbH wurde 1933 vom Schlossermeister Franz Feilmayr gegründet, schnell entwickelte sich das Unternehmen zu einem Spezialisten für Portale, Überdachungen, Türen, Stiegen oder Geländer aus Stahl. Später leiten seine Söhne Georg sen. und Johann den Betrieb, 1981 kommt der heutige Geschäftsführer Georg jun. in die Firma. „Eigentlich bin ich ja schon fast seit dem Säuglingsalter mit dem Unternehmen liiert“, sagt er. Schon als Kleinkind führte ihn sein Großvater durch den Betrieb. Früh ist klar, dass er das Handwerk von der Pike auf erlernen und eines Tages die GmbH leiten will. „Anfangs habe ich als ganz normaler Schlosser mitgearbeitet, 1986 dann die gewerbliche Meisterprüfung abgeschlossen.“, erzählt Feilmayr. Ab dem Zeitpunkt ist er auch in der Kalku- lation tätig. Das Know-How dafür eignet er sich in einer „Vielzahl“ von WIFI- Kursen an. Im Vergleich zu den 80er und 90er-Jahren hätte sich einiges im Geschäft verändert. Der Konkurrenz- kampf sei enorm – große Firmen hätten früher bei kleineren Ausschreibungen gar nicht mitgemacht, mittlerweile würden sie auch von außerhalb in den oberösterreichischen Raum strömen.
„Während die Lohn- und Materialkosten steigen, sollen die Produkte billiger werden“, sagt Feilmayr. Stolz ist er auf seine Fachkräfte im Betrieb: Wurden sie früher von großen Industriebetrieben wie der voestalpine großteils abgeworben, bleiben heute fast alle der Firma treu. Mindestens 80 Prozent der Gesellenfacharbeiter kommen aus den eigenen Reihen und haben in der Firma gelernt. Seit 2001 leitet Feilmayr das Unterneh- men. Eines hat sich in all den Jahren aber kaum geändert: die zahlreichen Überstunden. „16 bis 18-Stunden-Tage waren früher nicht unbedingt die Ausnahme, 16-Stunden-Tage passieren mir auch heute noch immer wieder“, sagt er. Wie viele Stunden sind die Regel? Etwa zwölf bis vierzehn.
Der nächste Zufall
Die Übernahme der „Metalltechnik Josef Golser GmbH“ sollte 2013 nicht der einzige Meilenstein für Feilmayr und sein Unternehmen bleiben. Nur etwa einen Monat nach dem schicksalsträchtigen Telefonat sind die Büroräume der Feilmayr GmbH schon wieder Schauplatz einer Unterhaltung, welche die Zukunft des Unternehmens weiter verändern soll. „Ein Maler war bei uns und hat die Büros ausgemalt – ich sag ihm – na, du verbrauchst aber viel Farbe!“, erzählt Feilmayr. Die Antwort darauf: „Das ist noch gar nichts, ich komme gerade von der Primetzhoferhalle, dort wurden die ganzen Arbeitsmaschinen versteigert und die Halle saniert, da hatten wir viel zu tun – die steht jetzt leer.“ Feilmayr sucht zu diesem Zeitpunkt schon intensiv nach einem neuen Standort, am aktuellen mitten im Wohngebiet beschweren sich ständig Anrainer. Der Maler bemerkt sein Interesse, kennt zufällig den Investor der Halle und vermittelt den Kontakt. Die Halle mit 3100 Quad- ratmetern Werkstätten-Fläche wird für zehn Jahre gemietet, mittlerweile übersiedelte Golser zum neuen Standort, die Feilmayr-Werkstätte folgt Ende März.
Der Sitz des Unternehmens bleibt aber weiterhin in der Wiener Straße. „Die Geschichte mit der Halle war der zweite glückliche Zufall innerhalb einer kurzen Zeit, und wir wussten, dass wir schnell eine Entscheidung treffen mussten, sonst wäre sie weg gewesen“, erzählt Feilmayr, während wir den neuen Standort besichtigen. Der Geschäftsführer spaziert an gewaltigen Metallabdeckungen und einem massiven Motorblock vorbei, witzelt mit Mitarbeitern. Dann ein schneller Blick auf die Uhr: Wir müssen uns beeilen, denn der nächste Termin wartet bereits. Herzstück des neuen Standorts ist ein gewaltiger Laser im Wert von 500.000 Euro, der Stahl genau und zeitsparend zuschneiden kann. „Neben Golser und der neuen Halle war das die dritte massive Investition im vergangenen Jahr“, sagt Feilmayr, was nach allem anderen klingt, als dem Wunsch, bald einmal kürzer zu treten.
"16 bis 18-Stunden-Tage waren früher nicht unbedingt die Ausnahme, 16-Stunden -Tage passieren mir auch heute noch immer wieder."
Georg Feilmayr
Jahrzehntelang galt die „Franz Feilmayr Stahl- u. Metallbau GmbH“ als klassisches Familienunternehmen. Mittlerweile ist Georg der letzte Feilmayr im Betrieb. Onkel und Tante sind pensioniert, sein Vater Georg senior starb überraschend vor fünf Jahren. „Einer meiner Söhne schließt heuer sein Universitätsstudium ab und interessiert sich für den Betrieb. Dass er alles übernehmen wird, ist aber eher unwahrscheinlich“, sagt Feilmayr. Sein anderer Sohn lernte zwar im Betrieb, kehrte ihm aber vor zwei Jahren den Rücken. Als letztes Familienmitglied in einem traditions- reichen Familienunternehmen – wie ist das? „Ich gebe ungern Verantwortung aus der Hand, so bin ich auch erzogen worden“, erklärt der Geschäftsführer. Trotzdem sieht er durch die Übernah- me im vergangenen Jahr und die neue Werkstätte die Möglichkeit, sich mittel- fristig etwas zurückzuziehen. Durch die Verschmelzung der Betriebe soll die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt werden. „Das heißt nicht, dass ich in Pension gehe, sondern nur, dass die Betriebsleitung in absehbarer Zeit vielleicht nicht mehr nur noch mir obliegen soll“, sagt Feilmayr. „Derzeit geht es aber noch nicht ohne mich“, fügt er rasch hinzu. Die Ziele sind klar gesetzt. „Derzeit sind wir als Betrieb im Baunebengewerbe sehr abhängig von der Baubranche.“ Mit der Übernahme soll sich das ändern: „Wir möchten Nummer Eins für die Firma Plasser & Theurer werden – dazu müssen wir weiterhin mit Termintreue und qualitativ hochwertigen Produkten punkten.“_