Schon klar. Doch ist das der Grund, warum die Coronakrise den Immobilienmarkt nie wirklich erreicht hat? Wolfgang Amann, Geschäftsführer am Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen, Christian Prechtl, Geschäftsführer Procon Wohnbau, und Peter Friedrich Berchtold, Abteilungsleiter Vertrieb Buwog Development, über die aktuellen Entwicklungen am Immobilienmarkt.
Wie hat sich der Immobilienmarkt im letzten Jahr verändert? Welche Trends haben sich abgezeichnet?
PRECHTLDie Menschen wohnen bewusster und das Eigenheim als Rückzugsort hat an Bedeutung gewonnen. Die eigenen vier Wände werden multifunktionaler und wandlungsfähiger gestaltet: Sie werden so als Arbeitsraum, Klassenzimmer, Wellnessoase, Fitnesscenter und Kaffeehaus genutzt. Außerdem sind die Menschen sensibler hinsichtlich ökologischer Aspekte geworden: Es werden Mobilitätskonzepte, die Herkunft von Baustoffen und Materialien kritisch hinterfragt.
BERCHTOLDDer Wohnungsmarkt boomt. Es gibt weiterhin eine starke Nachfrage, der auch ein entsprechend gewachsenes Angebot gegenübersteht. Es wird viel gebaut und Wohnungssuchende können aus einer breiten Palette die passende Wohnung auswählen, das gilt für Miete ebenso wie für Eigentum. Ein wichtiger Trend ist das steigende Qualitätsbewusstsein. Die Lockdowns während der Coronakrise haben gezeigt, wie wichtig die richtigen Wohnverhältnisse für die Lebensqualität einer Familie sind. Daher wollen Wohnungssuchende jetzt weniger denn je Kompromisse bezüglich Größe, Lage und Ausstattungsqualität eingehen. Lieber etwas mehr für die richtige, als etwas weniger für die falsche Wohnung ausgeben, das ist das Motto.
Welche Immobilien sind besonders gefragt?
PRECHTLImmobilien im Stadtumland und in ländlichen Regionen sind gefragter denn je und wurden durch die Coronakrise aufgewertet. Die Sehnsucht nach Natur und einem eigenen Garten hat den Zuzug in die Speckgürtel verstärkt. Das eigene Grün und Freiflächen sind unerlässliche Wohnungsentscheidungskriterien.
BERCHTOLDWohnungen stehen definitiv an oberster Stelle, hier sind Nachfrage und Bautätigkeit auch während der Coronakrise nie eingebrochen. Bei Gewerbeimmobilien hingegen gab es eine lange Schrecksekunde, doch durch die rasante Konjunkturerholung, die wir derzeit erleben, ist auch hier der Optimismus zurückgekehrt. Und dann gibt es natürlich einzelne Segmente wie etwa Logistikimmobilien, die von der Entwicklung profitiert haben – Stichwort Onlineboom.
Was ist aktuell die größte Herausforderung in der Immobilienmarktbranche?
PRECHTLBei höheren Qualitätsansprüchen und -vorgaben, steigenden Kosten in der Herstellung und aufgrund nachfragegetriebener Grundstückspreise sollen Immobilien trotzdem erschwinglich bleiben. Außerdem wird zukünftig immer weniger bebaubare Fläche einem steigenden Wohnbedarf gegenüberstehen. Als Resultat werden Gemeinden nicht mehr in die Breite, sondern in die Höhe wachsen.
BERCHTOLDTrotz der stark gestiegenen Baukosten Qualität zu einem marktfähigen Preis liefern zu können, sehe ich als die größte Herausforderung. Die Buwog befindet sich glücklicherweise in einer vergleichsweise guten Situation, da wir ausschließlich mit Generalunternehmern arbeiten und daher von den aktuellen Preisanstiegen nicht ganz so direkt betroffen sind.
AMANNIch halte zwei Aspekte für problematisch: Als Nebeneffekt der globalen Geldpolitik mit den aktuell niedrigen Zinsen wird viel Kapital in den Markt gedrückt, was der Hauptgrund für die starke Preisdynamik bei Immobilien ist. Die gesteigerte Nachfrage ist also kapitalgetrieben und nur teilweise Ausdruck gesteigerter wirtschaftlicher Tätigkeit. Zweitens geht der Wohnungsneubau in vielen Ballungsgebieten mittlerweile deutlich über den demografischen Bedarf hinaus. Das mit Abstand am schnellsten wachsende Bestandssegment sind Wohnungen ohne Hauptwohnsitz, was mit der Zeit zu einer Schieflage führen könnte.
… und die größte Chance?
PRECHTLDie größte Chance sehe ich darin, der Verödung von Stadt- und Ortskernen entgegenzuwirken und diese mit gemischt genutzten, impulsgebenden Projekten wiederzubeleben. Hier schlummern vielerlei Potentiale. Die Nachhaltigkeitswende wird sich darin so widerspiegeln, dass Gebäude weitgehend energieautark funktionieren. Bauträger müssen dabei eine intelligente Balance zwischen größerer Baudichte, Rückzugsort und sozialem Miteinander finden.
BERCHTOLDDie größte Chance im Jahr 2021 ist keine andere als in den Jahren davor und sie wird es auch in den kommenden Jahren bleiben: den Markt genau zu analysieren und Wohnungen zu bauen, wie die Konsumenten sie haben wollen. Standorte sollen so entwickelt werden, dass sie nachhaltige Qualität bieten: gute öffentliche Anbindung, Urbanität, Frei- und Grünraum und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Der einzige Weg zu nachhaltigem Erfolg im Wohnbau ist seriöse, sorgfältige und kundenorientierte Arbeit.
Bauträger müssen eine intelligente Balance zwischen größerer Baudichte, Rückzugsort und sozialem Miteinander finden.
Christian Prechtl
Geschäftsführer, Procon Wohnbau