- 01 Was ist Open Innovation?
„Vereinfacht ausgedrückt spricht man von Open Innovation, sobald Wissen mit Absicht aus dem Unternehmen rein- oder rausgeht“, sagt Alexy. In der Forschung und Entwicklung sei es ein dreistufiger Prozess: Ideen generieren, auswählen und weiterentwickeln sowie die besten davon in den Markt einführen. In diesen Stufen könne man sich fragen, ob man selbst genug Ideen und Know-how hat oder man sich dieses extern holt. Die Kernidee von Open Innovation sei ein Matching-Problem, also dass andere Leute Lösungen für meine Probleme haben können, aber auch, dass ich anderen Leuten ermögliche, ihre Probleme zu lösen. Das könne grundsätzlich jedes Problem betreffen, nicht nur die Forschung und Entwicklung. Die Logik, die hinter Open Innovation stecke, gebe es schon seit Jahrhunderten, sie sei mittlerweile nur leichter anwendbar und habe einen größeren und schnelleren Aktionsradius. Einen förderlichen Wissensaustausch gebe es aber schon immer, der sei so alt wie das Wissen selbst, sagt Alexy.
- 02 Welche Formen kann sie annehmen?
Es gebe so viele Formen von Open Innovation, wie es Sterne am Himmel gibt, so Alexy. Denn der Begriff dessen, was alles unter Open Innovation fallen könne, sei ein weiter und jede Firma habe seine eigene Abwandlung. Das könne vom Austausch mit Zulieferern über Projekte mit Forschungspartnern bis hin zu „Ideen-Crowd-Sourcing“ mit der Zivilbevölkerung oder durch Preisausschreiben gehen. „Es kommt immer auf die Komplexität des Themas an, welche Form Open Innovation annimmt. Will man damit Trends aufspüren, sollten sich möglichst viele Leute daran beteiligen. Wenn man komplexe Sachen lösen will, sollte man diese am besten in Teams bearbeiten lassen“, sagt Alexy. Ein Beispiel für das Aufspüren von Trends ist der Computerhersteller Dell, der vor einigen Jahren die Einreichung von Ideen von seinen Kunden forcierte und so nicht nur Ideen sammelte, sondern auch einen guten Einblick in den zukünftigen Markt erhielt. Ein Beispiel für das Lösen komplexer Thematiken startete Volkswagen Ende 2017 mit einer digitalen Innovationsplattform „Hyve Crowd“, bei der ein internationaler Wettbewerb zum Karosseriebau der Zukunft ausgerufen wurde. Die drei besten Ideen dieses „Ideen-Crowd-Sourcing“-Wettbewerbes wurden finanziell mit bis zu 3.000 Euro belohnt. Ein anderes Beispiel dafür lieferte im Jahr 2010 BP nach der Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko. Man wollte von der ganzen Welt Feedback haben, wie man das Problem lösen könne. „Das klingt erstmals toll, aber: Wie finde ich heraus, welche Idee von den 200.000, die sie bekamen, wirklich funktioniert? Das kann man schwer testen. Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Idee davon wirklich gut ist und zum Ziel führen könnte, sehr hoch, aber wie finde ich die dann?“, zeigt Alexy die Problematik auf. Oberösterreichs Betriebe suchen ihr „Open Innovation-Glück“ hingegen eher in Projekten mit Forschungspartnern und Start-ups. Schneider Torsysteme aus Buchkirchen etwa forciert die Zusammenarbeit mit Studenten des Instituts für Innovations- und Produktmanagement der FH Oberösterreich, um Prototypen für neue Torsysteme zu entwickeln. Das funktioniere sehr gut, denn das Ziel von Open Innovation sei es, schnell neue Ideen zu finden, sagt Geschäftsführerin Bettina Gladysz-Haller. Zudem habe man eine eigene Innovationsmanagerin angestellt, die sich genau darum kümmere. Der Motorrad- und Sportwagenhersteller KTM aus Mattighofen wiederum setzt gar auf eine eigens gegründete Innovation GmbH, in der man einerseits mit Innovationsmanagern an Projekten arbeite, andererseits auch Netzwerke nutzt um mit Start-ups in Verbindung zu treten, so einer der Geschäftsführer, Walter Sieberer.
- 03 Was sagen die oberösterreichischen Betriebe zu Open Innovation?
Die Sparte Industrie der Wirtschaftskammer Oberösterreich hat im Februar 2018 eine Umfrage unter 63 oberösterreichischen Industrie- und Leitbetrieben zu den Themen Open Innovation und den oberösterreichischen Forschungsaktivitäten gestartet. 70 Prozent der befragten Unternehmen beziehen externe Partner bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen mit ein. „Die Gründe sind externes Know-how, welches im eigenen Unternehmen nicht verfügbar ist, sowie raschere Entwicklungszeiten. Mehr als die Hälfte der Befragten fordert eine Erhöhung der Forschungsförderungen und bei 65 Prozent der befragten Unternehmen werden die Forschungs- und Entwicklungs-Ausgaben 2018 steigen“, sagt der Obmann der Sparte Industrie, Günter Rübig.
- 04 Wie steht es um die Forschungs- und Entwicklungs-Ausgaben in Oberösterreich?
Laut Statistik Austria haben die F&E-Ausgaben in Oberösterreich im Jahr 2015 fast 1,8 Milliarden Euro betragen. Mit mehr als 1,3 Milliarden Euro finanzieren die oberösterreichischen Unternehmen rund drei Viertel der oberösterreichischen F&E-Ausgaben. So leisten die Betriebe einen wesentlichen Beitrag dazu, dass in Oberösterreich eine F&E-Quote von 3,18 Prozent erzielt wurde. Damit ist man österreichweit auf Platz 3 hinter der Steiermark und Wien. „Die zentralen Forschungsaktivitäten liegen demnach eindeutig bei den oberösterreichischen Firmen. Um bei den Forschungsaktivitäten noch effizienter zu werden, ist eine gewisse Öffnung nach außen, und somit Open Innovation, sinnvoll und notwendig“, sagt Rübig.
- 05 Welche Rolle haben die Forschungspartner?
„Im Forschungsbereich muss man schauen, wie man das Effizienzpotential heben kann. Open Innovation ist dafür ein Ansatzpunkt“, so Rübig. Vor zwei oder drei Jahrzehnten sei man noch in der Lage gewesen, viele Wissensbereiche in einem Unternehmen intern abzubilden. Das gehe in einer Zeit, in der sich Wissen exponentiell vermehrt, aber nicht mehr. „Das muss man sich in der Unternehmensforschung zu Nutze machen und sich an verschiedenste Know-how-Träger wie Universitäten, Fachhochschulen oder Forschungskompetenzzentren andocken“, sagt Rübig. Aufgrund des Wissenszuwachses müsse man mit Open Innovation zusätzlich Know-how von außen in den internen Wissenskreislauf bringen. Das werde bereits in vielen Firmen praktiziert, die schon länger mit Universitäten und Fachhochschulen zusammenarbeiten. Dazu Rübig: „Das fruchtet enorm, weil durch das Know-how, das aus diesen Bereichen kommt, auch die Mitarbeiter wieder zu mehr Know-how kommen. Man muss diesem Thema im Management-Bereich der Firmen noch viel mehr Platz einräumen.“
- 06 Sind die Betriebe wirklich so offen und innovationsfreudig, wie sie es nach außen kommunizieren?
Das hänge sowohl von der Branche, der Größe des Unternehmens als auch vom Thema ab. Während Kooperationen mit Zulieferern und mit Forschungsbetrieben, die häufig seit mehreren Jahren gepflegt werden, oftmals erfolgreich seien – wie die Beispiele von Schneider Torsysteme und KTM beweisen – verkomme die relativ neue Art der Einbindung der Zivilbevölkerung und somit der Ruf nach Ideen aus der Bevölkerung laut Alexy zu einer eher symbolischen Einbindung. Diese gleiche häufig dem Impact einer Marketing-Kampagne. „Das kann auch abstruse Formen annehmen, wenn der ‚Wisdom of the Crowd’ gefragt ist“, sagt Alexy. Hier müsse man unterscheiden, ob das jeweilige Unternehmen oder die Stadt eine ernsthafte Verpflichtung zur Zivilbevölkerung eingehe oder nicht. Wenn beispielsweise eine Stadt einen Teil seines Budgets zur Seite legt und die Bürger tatsächlich darüber abstimmen können, welche Projekte man damit angehen will, sei das ein ernsthaftes Commitment. Wenn ein Unternehmen einen Wettbewerb ausschreibt, kann das aber auch nach hinten losgehen. Beispielsweise suchte die Firma Henkel vor einigen Jahren für sein Reinigungsmittel Priel ein neues limitiertes Flaschendesign. Die nicht ganz ernst gemeinte Einsendung „schmeckt lecker nach Hähnchen“ lag in Führung, gefiel den Votern also am besten. Henkel hatte sich jedoch ein Hintertürchen offengehalten und gab bekannt, eine fünfköpfige Jury am Ende über die zehn besten Ideen abstimmen zu lassen, um sicherzustellen, dass das gewählte Design auch zur Marke Priel passe. Ideen würden bei solchen Aktionen zwar viele herausschauen, die Frage sei dann aber vielmehr, was mit diesen passiere, meint Alexy: „Wie findet man aus vielen tausend Einsendungen diese eine gute Idee? Bei Konzernen und sehr großen Firmen gibt es daher eine Sollbruchstelle, bei der eine andere Abteilung die Ideen annimmt und diese oft den Weg in die Forschung und Entwicklung nicht schaffen. Manchmal suchen die Firmen wohl auch gar nicht nach neuen Ideen, sondern hoffen nur auf gute PR.“ Daher verkomme Open Innovation dieser Art häufig zu einer reinen Repräsentations-Strategie.
- 07 Welche Gefahren birgt sie?
„Man muss ein gewisses Risiko eingehen, wenn man Open Innovation betreiben will. Wichtig ist, die Chance mit dem Risiko abzuwägen und seine Mitarbeiter darauf einzuschwören. Komplette Sicherheit wird es nie geben, denn Forschung ohne Risiko geht nicht. In Summe wird man trotzdem einen Vorteil haben“, so Rübig. Alexy vergleicht Open Innovation mit Pokerspielen: „Je mehr ein Unternehmen hergibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie das kriegen, was sie wollen, aber auch, dass sie Betriebsgeheimnisse verraten.“ Gerade bei großen Firmen sei eine holistische Perspektive wichtig, was man tatsächlich preisgibt. Insgesamt werde es aber für große Firmen leichter, weil sie viel mehr und viele kleine Sachen haben, die sie teilen können. „Je größer das Unternehmen ist, desto weniger Risiko ist schlussendlich dabei. Bei einer kleinen Firma habe ich einfach weniger zum Teilen und dann kann es gefährlich werden. Darum erkennt man mittlerweile den Trend, dass die Probleme, die durch Open Innovation geteilt werden, immer kleiner werden“, so Alexy._