Die Thalheimer RICO Group gehört zu den weltweit führenden Anbietern von Silikonspritzguss-Werkzeugen. Die strategische Ausrichtung soll sich auch nach der 100-prozentigen Übernahme durch die Semperit Gruppe nicht ändern, derzeit läuft ein Ausbau der Produktions- und Bürofläche.
Am Schreibtisch von Markus Nuspl steht eine große Schachtel voller bunter Silikonteile. Sie haben eine Gemeinsamkeit: Alle werden in unterschiedlichsten Produkten weltweit verbaut. Der RICO Elastomere Geschäftsführer kramt kurz in der Box. „Dieses Teil hier wird in Kaffeemaschinen eines bekannten Herstellers verwendet“, erklärt er. Noch ein gezielter Griff. „Hier haben wir Abdichtungen für Geschirrspüler.“ Duschköpfe, Babyschnuller, Autos: Die Liste an Produkten aus dem täglichen Leben, in denen Teile enthalten sind, die mit komplexen Silikonspritzgusswerkzeugen von RICO hergestellt werden, ist lang. „Wir haben technologisch in unserer Nischenbranche den Ruf, die schwierigsten Teile auf qualitativ höchstem Niveau herstellen zu können“, sagt Nuspl, der das größte Tochter-Unternehmen der RICO Group in Thalheim seit 2018 leitet. Die Stärke des Unternehmens ist die Genauigkeit. „Wir müssen unsere Werkzeuge auf den Mikrometer genau abstimmen“, sagt Nuspl. Zum Vergleich: Ein Haar ist zwischen 30 und 70 Mikrometer dick.
Für Nuspl dürfte es momentan eine der intensivsten Zeiten bisher in seiner Position sein. Derzeit werden nebenan auf einem 25.000 Quadratmeter großen Areal neue Produktionshallen gebaut; im April wurde die RICO Group zu 100 Prozent an Semperit verkauft, der Deal soll im Spätsommer abgeschlossen sein. „Für viele Personen kam das sicher sehr überraschend“, sagt Nuspl. An der strategischen Ausrichtung soll sich im Unternehmen aber nicht viel ändern – geplant sei, den bisherigen Wachstumskurs weiter fortzuführen, die Technologie weiterzuentwickeln und „technische Teile auf dem höchsten Qualitätsniveau“ zu produzieren. In den nächsten Wochen und Monaten startet der Integrationsprozess. „Wir werden im Konzern als eigene Division laufen, bleiben also als Gruppe zusammen und werden nicht zersplittert, wie es bei einer Integration in andere Konzerne vielleicht der Fall gewesen wäre“, sagt Nuspl. Grund für die Übernahme ist eine geregelte Nachfolge, die drei Eigentümer und Gründer Johannes Grabner, Alfred Griesbaum und Gerhard Kornfelder stehen kurz vor der Pension.
Vollautomatische Produktion über Nacht
RICO hat eine rasante Erfolgsgeschichte hinter sich: 1994 als kleines Werkzeugbauunternehmen gegründet, entwickelte man sich rasch zu einem weltweit führenden Anbieter für Silikonspritzguss-Werkzeuge. In der Anfangsphase entwickelte man die Technologie für Kunden, die damit selbst Teile aus Silikon in großen Stückzahlen produzierten. „Mit der Zeit sind immer mehr Kunden an uns herangetreten, ob wir nicht speziell bei hochkomplexen Teilen für sie die Produktion übernehmen könnten“, erklärt Nuspl. Mittlerweile stehen etwa 80 Spritzgussmaschinen in den Hallen von RICO. Die Produktion funktioniert vollautomatisch, die Maschinen laufen von 18 bis 6 Uhr im Werk, ohne dass ein:e Mitarbeiter:in anwesend ist.
Bereits 2018 wurde am Areal ausgebaut, damals verdoppelte man die Produktionsflächen. „Viereinhalb Jahre später war alles voll“, sagt Nuspl. Die neuen Produktionshallen liefern zusätzliche Kapazitäten, die bis etwa 2030 reichen sollen. „Wir sind froh, dass wir uns ein Grundstück direkt nebenan sichern konnten, für uns ist es wichtig, alle Mitarbeiter:innen an einem Standort zu haben, auch für das Zusammengehörigkeitsgefühl.“ Das neue Gelände ist nur wenige Minuten zu Fuß entfernt. Am Tag unseres Besuchs findet die Gleichenfeier statt, Nuspl klettert auf ein Gerüst und inspiziert den Baufortschritt. „Im ersten Ausbauschritt erweitern wir um etwa 10.700 Quadratmeter, es kommen drei zusätzliche Produktionshallen dazu“, erklärt er. Auch Büroflächen, ein großer Bereich für Hochregallager, ein Expeditbereich und Prüflaboratorien entstehen.
Hoher Anspruch an Mitarbeitende
„Im Produktionsbereich sind wir in den vergangenen Jahren sehr, sehr stark gewachsen“, sagt Nuspl, „teilweise mit mehr als 30 Prozent vielleicht sogar ein bisschen zu viel.“ In Zeiten des Fachkräftemangels die Organisation entsprechend mitzuentwickeln, sei eine der größten Her-ausforderungen des Unternehmens. Als Nuspl 2018 Geschäftsführer der RICO Elastomere Projecting GmbH wurde, hatte das Unternehmen etwa 160 Mitarbeiter:innen am Standort, heute sind es mehr als 310, weltweit hat die RICO Group mit Standorten in der Schweiz und den USA über 500 Mitarbeitende.
RICO setzt auf eine große Lehrwerkstätte, derzeit arbeiten mehr als 40 Lehrlinge im Betrieb. „Wir investieren viel in Employer Branding, sehr wichtig für uns ist auch die Mundpropaganda, wir haben in der Region einen guten Ruf.“ Der Anspruch an die Facharbeiter:innen sei hoch. „Durch den hohen Automatisierungsgrad brauchen wir topausgebildete Techniker:innen.“ Vor einigen Jahren wurde ein Traineeprogramm gestartet, um studierte Kunststofftechniker:innen oder ausgelernte Fachkräfte mit mehrjähriger Berufserfahrung an das Silikonthema heranzuführen. „Wir wollen auf allen Ausbildungslevels Techniker:innen zu uns bringen und qualifizieren, um an den Standorten das Technologie- und Qualitätsniveau halten zu können.“_
Wir haben den Ruf, die schwierigsten Teile auf qualitativ höchstem Niveau herstellen zu können.
Markus Nuspl
Geschäftsführer, Rico