#2 Wie man gesund is(s)t.
Dass wir unser Auto auftanken müssen, ist klar. Sonst fährt es nicht. Dass wir dabei den passenden Sprit nehmen müssen, auch. Sonst wird es bald kaputt. Aber wie ist das mit unserem eigenen Sprit? Ein Forscher und eine Diätologin darüber, wie Ernährung zum Leistungsmotor werden kann. Oder krank machen kann.
Julian Weghuber nimmt einen kräftigen Schluck von seinem Kaffee. Es ist nicht seine erste Tasse an diesem Vormittag, wie er schmunzelnd gesteht. Aha. Ein Lebensmittelforscher, der sich einen Kaffee nach dem anderen reinzieht. Das lässt doch hoffen, dass das Genussmittel eh gar nicht so ungesund ist, oder? „Es gibt eine aktuelle Metastudie, die zum Ergebnis kommt, dass bis zu drei Tassen schwarzer Kaffee, ohne Zucker, keine gesundheitlichen Nachteile bringen, wenn nicht sogar tendenziell Vorteile“, so Weghuber. Kaffee sei aber nicht gleich Kaffee, es komme auf die Rohstoffqualität an. „Da geht’s darum, ob der Rohstoff Belastungen wie Pestiziden ausgesetzt ist und wie die Konzentration jener Inhaltsstoffe ist, die potentiell gesundheitliche Vorteile bieten können“, erklärt Weghuber. Und das ist eines seiner Kernthemen: Rohstoffe in hoher Qualität finden, die eine positive Wirkung auf die Gesundheit haben. Denn, so Weghuber weiter: „Viele Pflanzen wirken positiv auf die menschliche Gesundheit und können sogar Krankheiten vorbeugen.“
Abwarten und Tee trinken?
In einem Kooperationsprojekt des Lebensmittel-Clusters der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria haben die Ennser TeaTime Manufaktur, die Fachhochschule Oberösterreich Forschungs- und Entwicklungs GmbH und ein Welser Apotheker die Inhaltsstoffe verschiedener Tees und Kräuter sowie deren Wirkung auf den menschlichen Körper analysiert und charakterisiert. Julian Weghuber, unter dessen Forschung dieses Projekt geleitet wird, liegt auch persönlich viel daran, das Gesundheitsbewusstsein der Gesellschaft zu fördern. „Wir verschwenden massenhaft Geld für die Behandlung, anstatt dieses Geld für die Prävention zu verwenden, damit es gar nicht so weit kommt.“ Denn die Behandlung von Krankheiten verursache nicht nur hohe Kosten, sondern führe oft gar nicht zum gewünschten Erfolg. Ein Beispiel: „Einer von elf Menschen ist Diabetiker. 2030 soll es schon einer von zehn sein, zu behandeln sind diese Patienten aber sehr schlecht. Das sind unheimlich alarmierende Zahlen“, warnt Weghuber. Man müsse den Menschen bewusst machen, wie sehr sie ihre Gesundheit mit ihrer Ernährung beeinflussen können. Selbst Hippokrates wusste schon: „Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel sein und eure Heilmittel sollen eure Nahrungsmittel sein.“ Soll heißen: Nahrung dient nicht nur der Sättigung und dem Energiegewinn. „Man kann über die Nahrung viele Substanzen aufnehmen, etwa bioaktive Inhaltsstoffe, die hauptsächlich in pflanzlichem Gewebe enthalten sind. Eine kluge Auswahl von Lebensmitteln in Kombination mit Bewegung, das ist das Um und Auf für die Gesundheit“, erklärt der Biologe.
Grüntee sei so ein „kluges Lebensmittel“. Man wisse, so Weghuber, dass in Ländern, wo viel Grüntee konsumiert wird, die Darmkrebsrate signifikant niedriger ist. „Das sind große Metastudien, die eindeutig sind.“ Beim Forschungsprojekt stellte man sich die Frage, mit welchen natürlichen Inhaltsstoffen der Tee noch angereichert werden könnte, um weitere gesundheitliche Vorteile zu bringen. „Insgesamt vier neue Rezepturen mit positiven Auswirkungen auf Darm, Abwehrkräfte und Leber sowie mit antioxidativer Wirkung werden wir spätestens Anfang 2020 auf den Markt bringen“, sagt Christian Haider, Gründer der TeaTime Manufaktur.
Die Sache mit dem Fleischkonsum.
Ein paar Schluck Tee alleine machen einen aber natürlich noch nicht leistungsstark, fit und gesund. Es komme auf die gesamte Ernährung an, so Weghuber, der seit 2013 im Studiengang Lebensmitteltechnologie und Ernährung an der FH Wels als Professor für Molekular Zellphysiologie unterrichtet und das Josef-Ressel Zentrum für pflanzliche Wirkstoffforschung leitet. Eines der Hauptprobleme sei der übermäßige Fleischkonsum. „Je weniger Fleisch man isst, desto besser“, ist er überzeugt. Zwar könne man nicht alle Fleischsorten in einen Topf werfen und müsse schon zwischen Fettzusammensetzung und Tierhaltung unterscheiden, aber „im Schweinefleisch etwa ist eine extrem hohe Konzentration an Substanzen, die zu entzündlichen Prozessen im Körper und in weiterer Folge zu Krebs führen können“. Nicht umsonst sei Darmkrebs die zweithäufigste Krebsart in Österreich.
Wem nun der Appetit vergangen ist, der braucht sich keine Sorgen machen, dass der Genuss mit weniger Fleisch zu kurz kommen könnte. Andrea Kasper-Füchsel arbeitet seit fünfzehn Jahren als selbstständige Diätologin und hat in der Zeit schon eine ganze Menge Fleischtiger, Kochmuffel und Suppenkaspa zu Genussmenschen bekehrt, die so ihre Nahrung zum Super-Treibstoff gemacht haben. „Wenn man erst mal erlebt hat, wie leistungsfördernd, energiebringend und gleichzeitig schmackhaft gesunde Ernährung sein kann, will man nie wieder anders essen“, sagt Kasper-Füchsel. Gesunde Ernährung beginnt für sie am besten beim Frühstück: „Ich würde niemanden zwingen zu frühstücken, aber um wirklich alle Nährstoffe aufnehmen zu können, die man braucht, damit der Stoffwechsel gut arbeiten kann, braucht man mehr als zwei Mahlzeiten am Tag.“ Und weil man ja für gewöhnlich gleich von Beginn an Leistung erbringen muss, sei das Frühstück, und wenn es nur ein kleines Müsli ist, der perfekte Start dafür.
Wie man die Weisheit aus dem Glas löffelt.
Gesunde Ernährung hat meist etwas mit frischen Mahlzeiten ohne künstliche Zusatzstoffe zu tun. Klingt irgendwie schwer vereinbar, wenn man von einem Termin zum nächsten hetzt und dazwischen an alles denkt, nur nicht ans Essen. „Es gibt so viele Möglichkeiten, gesunde Mahlzeiten ins Büro oder für unterwegs mitzunehmen“, sagt Kasper-Füchsel. „Meal prep“ sei das Zauberwort. Wem es also gelingt, sich hin und wieder Zeit zu nehmen, ein paar Gerichte vorzukochen, um sie dann in Gläsern einzufrieren, der habe seinen Sprit quasi immer dabei. „Es kann auch ganz einfach sein – frische Früchte, Naturjoghurt und eine selbstgemachte Müslimischung, das dauert keine zehn Minuten in der Vorbereitung.“ Praktisch sei es auch, kalte Suppen im Glas oder Laibchen mitzunehmen. „Die kann man auch den Kindern in die Schule mitgeben“, so die zweifache Mutter. Ein guter Tipp sei, ein Ratatouille einmal mit Pasta, einmal mit Couscous oder Reis zu kochen und portionsweise einzufrieren.
Dabei vor allem auf pflanzliche Zutaten zu setzen, mache Sinn, so die Diätologin weiter. „Das bringt für das persönliche Wohlbefinden extrem viel und erweitert den Speiseplan ungemein.“ Außerdem wirke sich eine fleischlose oder fleischarme Ernährung positiv auf die Blutwerte aus und oft auch aufs Gewicht. Bei jeder Ernährungsform sei aber wichtig, darauf zu achten, genügend Nährstoffe zu sich zu nehmen. Stichwort Superfood. Klingt nach langen Importwegen? „Das muss überhaupt nicht sein – wir haben so viel Superfood in Österreich, von Leinsamen und Leinöl bis hin zu den verschiedenen Beeren“, sagt Kasper-Füchsel. Und wenn man dennoch um drei Uhr am Nachmittag in ein Leistungstief fällt? Dann ist es dasselbe wie im Sport: „Viel trinken! Am besten ein paar Tage ganz bewusst mehr trinken, als man Verlangen danach hat, dann bringt man sein Durstgefühl wieder in Schuss und es kommt erst gar nicht zum Leistungsabfall.“