Das Klima verändert sich großräumig. Und das wirkt sich auch auf unsere Gesundheit aus – neue Krankheiten werden entstehen. Welche das genau sind, lässt sich noch nicht festmachen, manche Veränderungen spüren wir aber bereits jetzt schon, etwa immer aggressivere Pollen und intensivere UV-Strahlung. Christa Kummer, ORF-Wetter-Expertin und Klimatologin, beschäftigt sich seit langem mit dem Wetter und dessen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen.
Minus zehn Grad. An den Dachkanten bilden sich Eiszapfen, die Straßen sind spiegelglatt und die Luft ist trocken. Während der Kälteeinbruch die Natur verändert, bewirkt er auch einiges im menschlichen Körper: Die Adern und Venen verengen sich, der Blutdruck steigt an, das Risiko für Herzinfarkte, Thrombosen und Schlaganfälle nimmt zu. Aber nicht nur Kälte hat ihre Folgen, auch Hitze: Die Adern und Venen erweitern sich, viele Menschen mit niedrigem Blutdruck leiden an Kopfschmerzen und Schwindel. Warum? Weil das Herz in der gleichen Zeit wesentlich mehr Blut durch den Körper pumpen muss.
Luftschlösser?
Christa Kummer spürte schon als kleines Kind einen bevorstehenden Wetterumschwung. „Damals war ich wirklich präzise - Schmerzen im rechten Ellbogen sagten Gewitter voraus, im linken Ellbogen Sturm, im kleinen Finger Hagel", erzählt sie. Damit zählt Kummer zu den etwa 40 Prozent Mitteleuropäern, die von sich selbst behaupten, wetterfühlig zu sein. Ob das alles vielleicht nur Einbildung ist? „Das Phänomen Wetterfühligkeit ist ein altbekanntes Rätsel“, so Kummer. „Im medizinischen Sinn ist es keine Krankheit, dennoch reagiert bei fast jedem dritten Österreicher das vegetative Nervensystem höchst sensibel.“ Die am häufigsten registrierten Symptome sind Kopfschmerzen, Migräne, Gelenkschmerzen, Erschöpfung und Müdigkeit. Gerade in Deutschland, der Schweiz und in Österreich habe sich die wissenschaftliche Arbeit auf diesem Gebiet stark entwickelt, weiß die Klimatologin. Kein Zufall. Denn genau in diesen Ländern begünstigt die Landesnatur häufige und heftige Wetterwechsel. „Alle Untersuchungen stellen eines klar: Wer unter dem Wetter leidet, ist kein Simulant!“ Allerdings gelte auch: Nicht das Wetter selbst macht krank, sondern es ist Auslöser oder Verstärker von Befindlichkeiten und Beschwerden, die in unserem Organismus bereits vorhanden sind. „Das vegetative Nervensystem reguliert unseren Körper - und damit hat es auch die Aufgabe, Luftdruckschwankungen auszugleichen", erklärt Christa Kummer. Stress, Belastung, ungesunde Lebensweise und auch Krankheiten wie Rheuma, Herz-Kreislauferkrankungen, Operationen oder Knochenbrüche sind Störfaktoren für das vegetative Nervensystem.
Menschen, die etwa in Städten wohnen oder die meiste Zeit in Büroräumen verbringen, sind am häufigsten betroffen. Die Erklärung dafür ist einfach: Bei Menschen, die viel Zeit in der Natur verbringen, übernimmt das vegetative Nervensystem die natürliche Adaption an das jeweilige Wetter problemlos. Ist der Körper hingegen selten den natürlichen Wetterreizen ausgesetzt, wird diese normale Regulationsfähigkeit schnell ausgereizt und dann kann ein Wetterwechsel zu Beschwerden führen. „Wetterfühligkeit kann sehr schmerzhaft sein und unsere Lebensqualität beeinflussen", weiß Kummer. Nachdem es sich nicht um eine Krankheit handelt, lassen sich die Schmerzen auch nicht einfach mit Medikamenten „wegschlucken". Ein Allheilmittel kennt Christa Kummer dennoch - doch es klingt wesentlich einfacher als es tatsächlich ist: „Den Körper in Bewegung zu halten, und zwar regelmäßig." Dabei gehe es nicht um Hochleistungssport, sondern um Abhärtung. „Die Sensoren der Haut sind die Karosserie unseres Körpers. Setzen wir diese den Wärme- und Kältereizen aus, können wir uns wetterfester machen."
„Wer unter dem Wetter leidet, ist kein Simulant."
Christa KummerKlimatologin und Hydrogeologin, ORF-Moderatorin
Gewitterwolken
Und das könnte durch den Klimawandel verstärkt werden. „Der Gesundheitszustand von Millionen von Menschen kann durch das Wetter und in weiterer Folge auch durch die Klimaerwärmung in vielfältiger Weise in Mitleidenschaft gezogen werden“, gibt Christa Kummer zu bedenken. So dürfte etwa der Einfluss des Klimas auf die Freisetzung von Allergenen (Pollen) und auf die Erhöhung der UV-Strahlung keineswegs unterschätzt werden. „Überempfindlichkeiten gegenüber dem Sonnenlicht und Hautkrebs nehmen zu, weil die UV-Strahlung immer intensiver wird. Und: Die Pollensaison verlängert sich, Allergiker leiden früher und länger. Mittlerweile belegen internationale wissenschaftliche Studien, dass sich Allergien in den letzten drei Jahrzehnten verdreifacht haben.“ Ein ernstzunehmendes Problem, weil die Pollen immer aggressiver werden, sie verändern sich durch Schadstoffe wie Feinstaub. Das kann zu einer Verstärkung der allergieauslösenden Wirkung führen. „Studienergebnisse zeigen, dass Menschen in Ballungsgebieten deutlich häufiger an allergischen Atemwegserkrankungen leiden als die Landbevölkerung. Ein Alarmsignal“, so Kummer, die auch Bücher zum Thema Wetter und Gesundheit veröffentlicht hat. Ebenso beobachtet sie steigende Infektionen mit FSME, der durch Zecken verursachten Entzündung von Gehirn und Hirnhäuten. Diese kommen in Europa aufgrund steigender Temperaturen immer weiter nördlich vor, denn Zecken lieben milde Winter. „Auch wenn sich die Wissenschaft beim Thema Klimawandel und Gesundheit in vielen Teilbereichen noch auf dünnem Eis bewegt, muss sich die Medizin auf diese Problematik in Zukunft einstellen._
Wetterfest
„Viele Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass wir unsere Wetterfühligkeit durch eine zunehmende Entfernung von natürlichen Rhythmen auch selbst produziert haben“, sagt Christa Kummer. Städter seien häufiger betroffen als Menschen, die am Land mit der Natur und deren frischer Luft leben. Mit ein paar Grundregeln lässt sich das vegetative Nervensystem wieder stärken.
- 01 Bewegung an der frischen Luft.
Egal ob walken, laufen, Rad fahren, wandern oder langlaufen – Hauptsache, möglichst oft. Durch eine regelmäßige körperliche Betätigung kann die Anpassungsfähigkeit des Körpers erhöht werden.
- 02 Wetterreizen aussetzen.
Spaziergänge an der frischen Luft, und zwar bei jedem Wetter, härten ab und machen unempfindlicher.
Mit Wechselduschen, Saunagängen mit anschließender Abkühlung, Moor-Thermalbädern und Kneipp-Güssen lässt sich die Reizschwelle gegenüber Wettereinflüssen anheben.
Gesunde Ernährung, die auf die unterschiedlichen Jahreszeiten Rücksicht nimmt und auch auf den individuellen Organismus abgestimmt ist, kann ebenso das Wohlbefinden von wetterfühligen Menschen steigern.