Rund zwei Jahre Pandemie waren vor allem für Menschen in Gesundheitsberufen fordernd. Im Gespräch mit uns schildert der leitende Intensivpfleger des Salzkammergut-Klinikums Vöcklabruck, Christian Schindlauer (44), die emotionalsten Momente und verrät, warum sein Job für ihn immer noch der Traumberuf ist.
Und plötzlich stand ein Polizeiauto vor dem Krankenhaus in Vöcklabruck. Doch nicht etwa, weil die Beamt:innen zu einem aktuellen Einsatz im Spital gerufen worden waren. Nein, die Polizist:innen sollten die Mitarbeiter:innen vor möglichen Übergriffen von Coronaleugner:innen schützen. „Eine Zeit lang stand ein Streifenwagen vor dem Gebäude. Ich bin am Weg in die Arbeit immer an dem Auto vorbeigekommen. Das war schon sehr irritierend, dass wir plötzlich Schutz von der Polizei benötigen. So etwas hätte ich niemals für möglich gehalten. Das Rote Kreuz, ein Spital, das sind Schutzsymbole und diese dürfen niemals angerührt werden“, so Christian Schindlauer, leitender Intensivpfleger am Salzkammergut-Klinikum Vöcklabruck, im Gespräch mit uns.
Der Vater zweier Töchter (acht und zwölf Jahre alt) hat sich auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz selbst nie gefürchtet. Das war aber nicht bei allen so. „Die eine oder andere Kollegin hatte nach dem Dienst im Dunkeln schon manchmal auf dem Weg zum Auto in die Tiefgarage ein mulmiges Gefühl“, erinnert sich Schindlauer. Kein Wunder, hatten doch im vergangenen Jahr Demoteilnehmer:innen in Braunau eine Pflegerin beschimpft und sogar attackiert. Wie sich Schindlauer erinnert, gab es danach eine Anweisung vom Ministerium, sich nicht als Gesundheitspersonal erkennen zu geben. „In dem Schreiben hieß es, man solle zum Beispiel das Schild aus dem Auto entfernen. Aber ich bin seit 21 Jahren als Intensivpfleger im Einsatz und schäme mich sicher nicht für meinen Beruf“, stellt Schindlauer klar.
„Urlaub noch nie so dringend nötig gehabt“
Knapp zwei Jahre Pandemie haben bei dem erfahrenen Pfleger Spuren hinterlassen. Zu Beginn des heurigen Jahres hatte der 44-Jährige seinen letzten Urlaub. Er sagt: „Ich habe in meiner ganzen Laufbahn noch nie einen Urlaub so dringend nötig gehabt. Auch wenn es mit dem Abschalten derzeit etwas anders ist. Man ist mit den Gedanken schon immer sehr in der Thematik.“ In der Vergangenheit galt Vöcklabruck oft als wahrer Coronahotspot. Zu Spitzenzeiten lagen acht Coronapatient:innen auf der Intensivstation – und das bei insgesamt zehn Betten. „Die Zeit war schon sehr fordernd für mich und mein ganzes Team. Wir haben Coronapatient:innen in andere Spitäler verlegt, um gleich danach neue Coviderkrankte aufnehmen zu können.“ Auch die körperliche Belastung war für die Pfleger:innen enorm. Bis zu zehnmal täglich musste die Schutzkleidung gewechselt werden. Nach rund einer halben Stunde in voller Montur war man laut Schindlauer komplett durchgeschwitzt. „Wir haben eine brutale Leistung erbracht. Schwer kranke Covidpatienten mussten im Bett oft gedreht werden. Viele Mitarbeiter meines Teams sind körperlich oder emotional erschöpft. Jetzt muss uns zugestanden werden, dass wir uns ein bisschen erholen können.“
Wie fordernd die Situation zu Spitzenzeiten oft war, beweist die Tatsache, dass der zweifache Vater und sein Team teilweise bis zu 72 Stunden in der Woche im Einsatz waren. „Wir haben immer Zwölf-Stunden-Dienste. Statt viermal pro Woche wurden es dann aber auf einmal sechs Dienste pro Woche. Und das ist schon extrem kräfteraubend“, sagt der Intensivpfleger und fügt hinzu: „Zu Beginn der Pandemie hatten viele von uns ja auch noch die Bilder aus Italien von den völlig erschöpften Spitalsmitarbeiter:innen im Kopf.“ Ob ihm in der zuletzt von negativen Schlagzeilen geprägten Zeit je Zweifel an seinem Job gekommen sind? Für seine Antwort muss er kaum eine Sekunde überlegen. „Bei mir war das in keinster Weise der Fall. Ganz im Gegenteil – es war die Bestätigung, dass wir das schaffen. Wir haben auch ganz viele Patient:innen durchgebracht. Das waren die positiven Momente.“
Kleines Mädchen gerettet
In ganz besonderer Erinnerung bleibt dem Leiter der Intensivstation die Rettung eines erst fünfzehn Monate alten Mädchens. Die kleine Patientin war an Corona erkrankt, eine ganze Nacht lang hing das Leben des Babys am seidenen Faden. Das Kind sei zweifach infiziert gewesen. Zum einen hatte es eine sogenannte RSV-Infektion, eine Atemwegserkrankung, die bei Kleinkindern häufig auftrete, und dazu sei die Coronainfektion gekommen, was auch bei sehr jungen Patient:innen immer wieder der Fall sei. Mit Atemnot und Lungenversagen wurde das Mädchen auf die Intensivstation verlegt und künstlich beatmet. „Zum Glück ist ein Team aus Linz mit einem Herzspezialisten mitten in der Nacht zu uns ins Spital gekommen. Zunächst hätte das Kind nach Passau gebracht werden sollen. Ich hatte Angst, dass es auf dem Weg dorthin stirbt. Es wurde dann aber noch in Linz ein Bett frei und das Mädchen konnte gerettet werden“, ist Schindlauer auch noch Monate danach sichtlich erleichtert. Gerade als Vater von zwei Kindern war dieser Vorfall für ihn „sehr belastend“. Aber genau diese Happy Ends sorgen dafür, warum der Job des Intensivpflegers für ihn nach wie vor der Traumberuf ist. „Die negativen Erlebnisse blendet man aus. Und zwar weil wir wissen, dass wir alles Mögliche für die Patient:innen geleistet haben.“ Für die Nachfolge ist im Hause Schindlauer übrigens auch schon gesorgt. Denn wie der 44-Jährige im Talk verrät, möchte seine jüngere Tochter in seine Fußstapfen treten. „Die Kleine hat mir schon öfter gesagt, dass sie meinen Job einmal übernehmen wird“, grinst der Vöcklabrucker. Schindlauer kann seinen Kindern diese Arbeit auch nur empfehlen. Er sagt: „Der Pflegeberuf ist extrem vielfältig. Das garantiert, dass für jeden das Richtige dabei ist. Man kann sich selbst verwirklichen.“ Wie er anmerkt, hat Corona das Standing der Pflege stark verändert und die Pflegediskussion angekurbelt. Laut ihm sei darüber zuvor nie nachgedacht worden. „Das Pflegepersonal war halt einfach da. Da ist nicht viel nachgefragt worden.“
Dabei hätte Schindlauer Verbesserungsvorschläge. Gerade beim Thema Ausbildung müsse laut ihm an einigen Schrauben gedreht werden. „Es gibt schon Handlungsbedarf. Man sollte auch prüfen, ob die derzeitigen Zugangsmöglichkeiten noch die richtigen sind, damit auch in Zukunft genügend Pflegekräfte zur Verfügung stehen.“ Vielleicht versorgt dann auch schon Schindlauers Tochter die Patient:innen …_
Wir haben eine brutale Leistung erbracht.
Christian Schindlauer
Leitender Intensivkrankenpfleger, Salzkammergut-Klinikum Vöcklabruck