Tina Hawel
Das Wort „Karrierefrau“ mag Tina Hawel gar nicht. Was ein bisschen überrascht, denn eigentlich ist sie genau das: Eine Frau, die Karriere macht. Und was für eine Karriere. Schon während ihres Wirtschaftsstudiums sammelt sie Berufserfahrung im Bereich Personalentwicklung im Krankenhaus St. Elisabeth Wien, gut fünf Jahre ist es her, seit sie (vor allem der Liebe wegen) wieder nach Oberösterreich gezogen ist. Mittlerweile ist sie Mitglied der Geschäftsleitung der Elisabethinen Holding in Linz und leitet als Geschäftsführerin ein Tochterunternehmen der Elisabethinen-Gruppe. Und übrigens: Sie ist erst 31 Jahre alt. „Aber der Begriff Karrierefrau erzeugt bei mir das Bild einer toughen, straighten, über Leichen gehenden Frau. So sehe ich mich überhaupt nicht“, erklärt die gebürtige Mühlviertlerin. Ihr Führungsstil sei genau das Gegenteil: „Ich lege Wert auf Kooperation, versuche die Leute gut mitzunehmen, die Hintergründe zu erklären, damit man meine Entscheidungen nachvollziehen kann.“
Kann man als Frau die Hosen anhaben, wenn man Rock trägt? Im übertragenden Sinn.
HawelUnbedingt! Ich hab immer versucht, authentisch zu sein und ich bin nun mal sehr weiblich. Ich halte es sogar für kontraproduktiv, wenn man als Frau glaubt, man müsse sich wie ein Mann verhalten. Weil genau diese Unterschiede, diese typisch weiblichen und männlichen Eigenschaften die Vielfalt ausmachen. Und Vielfalt ist immer gut.
Das bezeugen auch Studien mit dem Ergebnis, dass gemischte Führungsteams am erfolgreichsten sind. Sie haben drei männliche Kollegen und eine weibliche Kollegin im Vorstand. Was wäre wohl anders, wenn es fünf männliche Vorstandsmitglieder wären?
HawelEs würden Blickwinkel und Herangehensweisen fehlen. Ich glaube, Frauen bringen oft mehr Emotionen rein und achten darauf, dass das Miteinander im Team stimmt, damit die gesetzten Ziele erreicht werden können. Außerdem finde ich, dass man sich gegenseitig vieles abschauen kann. Zum Beispiel: Frauen setzen sich die Latte oft über 100 Prozent. Männer haben den Mut zur Lücke. Dieses Selbstvertrauen schaue ich mir gerne ab.
Ist jetzt eine gute Zeit für Frauen, um Karriere zu machen?
HawelDie beste, die wir je hatten. Weil sich in Organisationen die Unternehmenskultur verändert. Es kommt eine neue Generation in die Unternehmen – eine, die weniger Wert auf Hierarchien und viel Wert auf Selbststeuerung legt, die sich einbringen und kooperativ zusammenarbeiten möchte.
Was Sie von all Ihren Vorstandskollegen unterscheidet, ist auch das Alter. Wie verwundert sind die Blicke, wenn Sie erzählen, dass Sie mit Anfang 30 schon so viel Verantwortung haben?
HawelSehr verwundert (lacht). Es kommt schon vor, dass ich mit meiner Assistentin verwechselt werde – was gar nicht böswillig ist. Man merkt sehr schnell, dass es Schubladen gibt und man in diese Schubladen gesteckt wird.
Wie reagieren Sie darauf?
HawelOft einfach mit Humor. Und wenn es notwendig ist, stelle ich die Sache klar.
Warum, glauben Sie, werden Sie in diese Schublade gesteckt, abgesehen vom ersten Eindruck?
HawelMein Kollege sagte mal: „Das wundert mich nicht, dass du manchmal als Assistentin wahrgenommen wirst – du fragst, ob jemand Kaffee möchte,kümmerst dich um die Wohlfühlatmosphäre, räumst dann wieder alles weg. Aus dem Verhalten könnte man schließen, dass du die Assistentin bist.“ Ich unterhalte mich da ganz offen mit meinen Kollegen. Und ja, es stimmt, das ist wahrscheinlich eine typisch weibliche Eigenschaft – gastfreundlich zu sein.
Ändern Sie nun etwas an Ihrem Verhalten?
HawelNein. Weil ich so bin. Ich stehe dazu und möchte diese Qualität einbringen. Das vervollständigt uns ja auch im Führungsteam. Jeder bringt seine Qualitäten ein und wenn ich deshalb im ersten Moment als Assistentin abgestempelt werde, dann gibt es Schlimmeres.
Haben Sie es im Laufe Ihrer Karriere je als Nachteil empfunden, eine Frau zu sein?
HawelAls Frau hat man immer die Frage „Wie schaut’s mit Familienplanung aus?“ über sich schweben. Das schreckt wahrscheinlich viele Arbeitgeber ab. Ich habe aber nicht bewusst erlebt, dass ich gegenüber männlichen Kollegen benachteiligt gewesen wäre.
Was müsste sich ändern, damit diese Frage Arbeitgeber nicht mehr abschreckt?
HawelEs braucht ein Aufbrechen des klassischen Verständnisses von Arbeit und Work-Life-Balance. Die moderne Technik bietet uns mittlerweile viele Möglichkeiten, die es zum Teil gleichgültig machen, von wo aus man arbeitet, und in Zukunft wird es noch mehr davon geben. Wenn man Familie mit Beruf vereinbaren möchte, dann müssen die beiden Bereiche auch ineinanderfließen dürfen. Diese Bewegung braucht es in beide Richtungen – die Arbeit fließt ins Private und umgekehrt. Und dann braucht es sicher auch ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen.
Was können Männer dazu beitragen?
HawelDie Männer spielen eine ganz entscheidende Rolle. Wenn du einen Partner zuhause hast, der um 18 Uhr fragt: „Wo bleibst du denn?“, ist es schwierig. Wenn er dich hingegen ermutigt, so wie es mein Mann macht, dann ist das eine ganz große Unterstützung. Ich glaube, es braucht ein starkes Bewusstsein, dass man auf das Potential von Frauen einfach nicht verzichten kann.Und das wird spürbar stärker. Es ist kaum mehr denkbar, dass man eine Podiumsdiskussion rein männlich besetzt – da ist klar, es fehlt was. Bei Quotenregelungen bin ich sehr skeptisch, denn wenn sich das Mindset nicht verändert, bringt mir die Quote nichts.
Wie kann sich das Mindset verändern?
HawelMan muss es zulassen. Wenn man erlebt, wie gut die Zusammenarbeit funktionieren kann, dann sieht man den Vorteil. Die Bereitschaft muss im Unternehmen von den Eigentümern ausgehen. Vielleicht braucht’s auch mehr Rolemodels, die das vorleben.
In Ihrer Kindheit gab’s diese Rolemodels noch kaum. Welches Frauenbild wurde Ihnen da vorgelebt?
HawelEin klassisches. Meine Mama war lange bei uns drei Kindern zuhause. Was sehr schön war – es war immer jemand da, wenn ich heimgekommen bin. Das Frauenbild war vorwiegend Hausfrau und Mutter. Ich lebe ein ganz anderes. Für mich ist der Job schon mit das Wichtigste. Natürlich auch mein Ehemann, aber die meiste Energie fließt in den Job.
Was sagt Ihre Familie dazu?
HawelMeine Eltern sind stolz auf mich. Sie sind beide gerne berufstätig, aber ich glaube, sie können nicht ganz nachvollziehen, wie man dem Beruf einen so hohen Stellenwert einräumen kann, wie ich es tue. Bei vielen befreundeten Paaren aus der Schulzeit steht jetzt die Familienplanung an oberster Stelle und natürlich würden auch meine Eltern sich sehr über Enkelkinder freuen.
Wenn Sie dann beim Maturatreffen von einer Schulkollegin gefragt werden: „Wow, wie hast du das alles geschafft?“, was antworten Sie darauf?
HawelMit viel Glück. Wobei man die Möglichkeiten, die sich bieten, natürlich auch ergreifen muss. Es braucht Mut, sich Dinge zuzutrauen. Ich hatte Situationen, in denen ich mir dachte: „Kann ich das? Kann ich mit 29 Jahren Geschäftsführerin sein? Kann ich Mitarbeiterinnen führen, die überwiegend älter als ich sind?“ Ein Schlüsselerlebnis war sicher vor dreieinhalb Jahren, ungefähr ein Jahr nach dem Wechsel nach Linz. Ich war damals in der Organisationsentwicklung und hatte das Gefühl, nicht das einbringen zu können, was ich glaubte, einbringen zu können. Ich habe dann mit meinem direkten Chef ein paar Gespräche geführt, der konnte die Situation aber auch nicht verändern. Und ich dachte mir: „Wenn das so weitergeht, muss ich das Unternehmen verlassen.“ Doch bevor ich die Entscheidung traf, wollte ich das Gespräch mit der Geschäftsführung suchen. Das hat mich viel Überwindung gekostet. Und viel Mut. Ich habe einfach direkt angesprochen, dass ich das Gefühl habe, da geht’s für mich nicht weiter, weil ich nicht das einbringen kann, was ich einbringen könnte. Und dann hat sich sehr rasch sehr viel verändert.