Der Weltwirtschaft geht es gut, österreichische Unternehmen nützen das und drängen ins Ausland. Dass im ausländischen Markt auch Steuern anfallen können, wird dabei von manchen mittelständischen Unternehmen aber vergessen, so die leidvolle Erfahrung der Experten der Linzer Steuerberatungskanzlei Icon.
Ein kleines heimisches Ingenieurbüro bekommt den Zuschlag für einen Auftrag in Indien im Wert von einer Million Euro. Alle Leistungen werden von Österreich aus zur vollsten Zufriedenheit des Kunden erbracht. Doch dann die böse Überraschung: Der Auftraggeber überweist nur 700.000 Euro. Die restlichen 30 Prozent muss er als Quellensteuer an sein indisches Finanzamt überweisen. Das wusste der Auftragnehmer aber nicht und das Auslandsgeschäft wird zur Bedrohung seiner wirtschaftlichen Existenz. „Denn so einen hohen Gewinnaufschlag hatte der Unternehmer gar nicht“, sagen die Steuerberater der Linzer Steuerberatungskanzlei Icon, Stefan Bendlinger und Matthias Mitterlehner, von einem konkreten Fall. Es ist aber nur einer von vielen. Mittelständische Unternehmen würden steuerliche Fragen rund um ihre Auslandstätigkeiten häufig vernachlässigen.
In Zeiten der Digitalisierung, in denen Dienstleistungen immer häufiger online erbracht werden und die einzelnen Staaten sich auch verstärkt bemühen, diese Leistungen steuerlich zu erfassen, berge dies eine zunehmend höhere Gefahr. Auch die Bereitschaft, im Bereich des Steuerrechts zu strafen, sei deutlich höher. Die Steuerexperten erkennen die weltweite Tendenz, Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Steuerflucht stärker zu bekämpfen. Das führe zwangsläufig dazu, dass das internationale Steuerrecht immer komplexer werde. Es gibt nach wie vor keine Harmonisierungen – auch nicht innerhalb der EU. Die Behörden würden sich aber zunehmend vernetzen und auch das Internet halte für die Finanzbeamten viele Informationen bereit. „Google kann bei der Jagd nach Steuersündern eine große Hilfe sein“, sagt Bendlinger und nennt als Beispiel Infos über ein neu eröffnetes Büro, Satellitenbilder von einer Baustelle oder die fehlende Abbildung einer nicht existierenden Scheinfirma. „Der Unternehmer wird immer mehr zum gläsernen Steuerzahler.“
KMU tendenziell im Nachteil
Mittelständische Betriebe und damit jene Betriebe, welche die Mehrheit der heimischen Exporte tätigen, seien beim Thema Steuern tendenziell im Nachteil: Im Unterschied zu Konzernen leistet man sich keine eigenen Rechts- und Steuerabteilungen und es gibt meist auch keine ausländischen Niederlassungen, bei denen man nachfragen könnte. Zum häufig gehörten Vorwurf der Steuertrickserei von Konzernen sagen Bendlinger und Mitterlehner: Nachdem Steuern betriebswirtschaftlich gesehen Kosten sind, wird und muss jeder Unternehmer versuchen, seine Gewinne dort zu versteuern, wo sie den geringsten steuerlichen Schaden anrichten. Ein Konzern hat mit ausländischen Niederlassungen schlichtweg mehr Möglichkeiten zur Optimierung. Die Zeiten der massiven Steuergestaltung sind aber vorbei, Unternehmen und deren Organe wollen auf keinen Fall negativen Schlagzeilen verursachen und sie wollen Strafen vermeiden.
Steuerliche Probleme würden meist unbeabsichtigt ausgelöst werden: Es beginnt mit einer kleinen Direktlieferung ins Ausland. Die Aufträge werden mehr, die gelieferten Produkte komplexer und Mitarbeiter arbeiten einige Monate im Ausland. Dazu Mitterlehner: „Im Zeitablauf können sich die steuerlichen Anknüpfungspunkte ändern.“ Steuerliche Versäumnisse werden häufig wegen nicht-steuerlichen Themen entdeckt – etwa wenn es zu einem Arbeits- oder Verkehrsunfall kommt. Die Einsatzkräfte melden die Vorfälle und in Folge werden die Behörden auf das Unternehmen aufmerksam. Auch Steuerprüfungen beim ausländischen Auftraggeber können steuerliche Feststellungen beim österreichischen Lieferanten auslösen.
Kostenfaktor „Steuern“ in Kalkulation berücksichtigen
Die Unternehmen sollten sich daher bereits in der Angebotsphase bei ihrem Steuerberater darüber informieren, was sie im jeweiligen Marktgebiet erwartet, um den Kostenfaktor „Steuern“ in der Kalkulation berücksichtigen zu können. Dazu Bendlinger: „Die Beratungskosten sind deutlich geringer, als wenn man im Nachhinein sanieren muss.“ Österreichische Unternehmer müssten internationales Steuerrecht im Visier haben, sobald sie auch nur einen Fuß über die österreichische Grenze setzen. Besonders in Deutschland ist Vorsicht geboten: Die deutsche Finanzverwaltung prüft österreichische Firmen nicht zuletzt deshalb sehr gerne, weil es keine Sprachbarriere gibt, das Steuerrecht nicht gleich, aber doch vergleichbar ist, und Steuerschulden österreichischer Unternehmen aufgrund von Amts- und Vollstreckungshilfemöglichkeiten auch in Österreich eingezogen werden können. Zwei grundlegende Themen gelte es im Bereich Internationales Steuerrecht aber immer zu beachten:
Betriebsstätte_ Wenn ein Unternehmen länger als sechs Monate im Ausland physisch präsent ist, sollte eine Warnleuchte blinken: In diesem Fall wird in der Regel eine steuerliche Betriebsstätte begründet und der Tätigkeitsstaat hat Anspruch auf anteilige Besteuerung des Auslandsgeschäftes. In manchen Staaten braucht es keine physische Präsenz, um besteuert werden zu können – vor allem bei der Erbringung von Dienstleistungen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere bei Geschäften in Asien, Südamerika oder im nahen und mittleren Osten besondere Vorsicht geboten. Wenn eine ausländische Steuerpflicht erst im Nachhinein erkannt wird, kommt es zu Steuernachzahlungen. Diese werden meist erst Jahre nach der Abwicklung des Geschäftsfalles erhoben. Ist die Nachforderung im Ausland berechtigt, muss die österreichische Steuererklärung korrigiert werden, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Diese Korrekturen sind aber nicht einfach. Was Steuernachzahlungen im Ausland betrifft, muss bedacht werden, dass manche Staaten bei bestimmten steuerlichen Delikten keine Verjährungsfristen kennen.
Quellensteuer_ Solche Abzugssteuern sind vom Auftraggeber direkt von der Vergütung einzubehalten (Besteuerung an der Quelle) und im Namen des Auftragnehmers an sein zuständiges Finanzamt abzuführen. Das österreichische Unternehmen erhält also nur einen um die Quellensteuer reduzierten Betrag. Quellensteuern gibt es weltweit, sie werden in der Regel mit Sätzen zwischen zehn und 35 Prozent erhoben. Es gilt daher bei sämtlichen Auslandstätigkeiten – vor allem bei der Erbringung von Dienstleistungen ins Ausland – im Vorfeld zu klären, ob der Auftraggeber zu einem Steuereinbehalt verpflichtet ist und inwieweit dieser allenfalls aufgrund eines „Doppelbesteuerungsabkommen“ (DBA) vermieden oder reduziert werden kann. Anträge auf Rückerstattung von ungerechtfertigt einbehaltenen Quellensteuern sind meist mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden und dauern mehrere Monate. Monate, die das Ingenieursbüro nicht mehr hatte.
Das internationale Steuerrecht wird aufgrund der weltweiten Bemühungen, Steuerhinterziehungen soweit wie möglich zu verhindern, komplexer.
Matthias Mitterlehner
Steuerberater, Icon Wirtschaftstreuhand
Der Unternehmer wird immer mehr zum gläsernen Steuerzahler.
Stefan Bendlinger
Steuerberater, Icon Wirtschaftstreuhand
Wussten Sie eigentlich, dass ...
... die Exporte 2018 die 150-Milliarden-Schallmauer durchbrachen? Zum Vergleich: Vor über 20 Jahren, beim EU-Beitritt 1995, wurden Produkte und Dienstleistungen im Wert von 37 Milliarden Euro exportiert. Ein Großteil davon kommt von den KMU.