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„Der verschlafene Kontinent“

Betrugsanfragen, eine oft mit Gewalt geführte gewerkschaftliche Interessensvertretung und eine zuweilen abenteuerliche Infrastruktur. Für den Wirtschaftsmarkt Afrika muss man sich sorgfältig vorbereiten und braucht einen verlässlichen Vertriebspartner. Dann ist wirtschaftlicher Erfolg möglich.

Afrika. Der Kontinent mit dem geringsten durchschnittlichen Lebensstandard und großen regionalen Unterschieden, weit verbreiteter Armut sowie sozialer Ungleichheit. Dennoch ist Afrika laut Wirtschaftskammer Oberösterreich ein „verschlafener Kontinent“ für Unternehmen mit einer Milliarde Menschen in 54 verschiedenen Ländern.

Langfristig vielversprechend

Es gibt aber noch viele Chancen für Exporte und Niederlassungen für heimische Firmen, gehen doch bisher nur 1,3 Prozent der österreichischen Exporte nach Afrika. Zudem ist der Kontinent wirtschaftlich sehr unterschiedlich aufgeschlossen, Südafrika ist der mit Abstand industrialisierteste Teil. „Afrika ist ein Teil der Welt, dem man sich nicht verschließen kann“, so Wolfgang Mayer, Mitglied der Geschäftsleitung von Backaldrin The Kornspitz Company. Seit über 20 Jahren ist das internationale Familienunternehmen mit Sitz in Asten in Südafrika tätig und beschäftigt dort rund 60 Mitarbeiter. Im vergangenem Jahr hat man 75 Prozent der Partnerfirma Austrian Premix erworben. Sehr vorbildlich ist Backaldrin im Bereich der Ausbildung tätig, bei der man eine Kooperation mit der Universität Kapstadt unterhält und Bäcker vor Ort ausbildet, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. So hat Backaldrin das bislang scheinbar noch fast brachliegende Potential des Kontinents erkannt – genauso wie die Greiner Gruppe. „Der Fokus liegt auf Südafrika. Von dort aus können wir uns vorstellen, weiter Richtung Norden, etwa nach Namibia und Botswana zu gehen“, skizziert Vorstandsvorsitzender Axel Kühner die Marschroute. Derzeit hat man ein 50-prozentiges Joint Venture mit einem lokalen Schaumstoffhersteller an der Ostküste Südafrikas. 85 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. Mit der Produktion in Afrika erwirtschaftet die Greiner Gruppe rund ein Prozent des weltweiten Umsatzes von 1,4 Milliarden Euro. Das ist sicherlich noch ausbaufähig, so Kühner: „Der afrikanische Markt ist aufgrund der Bevölkerungsentwicklung einer der langfristig vielversprechendsten Märkte.“

Von der Revolution zur Ölkrise

Die Chance, sich in Afrika zu etablieren und vom Standort zu profitieren, muss man sich aber erstmal erarbeiten. Die aktuelle wirtschaftliche und politische Lage gestaltete sich vielerorts alles andere als rosig, auch wenn die Größe des Marktes als solche eine Menge Potential biete. Der Wirtschaftsdelegierte für Nordafrika, Martin Woller, gibt einen Überblick über die Lage: „In Ägypten leidet die Wirtschaft nach wie vor unter den zwei Revolutionen von 2011 und 2013. Das hatte Auswirkungen auf die Währung und endete in der Freigabe des ägyptischen Pfundes und somit in einer hundertprozentigen Abwertung.“ Auch im Westen Afrikas sieht es nicht viel besser aus: „Der wichtigste Markt in Westafrika ist Nigeria, das seit 2014 stark unter den niedrigen Ölpreisen leidet und 2016 in die Rezession schlitterte, mit einer Inflation von fast 19 Prozent. Das wirkt sich auf unsere Exporte aus, denn dem Land fehlen die Fremdwährungsreserven, um die notwendigen Importe zu bezahlen“, so Nella Hengstler, die in Lagos für den Westen Afrikas zuständig ist. Ghana sei beispielsweise vor dem Hintergrund der nigerianischen Krise ein attraktiver, englischsprachiger Markt und aus politischer Sicht stabil, führt Hengstler weiter aus. Im Süden des Kontinents dominiert Südafrika als größter und wichtigster Wirtschaftspartner, der aber auch mit allerlei Schwierigkeiten zu kämpfen hat, wie der Südafrika-Delegierte Johannes Brunner sagt: „Das Wirtschaftswachstum ist mit rund einem Prozent überschaubar gering.“ Warum? Das sei auf interne wie externe Probleme zurückzuführen, etwa Missstände in der öffentlichen Verwaltung, aber auch auf die gesunkenen Rohstoffpreise von Metall, Eisen und Kohle.

Prüfe, wer sich bindet

Rund 500 österreichische Firmen machen derzeit in Afrika Geschäfte, davon sind etwa 200 mit einer Niederlassung am Markt. „Österreich ist absolut unterrepräsentiert“, zeigt Woller das Potential auf. Südafrika bildet in dieser Hinsicht die Ausnahme, hier konzentriert sich der Anteil der österreichischen Firmen am stärksten: „In Südafrika sind rund 50 österreichische Unternehmen mit Niederlassungen ansässig“, so Brunner. Die Möglichkeiten, gute Exportzahlen zu erzielen, seien nicht enden wollend. „Das Potential in Afrika ist aufgrund der demografischen Entwicklung sehr groß. Bis 2050 soll sich die Bevölkerung verdoppeln, das bedeutet eine enorme Erhöhung der Nachfrage. In Ägypten wäre das der Infrastrukturbereich, der pharmazeutische und medizinische Bereich. „Wenn ich bei 92 Millionen Einwohner nur zehn Prozent als Mittelschicht tituliere, eröffnet sich ein potentieller Konsumgütermarkt, der so groß ist wie Österreich“, sagt Woller. In Westafrika liegt der Schwerpunkt auf der Bauindustrie, erklärt Hengstler: „Im Privatsektor wird viel gebaut, da sehen wir Chancen für Baumaschinen, Baumaterialien, für jede Art von Zulieferbetrieben. Aber ebenso Konsumgüter, auch medizinische Produkte und erneuerbare Energien werden ein Thema.“ In Südafrika reichen die Potentiale von der Infrastruktur über die Energieversorgung bis hin zur Wasserversorgung, wie Brunner informiert: „Die größten Chancen sind nach wie vor in Südafrika, trotz des niedrigen Wirtschaftswachstums. Die Infrastruktur hat nach wie vor Zukunftspotential, ebenso die Energie- und Wasserversorgung.“ Wie lange braucht man, um Niederlassungen zu etablieren und geeignete Vertriebspartner zu finden? Was sollte man unbedingt dabei beachten? „Man sollte zuallererst selbst hinfahren und die Begebenheiten mit einem Einheimischen erkunden. Afrika ist unglaublich vielfältig, da braucht es ein persönliches Marktstudium“, gibt Mayer wertvolle Tipps für den Markteinstieg. „In Ägypten sind Firmen erfolgreich, die hervorragende Partner vor Ort haben. Die sind ganz wichtig, darum: Prüfe, wer sich bindet. Noch dazu, wo viele Partnerverträge sehr stark das Recht des lokalen Partners verteidigen und weniger das des österreichischen Exporteurs“, so der Nordafrika-Experte Woller. „Westafrika ist kein Hit-and-Run-Market. Wie lange man wirklich braucht, um Fuß zu fassen, hängt auch vom Produkt ab. Das kann von sechs Monaten bis zu drei Jahren dauern. In Nigeria beispielsweise kommt es darauf an, ob du mit öffentlichen Stellen oder Privatkunden Geschäfte machst, denn die Korruption ist ein großes Problem“, sagt Hengstler. Ganz wichtig sei es, Firmenregistrierungen und Bonitätsauskünfte vor dem Vertragsabschluss zu prüfen. Das sei auch in Südafrika nötig, so Brunner: „Es beginnt mit den bereits beschriebenen Hausübungen: der Marktauswahl und der Auswahl des richtigen Vertriebspartners.“

Zu schön, um wahr zu sein?

Welche kulturellen Eigenheiten gilt es zu beachten? Westafrika-Expertin Hengstler räumt mit ein paar vermeintlichen Stereotypen auf: „Natürlich ist jede Kultur anders. Zwischen Tirolern und Wienern bestehen aber auch Unterschiede. Im Endeffekt sind uns die Afrikaner nicht so fremd.“ Eine Herausforderung sei das sogenannte Black Economic Empowerment Program, so Kühner von der Greiner Gruppe: „Dabei soll für den schwarzen Bevölkerungsanteil ein verbesserter Zugang zur Wirtschaft geschaffen werden. Je mehr Schwarze beschäftigt werden, desto mehr Punkte werden vergeben und man bekommt besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen. Der Ansatz ist sehr positiv, die Umsetzung ist aber oft nicht einfach, dieses BEE-Rating darf man nicht unterschätzen.“ Unterschätzen darf man auch nicht die anders anmutende Arbeitsethik. „Man muss mit einer deutlich geringeren Loyalität zum Unternehmen rechnen. Zudem gibt es viel Gewalt in den Betrieben in Form von gewerkschaftlich initiierten Aufständen, eine Form von Gewalt, wie wir sie in Europa gar nicht kennen“, berichtet Kühner aus seinem Erfahrungsfundus. Andere Erfahrungen in dieser Hinsicht hat Mayer von Backaldrin gemacht, der nicht mit Gewalt, jedoch mit infrastrukturellen Hindernissen zu kämpfen hatte: „Man muss die alltäglichen Sachen sorgfältig einkalkulieren. Oft gibt es weder Zug noch Autobahn, sondern eine einzige Sandstraße. Und wenn ein Regenschwall kommt, dann ist die Straße eben nicht passierbar.“ Auch die Kommunikation gestalte sich anders als bei uns, so Hengstler: „Es ist üblich, dass man per SMS, WhatsApp oder Facebook-Messages mit öffentlichen Stellen kommuniziert. Bei uns sind das nicht unbedingt seriöse Geschäftskanäle.“ Einer der größten Unterschiede ist die sehr einladende Art, so Woller: „Sie haben eine Perfektion entwickelt, sich zu präsentieren, zudem ist man extrem zuvorkommend. Kaum ist man dort, wird man schon zum Abendessen eingeladen. Man muss das aber als Teil des Ganzen sehen und trotzdem seine Hausaufgaben machen.“ Denn, so bestätigt auch Hengstler: „Es gibt viele Betrugsanfragen. Man möchte meinen, das erkennt man sofort. Dabei ist das wirklich oft nicht der Fall. ‚If it looks too good to be true’, dann ist es meistens nicht wahr. Man sollte nicht jedem alles glauben, der sagt, sein Onkel sei ein Prinz oder mit dem Premierminister verwandt. Das stimmt meistens nicht so ganz. Das sind die Klassiker.“_

"Der afrikanische Markt ist aufgrund der Bevölkerungsentwicklung einer der langfristig vielversprechendsten Märkte."

Axel KühnerVorstandsvorsitzender, Greiner Gruppe

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