Autos entwickeln sich immer stärker zu vernetzten Endgeräten, sprachgesteuerte Kommunikationssysteme, mit denen die Benutzer während der Fahrt E-Mails versenden können, sind keine Zukunftsvision mehr, sondern gehören teilweise schon zur Standardausrüstung. Die meisten Hersteller forschen an Konzepten, durch die das Auto zu einem Fixpunkt des vernetzten Lebens werden soll. Die Entwicklung ist ein Beispiel für die neuen Möglichkeiten, die sich für heimische Autozulieferer auftun. „Gerade durch Themen wie vernetzte Fahrzeuge ergeben sich gewaltige Chancen für die heimische Industrie, da wir in Oberösterreich Kompetenzen in diesem Bereich haben“, sagt Wolfgang Komatz, Cluster-Manager des oberösterreichischen Automobilclusters, „es gibt viele kleine, innovative Unternehmen, die dieses neue Geschäftsfeld nutzen.“
Enormes Wachstum in China
Neue Geschäftsfelder zu nutzen und neue Märkte zu erschließen – das ist essentiell für die meisten Autozulieferer in Österreich. Denn die Wirtschaftslage am europäischen Markt ist angespannt, die Zahlen stagnieren oder steigen nur leicht. „Für unsere Unternehmen, die in der ersten und zweiten Zulieferer-Ebene aktiv sind, ergibt sich dadurch natürlich keine leichte Situation“, sagt Komatz. Während es in Europa nur ein leichtes Wachstum gibt, boomen die Märkte in Nordamerika und den BRIC-Staaten, allen voran China. 2009 überholte man die USA als größten KFZ-Markt, das Potential ist weiterhin riesig. Während es in den USA pro Fahr- zeug 1,3 Personen gibt, kommt in China auf 6,75 Personen eines. In den letzten zehn Jahren ist die Produktion von 2,5 Millionen auf 19,6 Millionen produzierte Fahrzeuge angestiegen – also um 592 Prozent. „Die deutschen Premiumhersteller wie beispielsweise Volkswagen sind auf diesen Märkten mittlerweile besonders aktiv“, sagt Komatz, „die oberösterreichischen Zulieferer haben über die Jahre einen intensiven Zugang hergestellt und können davon profitieren.“
Die Hersteller verlangen allerdings immer öfter, dass die Zuliefererbetriebe sie nicht nur in Europa beliefern, sondern die Lieferketten auch in Asien oder Nordamerika aufrecht halten. Das gilt zunehmend auch für mittelständische und kleine Betriebe. Viele Zulieferer gehen den Schritt alleine und ohne umfassende Vorbereitungen. „Wir unterstützen Unternehmen dabei“, sagt Komatz. So unterstützt man ein Kooperationsprojekt der Starlim Spritzguss GmbH aus Marchtrenk, der Mark Metallwarenfabrik GmbH aus Spital am Pyhrn und der GTech Automatisierungstechnik GmbH aus Ried. Die drei Unternehmen haben sich das Ziel gesetzt, für den gemeinsamen Markteintritt in China eine Allianz zu gründen. „Das spart Ressourcen, bedeutet weniger Risiko und mehr Schlagkraft“, sagt Komatz. Die Voraussetzungen sind ideal: Die individuellen Stärken ergänzen sich, die Schwächen werden kompensiert. In Zukunft sollen weitere heimische Unternehmen von der Kooperation profitieren, die gesammelten Erfahrungen in der Vorbereitung und im Ablauf genutzt werden. „So lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit langfristig auf verschiedenen Märkten sichern“, sagt Komatz.
Prinzip "Follow the Customer"
Auch die oberösterreichische Turnkey Manufacturing Solutions GmbH (TMS) verfolgt das Prinzip „Follow the Customer“. „Wir sind seit 2009 in Indien mit einem Tochterunternehmen und seit 2010 in Russland vertreten“, sagt TMS- Geschäftsführer Marc Deimling. Im September wurde ein Unternehmen mit
Exportlizenz in China gegründet, mit einem Partner vor Ort werden lokale Projekte abgewickelt. Derzeit erwägt man eine Gründung in Brasilien durch ein Schwesterunternehmen. „Wir haben uns in anderen Märkten verstärkt, um den künftigen Umsatz zu halten oder zu vergrößern“, sagt Geschäftsführer Stefan Wilden. Europa ist zwar nach wie vor der wichtigste Markt für die Gruppe, größere Investitionen stehen für 2015 in Spanien in Zusammenarbeit mit der VW- Gruppe und General Motors an, auch in die Standorte in Deutschland wird investiert, aktuelle Modelle werden in Russland für 2015 geplant. Dort ist der Markt aufgrund der politischen Entwicklungen allerdings schwierig – obwohl Investitionsprogramme der Regierung in den vergangenen vier Jahren europäische und amerikanische Hersteller dazu bewogen hatten, massive Fertigungskapazitäten aufzubauen.
"Wir haben uns in anderen Märkten verstärkt, um den künftigen Umsatz zu halten oder zu vergrößern"
Stefan WildenGeschäftsführer TMS
Die Kernbereiche des Unternehmens sind der Karosseriebau, Förder- und Montagesysteme, Anlagen zur Motormontage und Reinigungsanlagen für Motorbauteile. Da alle Autohersteller 2015 in neue Modelle investieren, plant man bei der TMS mit einem Auftrags- eingang von 150 bis 200 Millionen Euro in diesem Jahr. „Wir streben einige Langzeit-Kooperationen an, derzeit haben wir die bei Opel und VW in Aussicht“, sagt Wilden.Die beiden Geschäftsführer wünschen sich mehr Bewusstsein ob der Wichtigkeit der Automobilindustrie. „Wir stehen mit den starken, automobillastigen Nachbarländern in einem engen Wettbewerb“, sagt Deimling. In vielen Bereichen hätten Tschechien, die Slowakei und Ungarn den heimischen Standort bereits überholt. „Wir sehen das Risiko, dass man die Wichtigkeit der Automobilbranche aus den Augen verliert, während die Branche in den Nachbarländern massiv gefördert wird“. Der Arbeitsmarkt sei schwierig, es wäre bereits schwer, Facharbeiter zu finden. Dazu kommen die steuerlichen Rahmenbedingungen und die hohen Lohnnebenkosten. Deimling: „Trotzdem sind die Rahmenbedingungen noch gut“.
Komatz vom Automobilcluster sieht den Schlüssel für den Erfolg der heimischen Automobilzulieferer im Ausland. „Das Wachstum dort sichert gleichzeitig auch die Arbeitsplätze in Oberösterreich und schafft Potential trotz stagnierender Wirtschaftslage in Europa“.
Der Automobil-Cluster
241
Partnerunternehmen kooperieren mit dem OÖ. Automobilcluster
Davon sind 160 Klein- und Mittelbetriebe und 163 produzierende Betriebe
57
Prozent der Partnerunternehmen sind in Oberösterreich beheimatet.
24,92
Milliarden Euro werden im Jahr erwirtschaftet.
80.500
Mitarbeiter sind bei ihnen angestellt