Roboter übernehmen die Weltherrschaft. Künstliche Intelligenz treibt sie zu Höchstleistungen. Sie lernen und lernen und lernen – bis sie uns Menschen irgendwann unterwerfen. Wir verlieren die Kontrolle. Die Maschinen erlangen die Oberhand. Das Chaos ist perfekt. So oder zumindest so ähnlich behandelt Hollywood das Thema Künstliche Intelligenz. Aber wie sieht das eigentlich ein IT-Spezialist?
„Der Mensch
programmiert die Maschine, nicht die Maschine den
Menschen.“
Indrajit Raichaudhuri
Geschäftsführer, Omniscopy
Sie vertreten die Ansicht, dass wir uns schon längst nicht mehr in einer Phase der Digitalisierung befinden. Wie meinen Sie das?
RaichaudhuriDie Zeit der Massendigitalisierung hat bereits vor 15 Jahren begonnen und ist, begünstigt durch den Technologiewandel, in den letzten sieben bis acht Jahren explodiert. Mittlerweile ist unser Alltagsleben schon digital. Die Digitalisierung hat also längst stattgefunden. Aktuell machen wir mit der 5G-Technologie noch einmal einen großen Sprung. Technologisch gesehen ist 5G sogar ein Quantensprung, der uns nicht nur einen Schritt vorwärts bringt, sondern gleich zwei bis drei Schritte. Aber von einer Phase der Digitalisierung kann meiner Meinung nach schon lange nicht mehr gesprochen werden – wir sind schon digital.
Wie wird dieser Quantensprung unser Leben verändern?
RaichaudhuriAutonomes Fahren ist hierfür ein gutes Beispiel. Das ist keine Technologie der Zukunft, die Software ist in neuen Modellen größtenteils bereits installiert. In den meisten Fällen ist sie aber blockiert, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen noch nicht gegeben sind. Durch 5G wird dieser Prozess beschleunigt. Nun ist eine Dringlichkeit entstanden, alle rechtlichen Rahmenbedingungen im Hintergrund sukzessive zu formulieren, sodass die Technologie auch sicher ist. Aber nicht nur autonomes Fahren wird von 5G profitieren, auch die gesamte Produktionsindustrie. Künstliche Intelligenz bietet viele Möglichkeiten und Chancen. KI benötigt aber auch viel Rechenzeit, weil dabei große Datenmengen verarbeitet werden müssen. Dank 5G wird die Industrie nochmals sehr gepusht. Es hilft Unternehmen dabei, Prozesse noch genauer zu definieren und noch effizienter in Bereichen wie Kosten- und Energieersparnis zu werden.
Sie sprechen die Chancen Künstlicher Intelligenz an – was entgegnen Sie Menschen, die in KI eine Gefahr sehen?
RaichaudhuriDass es dafür überhaupt keinen vernünftigen Grund gibt! Künstliche Intelligenz ist definitiv nicht gefährlich. Der Begriff selbst ist etwas verfälschend und teilweise, bedingt durch die Filmindustrie, auch emotional aufgeladen – maschinelle Automation ist viel zutreffender. Man muss sich nur ein paar reale Beispiele ansehen, um das enorme Potential von Künstlicher Intelligenz zu erkennen: Die Medizin zählt auf diesem Gebiet zu den fortschrittlichsten Bereichen. Es gibt KI-Programme, die aktuell zwar noch nicht ganz so weit sind, aber schon in die Richtung kommen, Krankheiten wie Krebs vorherzusehen. In der Landwirtschaft gibt es KI-Prototypen, die genau vorhersagen können, wann die Früchte am besten geerntet werden sollen, damit sie zum Zeitpunkt des Kaufs im Geschäft die optimale Reife haben. Auch die Justiz bedient sich mittlerweile dieser Technologie. Durch die Auswertung zahlreicher ähnlicher Fälle hilft Künstliche Intelligenz Richtern und Geschworenen dabei, richtige Entscheidungen zu treffen – ohne Emotionen und damit wirklich objektiv. Man sollte also auf jeden Fall positiv mit dem Thema KI umgehen und keine Angst haben. Der Mensch programmiert die Maschine, nicht die Maschine den Menschen.
Welchen kritischen Argumenten begegnen Sie am häufigsten?
RaichaudhuriDas Hauptthema ist Datenschutz. Und ich glaube, dass hier der Gesetzgeber von den Usern stark unterschätzt wird. In der EU wird in diesem Bereich sehr viel gemacht. Aktuell wurde beispielsweise beantragt, dass die Gesichtserkennung im öffentlichen Bereich vorerst für die nächsten drei bis fünf Jahre verboten wird, weil die Gesetzgebung einfach noch nicht so weit ist.